Willkommen, Gast. Bitte loggen sie sich ein oder registrieren sie sich.
News: Wenn im April die Maikaefer fliegen, bleiben die meisten im Schmutze liegen
Willkommen, Gast. Bitte loggen sie sich ein oder registrieren sie sich.
19. April 2024, 03:13:49
Erweiterte Suche  
News: Wenn im April die Maikaefer fliegen, bleiben die meisten im Schmutze liegen

Neuigkeiten:

|6|4| Man lebt deutlich entspannter, wenn man sich die eine oder andere Eitelkeit verkneift. (Staudo bei den gartenmenschen)

Seiten: [1] 2   nach unten

Autor Thema: 'Altes' Kräuterwissen  (Gelesen 8609 mal)

Re-Mark

  • Moderatoren
  • Master Member
  • *****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 1862
  • Ich brauche mehr Platz...!
'Altes' Kräuterwissen
« am: 10. Juli 2005, 20:10:18 »

Ich bin schon etwas verwundert, daß zwar einerseits 'Bio', 'Natur' und 'Altes Wissen' dermaßen in Mode sind, aber die allermeisten Leute dabei offenbar (gelinde gesagt) etwas an der Oberfläche bleiben. Gestern habe ich im Fernsehen (rbb) einen Beitrag über ein Kloster in der Nähe von Koblenz gesehen. Bei 'Kloster', 'Nonnen' und 'Kräutergarten' denkt man doch gleich an uraltes Klosterwissen, Weisheit etc, oder? Nun, zumindest dieses Kloster war ziemlich desillusionierend. Die Nonnen berichteten, daß sie sich irgendwann fragten, was sie denn mit ihrem Garten anfangen könnten. (Die Zierpflanzen waren wohl ziemlich kostenintensiv.)

Irgendeine von ihnen schlug 'Kräutergarten' vor, und alle waren begeistert. Ok, ich weiß schon, daß in einem Fernsehbeitrag die Dinge manchmal etwas komisch rüber kommen und durch die starke Vereinfachung und Verkürzung sich etwas von der Realität entfernen. Aber es scheint so zu sein, daß der Kräutergarten ziemlich neu ist, nicht von Generation zu Generation weitergegeben und gepflegt. Und die Nonnen hatten keineswegs Erfahrung oder sonst tiefer gehendes Wissen, nein, sie haben sich offenbar auch nur ein paar Kräuterbücher geschnappt. Ziemlich desillusionierend.
Auch bei den Beeten gab es nichts besonderes. Ein Beet für Minzen, eines für Melissen, eines für Thymian... (man hätte ja denken können, daß im Laufe der Jahrhunderte sich besondere Kombinationen als günstig erwiesen hätten...)

Nun frage ich mich natürlich, was die populären Kräuterbücher so taugen. Mir scheint, daß fast alle eh nur voneinander abschreiben. Behauptungen wie 'wirkt entschlackend' oder 'blutreinigend' werden ständig als praktisch selbstverständliche Tatschen dargestellt, wobei ich noch nicht herausgefunden habe, was damit eigentlich gemeint ist, geschweige denn woher dieses 'Wissen' stammt. Wahrscheinlich haben die Autoren das ständig übernommen, ohne es selbst zu verstehen.
Und auch die 'orinalen' (sprich: alten) Quellen müssen doch nicht automatisch richtig sein. Hat schonmal jemand tatsächlich gelesen, was die wiedermal hochverehrte Hildegard von Bingen so geschrieben hat?
http://gutenberg.spiegel.de/hildegar/heilwiss/heilwiss.htm:
Zitat
Gegen Blutspeien. Wenn schlechte, dick werdende Säfte im Menschen überhand nehmen und ihn zwingen, einige Zeit Blut zu speien, soll dieser Mensch so lange keine Medicin gebrauchen, damit nicht das Blut, durch die Medicin zurückgehalten, ihn innerlich vereitert und in ungewöhnlichem Grade ausfliesst.

