Einen alten Lagerapfel für unseren kleinen Garten zu finden ist nicht leicht, wenn wir auch „weiche“ Kriterien heranziehen wollen. Jeder bringt so seine eigene Geschmacksvorstellung in die Verkostung ein, so dass es auf den ersten Blick fraglich erscheint, einen gemeinsamen Nenner bzw. Favoriten auszumachen, von dem alle Beteiligten begeistert sind.
Eines vorweg, wir machen so eine Lagerapfelverkostung das erste Mal: 17 Sorten in 7 Tagen. Oder anders: 6 kg in 7 Tagen, für die wir normalerweise mehrere Wochen benötigen. Zur Auswahl stehen Lageräpfel „wie du und ich“, also wie aus dem eigenen Garten, d.h. in Bioqualität (unbehandelt, ungetrimmt), unter Lagerbedingungen gehalten wie wir sie wahrscheinlich nicht bieten können, in allen Größen und Farben. Der Haken: ein i.d.R. 4monatiger Lagerapfel von alter Sorte ist wegen seiner allgemein zu erwartenden Grundmürbe eigentlich nicht mehr das, was wir wollen. Unsere eigenen Sorten (Rheinischer Winterrambour, Topaz und Pinova) sind weitestgehend verputzt oder welk, haben zunehmend ihren Saft verloren, tendieren zunehmend mehr zu süß als zur präferierten Richtung süß-säuerlich. Schale wird ledrig, hart. Da sind wir schon neugierig, was uns andere, unbekannte Sorten zu bieten haben, und wie wir sie alle auseinanderhalten bzw. beschreiben sollen, warum der eine uns gefällt und der andere hingegen nicht.
Bemühen wir unsere ungeübte Nase, so stellen wir fest, Lageräpfel riechen irgendwie alle gleich. Oder wir erkennen die Nuancen nicht, worin sich die Sorten unterscheiden. Der Aufbewahrungsort der Apfelbox jedenfalls ist von frischem Duft umgeben, und weit (!) darüber hinaus. Und es gibt auch Sorten, die schmecken irgendwie gleich oder zumindest sehr ähnlich im Vergleich zu unseren eigenen Sorten. Und je mürber sie daherkommen, desto mühsamer ist es Unterschiede herauszufinden, desto kritischer das (dann vernichtende) Urteil. Strengen wir uns allerdings etwas an, dann ist so eine Verkostung schon ein Geschmackserlebnis und durchaus zielfördernd.
In dieser Verkostung stellt sich als KO-Kriterium verstärkt heraus, dass der Lagerapfel nach 4 Monaten saftig sein soll (unsere Sorten bleiben alle saftig, daran sind wir gewöhnt). Sieger in dieser Kategorie sind Große Kasseler Renette, Kanadarenette, Himbeerapfel von Holowaus, Rote Französische Renette, London Pepping und Roter Martini. Insbesondere die letzten drei haben uns überrascht. Je kleiner der Apfel – desto weniger Saft so unsere Erwartung – können wir nicht belegen. Außer bei der Goldrenette Freiherr von Berlepsch: klein mit äußerst attraktivem roten Fruchtfleisch, zeigt sich leider von seiner vergleichsweise „staubtrockenen“ Seite.
Die Konsistenz ist für uns ebenfalls entscheidend. Knackig, spritzig, frisch mögen wir unsere Äpfel. Geht es aber in den Lagerstatus, so dürfen sie so wenig wie möglich von dieser Eigenschaft verlieren. Fest soll er bleiben, nicht mürbe werden. Und es gibt tatsächlich einige Gewinner, in einer Zahl, mit der wir nicht gerechnet haben. In ihrer Festigkeit unterscheiden sich Roter Martini und Finkenwerder Herbstprinz deutlich von den anderen Sorten. Weniger deutlich, aber dennoch angenehm zu beißen sind Goldrenette Hoya, Sulinger Grünling und Rote Französische Renette. Durchgefallen hier Ontario, Große Kasseler Renette und Kanadarenette.
Den Geschmack dieser Vielzahl an Apfelsorten genau zu beschreiben ist für uns unmöglich. Alle ihre Feinheiten zu erfassen, ob aromatisch, gar edel, würzig oder nicht, heißt für uns subsummierend: schmeckt oder schmeckt nicht, und hebt sich der Geschmack von unseren eigenen Sorten deutlich ab? Mit großer Neugier haben wir beispielsweise vom Himbeerapfel gekostet, um zu erfahren, was „süßweinig“ in der allgemeinen Beschreibung dieser Sorte bedeutet und wie sich der charakteristische Himbeergeschmack in einem Apfel äußern kann. Das Ergebnis: wir wissen immer noch nicht was süßweinig bedeutet (wie andere Sorten auch sortieren wir diese unter süß-säuerlich ein), und intensive Himbeere lässt sich auch nicht herausschmecken. Man muss diese Sorte mögen. Mir gefällt das. Anders ein Rosenapfel: Seinem Namen alle Ehre machend, schmeckt er nicht allen, aber wer diese besondere Geschmacksrichtung mag …
Als Favoriten unter den süß-säuerlichen Sorten machen wir nach den Kriterien saftig, fest, herausragendes, sich deutlich abhebendes Aroma im Vergleich zu unseren eigenen Sorten, gewisse Würze oder besser Raffinesse, folgende Sorten aus: Platz 4 für Ontario, trotz seiner mürben Konsistenz (24/30 Punkte), Platz 3 Rote Französische Renette (26/30 Punkte), Platz 2 für Goldrenette Hoya (28/30 Punkte) und Platz 1 für Finkenwerder Herbstprinz, der noch einen Hauch saftiger hätte sein können (29/30 Punkte). Mit einer solchen Einigkeit auf den Spitzenplätzen haben wir nicht gerechnet.
Damit ist die Entscheidung für unseren Garten fast (!) gefallen, wenn da nicht 4 noch offene Fragen wären… Leider nicht Teil dieser Verkostung, aber Teil unserer Vorauswahl nach harten Kriterien sind Champagner Renette und Geheimrat Breuhahn gewesen. Was tun? 1. Risiko eingehen und Platz für einen zweiten Baum (einen der nicht verkosteten oder nachfolgend platzierten Sorte) im Garten schaffen? Bedingung: Spaliertauglichkeit! 2. Über die zweitplatzierte Goldrenette Hoya (Hoyaische (Gold)renette, Hoya‘sche Goldrenette) ist im Netz leider wenig zu lesen. Weiß jemand was darüber?
3. Die Frage nach der anspruchsvollen Lagerbedingung (hohe Luftfeuchtigkeit) für den Finkenwerder Herbstprinz ist für uns noch nicht eindeutig geklärt bzw. gelöst. Und abschließend noch die Frage: 4. a) Wie mögen uns die favorisierten Sorten im Herbst wohl frisch vom Baum schmecken? Bliebe die Rangfolge gleich? Feststeht, dass der Finkenwerder Herbstprinz erst ab Januar genussreif sein soll. 4. b) Ist er davor ungenießbar? Jedenfalls würde seine Genussfähigkeit dann einsetzen, wenn gerade unsere Sorten verputzt sind. Einen Anspruch auf längere Lagerfähigkeit als bis März haben wir nicht, das sollte doch trotz nicht optimaler Bedingungen, die wir bieten können, zu schaffen sein…
Könnt ihr bei den Fragen noch mit Tipps helfen?