Die meisten der Menschen, die damals 'Blut spuckten' dürften Lungentuberkulose oder andere Infektionskrankheiten gehabt haben.

Zitat
Wenn ein Mann unter Erguss kräftigen Samens und in treuer Liebe zur Frau zu ihr kommt und sie dann auch die rechte Liebe zum Manne hat, dann wird ein männliches Kind empfangen; denn so hat es Gott eingerichtet … Wenn der Mann seine Frau treu liebt, die Frau aber den Mann nicht, oder auch die Frau den Mann liebt, aber der Mann nicht die Frau, und der Mann dermalen nur dürftigen Samen hat, so entsteht ein weibliches Kind….

Ich glaube, das brauche ich nicht zu kommentieren.

Hier noch etwas für die Tierfreunde unter uns:
Zitat
Wenn die �freislicha� genannte Pustel mit Geschwulst entsteht, nehme man Fliegen, werfe ihre Köpfe weg, zerquetsche sie und lege den Brei kreisförmig um die Geschwulst … Dann lege man um diesen Kreis wiederum kreisförmig den Brei einer zerquetschten rothen Schnecke ohne Gehäuse … Schliesslich benetze man die Hautstelle um diesen äusseren Kreis mit Liliensaft …


Auch auf die Gefahr hin, virtuell gesteinigt zu werden: nur weil die gute Hildegard im Mittelalter lebte, und weil sie in einem Kloster wirkte, und Kloster und Kräuter zugegebenermaßen ihre Funktion bei der Heilung von Krankheiten hatten, heißt das noch nicht, daß sie ihre Schriften große Weisheit bergen. Dummerweise scheint sich die Hälfte der modernen Kräuterliteratur auf sie zu berufen...

Gibt es denn überhaupt brauchbare Kräuterliteratur, vielleicht sogar Primärliteratur (also nicht Sammlungen von x-mal abgeschriebenen 'Weisheiten'?
Gespeichert

max.

  • Master Member
  • *****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 8331
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #1 am: 10. Juli 2005, 20:59:46 »

@ re-mark
das habe ich schon einmal empfohlen. ich finde es sehr seriös
und nicht so betulich wie das ganze hochglanzkuschelzeug.

www.botanical.com/botanical/mgmh/mgmh.html

das gibt es natürlich auch als buch seit jahrzehnten. das macht natürlich mehr vergnügen als auf dem bildschirm.
gibt´s billig als paperback. 2 bde.

gruß
Gespeichert

brennnessel

  • Gast
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #2 am: 10. Juli 2005, 21:21:50 »

Ich glaube, das ist hier genau dasselbe wie mit so vielem alten Wissen, dass das einige Jahrzehnte keinen großen Stellenwert mehr hatte und dadurch die ständige Weitergabe von einer Generation zur nächsten unterbrochen oder gar ausgelöscht wurde. Das wird auch in Köstern nicht viel anders gewesen sein.
Es ist ja in allen möglichen Bereichen unseres Lebens so ! Bei den Kräutern war es eben die Pharmaindustrie, die mit ihren neuen Produkten oft viel schneller und vor allem bequemer helfen konnte und deshalb größeren Zuspruch fand. Es lebten auch nicht mehr alle Menschen so nahe an der Natur und schon von daher war es nicht einfach, sich mit Naturheilmitteln zu helfen.
 Dass man sich jetzt in vielen Belangen des täglichen Lebens rückbesinnt, ist erst eine Folge von Unzulänglichkeiten, die sich mit der Zeit herausstellten . Viele Menschen wollen aber nun wieder mehr Selbstverantwortung für sich und ihr Wohlbefinden tragen und müssen sich alles erst wieder mühsam zusammensuchen, was früher selbstverständlich war.

Ich würde die Hildegardschriften nicht gerne für nicht weise erklären. Es war eben das Wissen dieser Zeit oder diesem sogar voraus. Ich glaube, es kann keine Generation über eine andere ein gerechtes Urteil abgeben.

Wenn du ein gutes Kräuterbuch suchst, halte mal Ausschau nach dem
"Großen Buch der Heilpflanzen" von Apotheker M. Pahlow.
Es gibt aber sicher derer mehr ....
LG Lisl
« Letzte Änderung: 10. Juli 2005, 21:29:05 von brennnessel »
Gespeichert

riesenweib

  • Master Member
  • *****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 8920
  • schwarzerde | basisch | feucht | windig
    • :)
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #3 am: 10. Juli 2005, 22:16:19 »

der Pahlow ist wirklich okay *kopfnickendzustimm*. er hat die alten stellen als referenz drin, aber vermittelt das wissen auf modernen grundlagen.

gut ist auch diese seite hier, so viel ich weiss gibts die nur virtuell, genauso wie Henriettes.

lg, brigitte



« Letzte Änderung: 10. Juli 2005, 22:16:49 von riesenweib »
Gespeichert
will bitte jemand meine tippfehler? Verschenke sie in mengen. danke ;-)

Re-Mark

  • Moderatoren
  • Master Member
  • *****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 1862
  • Ich brauche mehr Platz...!
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #4 am: 10. Juli 2005, 22:54:31 »

Ich glaube, das ist hier genau dasselbe wie mit so vielem alten Wissen, dass das einige Jahrzehnte keinen großen Stellenwert mehr hatte und dadurch die ständige Weitergabe von einer Generation zur nächsten unterbrochen oder gar ausgelöscht wurde.

Sicher, das ist so. Aber war 'das Kräuterwissen' vor 800 Jahren (oder vor 500 Jahren oder vor 1000)) wenigstens größtenteils richtig? War es größtenteils Wissen, oder war größtenteils Ideologie? ("Diese Nuß sieht aus wie ein Gehirn also muß sie ja wohl auf das Gehirn wirken!")

Zitat
Das wird auch in Köstern nicht viel anders gewesen sein.
Es ist ja in allen möglichen Bereichen unseres Lebens so ! Bei den Kräutern war es eben die Pharmaindustrie, die mit ihren neuen Produkten oft viel schneller und vor allem bequemer helfen konnte und deshalb größeren Zuspruch fand. Es lebten auch nicht mehr alle Menschen so nahe an der Natur und schon von daher war es nicht einfach, sich mit Naturheilmitteln zu helfen.

Oft war es wohl eher so, daß erst die Pharmaindustrie überhaupt helfen konnte. Wenn früher jemand erstmal Lungen-TBC hatte, dann war das in den allermeisten Fällen ein Todesurteil, egal ob irgendwelche Aderlässe vorgenommen wurden oder pulverisierte Mittelchen aufgetragen wurden.

Aber es ging mir eigentlich nicht darum, Kräuter zu verteufeln. Im Gegenteil, ich denke, daß es sehr wohl Kräuter gibt, die helfen. Was mir so bitter aufstößt, ist der Umgang mit der 'Kräuterheilkunde' durch ihre Gläubigen. Denn mir scheint, daß die allermeisten eben nur Gläubige sind, nicht Wissende.
Und ich würde halt gerne wissen, worauf sich dieser Glaube gründet. Wohlgemerkt nicht der Glaube an Kräuter allgemein, sondern an immer wieder abgeschriebene 'Weisheiten', die niemand überprüft und kaum jemand versteht.

Zitat
Ich würde die Hildegardschriften nicht gerne für nicht weise erklären. Es war eben das Wissen dieser Zeit oder diesem sogar voraus. Ich glaube, es kann keine Generation über eine andere ein gerechtes Urteil abgeben.

Das sollte ich vielleicht auch besser nicht, denn ich habe nur ein paar Absätze gelesen. Aber zumindest einige dieser Absätze enthielten ganz offenbar Blödsinn (wie war das mit der Zeugung von Mädchen?).
Ist es da nicht eine berechtigte Frage, warum andere Texte, vielleicht mit Kräuterrezepturen, dagegen sinnvoll sein sollen?

Hildegard von Bingen hat ja offenbar viel Wissen und eben auch Meinungen ihrer Zeit gesammelt. Natürlich werden da auch richtige und wichtige Dinge dazwischen sein. Aber wie unterscheidet man das? Wie groß ist überhaupt der Anteil an nützlichem? Sehr viele Leute scheinen das nicht für nötig zu halten. Sie zitieren einfach von Bingen, wenn es ihnen passt, und verleihen ihren eigenen Werken (eher: Sammlungen) damit mehr Gewicht.

Ich werde mir die von Dir und sauzahn genannten Werke mal anschauen.
Gespeichert

brennnessel

  • Gast
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #5 am: 11. Juli 2005, 06:21:52 »


Zitat
Sicher, das ist so. Aber war 'das Kräuterwissen' vor 800 Jahren (oder vor 500 Jahren oder vor 1000)) wenigstens größtenteils richtig? War es größtenteils Wissen, oder war größtenteils Ideologie? ("Diese Nuß sieht aus wie ein Gehirn also muß sie ja wohl auf das Gehirn wirken!")

Ich denke, da ist das meiste Erfahrung, die immer wieder weitergegeben wurde. Den Menschen blieb ja auch garn nichts anderes übrig, als sich mit der sie umgebenden Natur zu helfen.
Sonst wäre die Menschheit ja schon längst ausgestorben! Es gibt auch heute noch Völker, die gänzlich ohne die Errungenschaften der Neuzeit leben. Viele haben aber auch eine völlig andere Einstellung zu Leben, Krankheit und Tod. Ich glaube, wir sehen immer alles nur von unserer Warte aus.
Und zur Nuss: das wurde ja inzwischen bewiesen, dass sie viele fürs Gehirn wertvolle Mineralstoffe enthält.
Zitat
Was mir so bitter aufstößt, ist der Umgang mit der 'Kräuterheilkunde' durch ihre Gläubigen.
Das verstehe ich nun nicht, Robert. Es wird ja nirgendwo jemand gezwungen, seine Wehwehchen mit Kräutern etc. zu kurieren. Noch steht es ja jedem frei. Wenn das mit dem nun offensichtlich immer schwerer finanzierbar werdenden Gesundheitssystem so weitergeht, kann es schon mal ganz nützlich werden, sich selbst helfen - und noch besser - vorbeugen - zu können.

Zitat
mehr .. Denn mir scheint, daß die allermeisten eben nur Gläubige sind, nicht Wissende.
Und ich würde halt gerne wissen, worauf sich dieser Glaube gründet.
Nur Gläubige scheint mir zu abwertend, aber für dich, als Kopfmenschen ist das eben so - und für dich deshalb auch richtig.....
Zitat
Aber zumindest einige dieser Absätze enthielten ganz offenbar Blödsinn (wie war das mit der Zeugung von Mädchen?).
Ist es da nicht eine berechtigte Frage, warum andere Texte, vielleicht mit Kräuterrezepturen, dagegen sinnvoll sein sollen?
Ich habe zwar so ein Hildegardbuch irgendwo liegen und mal zu lesen angefangen, aber ich kam damit auch nicht klar. Habe mich dann auch nicht weiter damit befasst. Aber ich kenne Menschen, die darauf bauen. Finde ich auch o.k..... Es wird ja niemand dazu gezwungen.
Interessant scheint mir, dass mehrere, von ihr verteufelte - bei uns aber als gesund geltende - Lebensmittel bei empfindlichen Menschen Allergien auslösen oder schwer verdaulich sind.
Hi, das mit der Zeugung von Buben und Mädchen ..... da muss ich noch nachdenken..... ::)
Zitat
Sie zitieren einfach von Bingen, wenn es ihnen passt, und verleihen ihren eigenen Werken (eher: Sammlungen) damit mehr Gewicht.
Es liegt immer am Leser, selbst zu entscheiden, was er annehmen will oder nicht.
LG Lisl

Gespeichert

riesenweib

  • Master Member
  • *****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 8920
  • schwarzerde | basisch | feucht | windig
    • :)
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #6 am: 11. Juli 2005, 06:53:48 »

lies die phytotherapeutischen bücher von Miriam Wiegele (z.b. Kräuter ABC). sie geht, wie Pahlow, auf die spezfischen substanzen einer pflanze ein, warum/wie die wirken, und warum die wirkstoffkombination in einer pflanze soviel bringt.
Gespeichert
will bitte jemand meine tippfehler? Verschenke sie in mengen. danke ;-)

Nicole.

  • Senior Member
  • ****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 641
    • Tomaten, Gurken, Paprika, Kräuter und mehr biologisch anbauen und pflegen
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #7 am: 11. Juli 2005, 09:17:57 »

Hallo,

hast Du schon mal von Juliette de Bairacli Levy gehört? Sie befasst sich mit dem Heilen mit Kräutern (allerdings speziell für Tiere bzw. Hunde, siehe auch http://www.barfers.de/juliette/juliette.htm). Ist aber trotzdem sehr interessant. Die Dame ist fast 100 Jahre alt und hat die ganze Welt bereist, um bei Naturvölkern zu leben und die Kunst des Heilens mit Kräutern zu erlernen.
Leider werden ihre Bücher nicht mehr neu aufgelegt, aber das ist in Arbeit. Am besten googlest Du mal nach ihr, da kommt jede Menge (natürlich auf Englisch...).

Liebe Grüße
Nicole
Gespeichert
Erst unser Mitgefühl für andere Geschöpfe macht uns Menschen zu Menschen!
(Albert Schweitzer)

Irisfool

  • Gast
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #8 am: 11. Juli 2005, 09:44:03 »

Mich würde dann mal interessieren, wie die liebe Hildegart die Entstehung von Zwillingen (männlich, weiblich) erklärt????
Ausserdem verpöhnt sie das Olivenöl. Wie "arm" wäre da manche Küche.....LG Irisfool.
Gespeichert

Ismene

  • Master Member
  • *****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 2595
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #9 am: 11. Juli 2005, 09:49:23 »

Hallo Re-Mark,
Stimmt schon:
Manche Leute folgen blind und unkritisch einer Kräuterlehre.
Aber:
Andere haben ihre Halbgötter in Weiß. Und es ist heutzutage selbstverständlich Medikamente einzunehmen, die an Ratten getestet wurden. Bei aller Liebe zu diesen Tierchen: das finde ich sehr merkwürdig.
Überall werden Fehler gemacht.
Früher wurde Kokain als Wundermittel verschrieben und es gab immer wieder Arzneimittel-Skandale, siehe Contergan.
Virtuell steinigen hilft da auch nix, aber virtueller Austausch wie hier sehr. Dazu leistet du ja glücklicherweise deinen Beitrag.
Wenn im alternativen Bereich etwas schief geht, habe ich den Eindruck, wird das von manchen Gruppen viel schärfer verurteilt als der sogenannte "Kunstfehler" der Aerzte.
Wenn man mal sieht, woran Menschen so sterben, stehen Selbstversuche mit mitteralterlichen Kräutern, glaube ich eher ganz unten auf der Rangliste.
Aber, Re-Mark, wenn du da konkrete Beispiele, die das Gegenteil belegen, hast: immer her damit!


Gespeichert
"Man muss nicht das Licht des anderen ausblasen, um das eigene leuchten zu lassen." Griechisches Sprichwort

Re-Mark

  • Moderatoren
  • Master Member
  • *****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 1862
  • Ich brauche mehr Platz...!
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #10 am: 11. Juli 2005, 10:19:31 »

Ich denke, da ist das meiste Erfahrung, die immer wieder weitergegeben wurde. Den Menschen blieb ja auch garn nichts anderes übrig, als sich mit der sie umgebenden Natur zu helfen.

Wenn etwas tatsächlich Erfahrung ist, dann ist das ja ok. Ich erwarte nicht, daß die Leute vor 1000 Jahren über biochemische Inhaltsstoffe bescheid wußten. Nur: haben sie tatsächlich Versuche mit verschiedenen Pflanzen angestellt, und im Laufe der Jahrhunderte herausgefunden, was bei welchen Beschwerden besonders gut hilft? Einige haben das sicherlich getan. Aber wie sehr wurde diese Erfahrung in den erhaltenen Schriften durch Ideologie verwässert? Mir scheint, da wurde fröhlich Signaturenlehre und die Theorie von irgendwelchen dünn- und dickflüssigen Körpersäften dazugemischt, ohne das es dazu tatsächlich Erfahrungen gab.

Zitat
Sonst wäre die Menschheit ja schon längst ausgestorben! Es gibt auch heute noch Völker, die gänzlich ohne die Errungenschaften der Neuzeit leben. Viele haben aber auch eine völlig andere Einstellung zu Leben, Krankheit und Tod. Ich glaube, wir sehen immer alles nur von unserer Warte aus.

Diese Völker in anderen Kulturkreisen richten sich in ihrer Kräuterheilkunde aber nicht unbedingt nach der Signaturenlehre, oder gar nach der Vier-Säfte-Lehre, die aber die Grundlage der wiederbelebten 'traditionellen' Kräuterkunde hierzulande zu bilden scheinen.

Zitat
Und zur Nuss: das wurde ja inzwischen bewiesen, dass sie viele fürs Gehirn wertvolle Mineralstoffe enthält.

Das trifft aber auf viele andere Nahrungsmittel, die nicht Hirnform haben, auch zu. Und es heißt auch nicht, daß sie bei Hirnverletzungen oder -krankheiten hilft, sondern bestenfalls bei Mangelernährung.

Zitat
Zitat
Was mir so bitter aufstößt, ist der Umgang mit der 'Kräuterheilkunde' durch ihre Gläubigen.
Das verstehe ich nun nicht, Robert. Es wird ja nirgendwo jemand gezwungen, seine Wehwehchen mit Kräutern etc. zu kurieren. Noch steht es ja jedem frei. Wenn das mit dem nun offensichtlich immer schwerer finanzierbar werdenden Gesundheitssystem so weitergeht, kann es schon mal ganz nützlich werden, sich selbst helfen - und noch besser - vorbeugen - zu können.

Das ist es ja eben: es wäre gut, wenn den Menschen auch mit Kräutern geholfen würde, bzw. sie sich selbst helfen könnten. Aber was ist, wenn es zwar wirksame Kräuter gibt, die verbreitetsten Lehren, welche Pflanzen man wann nimmt und wie sie verwendet werden, aber falsch sind?
Wie gesagt: Ich zweifle nicht die Kräuter an, sondern die Leute, die sie kritiklos aufgrund von Überlieferungen anwenden, die sich irgendwelche adeligen Griechen oder Römer mal ausgedacht hatten, die wiederum von einigen ägyptischen Werken inspiriert wurden. (und nicht unbedint basierend auf der jahrhundertelangen Erfahrung von weisen Kräuterfrauen, wie es gerne dargestellt wird!) Denn so lief es bei der Signaturenlehre und bei der Vier-Säfte-Lehre. In den Naturwissenschaften haben die Griechen und Römer ebenfalls z.T. viel Unsinn verzapft: Geometrie und Architektur war sicher top. Aber Biologie und Chemie kompletter Humbug. Die Naturwissenschaften haben versucht, alle Lehren in ihrem Bereich zu überprüfen, zu korrigieren und zu erweitern. Und "die Kräuterheilkundigen"?

Zitat
Nur Gläubige scheint mir zu abwertend, aber für dich, als Kopfmenschen ist das eben so - und für dich deshalb auch richtig.....

Bin ich das? Vielleicht. Aber vor 2000 Jahren wäre ich Druide geworden.

Schade, daß von denen nichts schriftliches überliefert ist. Die römische Kultur hat halt alles überdeckt.

Zitat
Ich habe zwar so ein Hildegardbuch irgendwo liegen und mal zu lesen angefangen, aber ich kam damit auch nicht klar. Habe mich dann auch nicht weiter damit befasst.

Siehst du. Du hast halt eigenen Verstand.

Zitat
Aber ich kenne Menschen, die darauf bauen. Finde ich auch o.k..... Es wird ja niemand dazu gezwungen.

Aber wenn jetzt jemand zu diesen Leuten kommt und Hilfe braucht. Dann geben die ihm (oder ihr) ein Mittelchen, weil: 'schon Hildegard hat geschrieben...'. Nicht weil: 'das hat schon oft geholfen, wo ... und ... versagt haben.' Die gleiche Hildegard, die geschrieben hat, wie aus minderwertigen Umständen beim Beischlaf Mädchen entstehen.
Finde ich ziemlich schlimm.
Einigen mag es ja trotzdem besser gehen. Entweder war es zufällig wirksam, oder der Zustand hat sich halt gerade zufällig verbessert, oder die Zuwendung durch den andern Menschen hat die Selbstheilungskräfte gestärkt. Anderen wird nicht geholfen, aber von denen hört man eben kaum.

Zitat
Interessant scheint mir, dass mehrere, von ihr verteufelte - bei uns aber als gesund geltende - Lebensmittel bei empfindlichen Menschen Allergien auslösen oder schwer verdaulich sind.

Und wieviele von den von ihr verteufelten Lebensmitteln lösen keine Allergien aus? Und wieviele von den nicht von ihr verteufelten bzw. sogar von ihr empfohlenen Lebensmitteln lösen trotzdem Allergien aus?

Zitat
Es liegt immer am Leser, selbst zu entscheiden, was er annehmen will oder nicht.

Wenn ein Werk eine zufällige Sammlung an nützlichen Dingen und Blödsinn ist, dann ist es wertlos. Denn wenn ich über das Wissen verfüge, um jede einzelne Sache selbst zu bewerten, dann brauche ich diese Sammlung nicht. Und wenn ich das Wissen nicht habe, dann werde ich in die Irre geführt. Vielleicht schadet es sogar, denn nicht jeder Blödsinn ist offensichtlich. Vielleicht stehen neben vielen harmlosen und wenigen wirksamen auch einige schädliche Rezepturen?
Gespeichert

Hortulanus

  • Gast
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #11 am: 11. Juli 2005, 10:34:33 »

Wenn ein Werk eine zufällige Sammlung an nützlichen Dingen und Blödsinn ist, dann ist es wertlos.

So ist es!
Aber es gibt halt den Placebo-Effekt, der gerade in der Homöopathie eine große Rolle spielt. Und man bedenke: Der Körper gesundet in den meisten Krankheitsfällen trotz Arzt oder Quacksalber.

Unbestritten ist, dass die Heilwirkung vieler Pflanzen noch gar nicht erforscht ist. Die Pharmaindustrie beackert dieses Terrain inzwischen sehr intensiv und entsendet sogar Pflanzenexpeditionen in Urwaldgebiete.

Ebenfalls unbestritten ist, dass sehr viele Heilmittel der Menschheit seit eh und je durch "Zufallsfunde" bekannt geworden sind. Wie sehr sie im Krankheitsfall allerdings geholfen haben zu heilen, bleibt wiederum dem Glauben überlassen (siehe Placebo-Effekt). Und wer besonders intensiv glaubt, nimmt Globuli und denkt beim "Entschlacken" an den Müll, der angeblich in unseren Adern herumliegen soll. Welch simples Weltbild.

Es gibt übrigens ein sehr interessantes Buch "Heilkunst und Heilkult. Medizin in der Antike". Stärker als die Römer haben die Araber unser Wissen um die Heilkunst beeinflusst.
« Letzte Änderung: 11. Juli 2005, 11:27:35 von Hortulanus »
Gespeichert

Heinone

  • Gast
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #12 am: 11. Juli 2005, 11:24:42 »

Ein Buchtip:

Lehrbuch der Phytotherapie. Von Rudolf Fritz Weiss und Volker Fintelmann. 10. Auflage 2002. Hippokrates-Verlag Stuttgart.

Das Buch ist nicht billig, aber mit knapp 80 Euro preiswert. Ältere Auflagen sind manchmal sehr günstig zu finden. Co-Autor Fintelmann ist erst ab der 7. Auflage (1991) dabei, zunächst als Bearbeiter.

Die wissenschaftlich renommierte Gesellschaft für Phytotherapie, deren Gründungsmitglieder die Professoren Weiss und Fintelmann waren bzw. sind (Weiss ist hochbetagt verstorben), befaßt sich mit aktueller Pflanzenheilkunde. Dabei finden sich durchaus viele Bestätigungen für uraltes Erfahrungswissen.

Meine Meinung: Hildegard von Bingen darf getrost als weise bezeichnet werden, bei allen Dingen, die uns heute zurecht abstrus vorkommen. Mit nur einem klein wenig Sachverstand offenbart sich jedoch eine erstaunliche Kenntnis um Zusammenhänge, die selbstverständlich aus dem mittelalterlichen Kontext heraus gelesen und verstanden werden müssen.

Überhaupt nicht weise finde ich all die vorschnellen Verrisse -- und ausgesprochen blöde die moderne unreflektierte Abschreiberei irgendwelcher Apologeten und Möchtegernautoren, die vom schicken und schier unüberschaubaren Heil-Markt ihr Scheibchen abschneiden wollen, sei es aus Sendungsbewußtsein, aus finanziellen oder selbstdarstellerischen Gründen.

Für historisch bis ins 20. Jahrhundert Interessierte die Fundgrube überhaupt: Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, von Gerhard Madaus, Georg-Thieme-Verlag, Leipzig 1938.

Der weiter oben genannte "Pahlow" ist eine hervorragende Quelle bei der Suche nach für die Selbstmedikation geeigneten Pflanzen und Pflanzenzubereitungen.

Gespeichert

Re-Mark

  • Moderatoren
  • Master Member
  • *****
  • Offline Offline
  • Beiträge: 1862
  • Ich brauche mehr Platz...!
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #13 am: 11. Juli 2005, 11:29:19 »

Andere haben ihre Halbgötter in Weiß.

Ist das so? Ich kenne keinen, der an 'Halbgötter in Weiß' glaubt. Aber viele, die an die Richtigkeit von alternativen Methoden glauben, einfach so, ohne zumindest starken Hinweis ihrer Wirksamkeit. (Wenn mir oder Leuten, die ich kenne, nachweislich geholfen würde, dann wäre das für mich ein solcher Hinweis.)

Zitat
Und es ist heutzutage selbstverständlich Medikamente einzunehmen, die an Ratten getestet wurden. Bei aller Liebe zu diesen Tierchen: das finde ich sehr merkwürdig.

Es werden keine Medikamente zugelassen, die nur an Ratten getestet worden sind. Man braucht die Ratten, um aus den Milliarden von möglichen Stoffen einige herauszufinden, die überhaupt möglicherweise bei Säugetieren etwas günstiges bewirken. Natürlich läßt man sich dadurch jede Menge wirksamer Substanzen entgehen, die bei der Ratte nichts bringen, im Menschen aber schon helfen würden, wenn man sie denn gleich an ihm getestet hätte. Aber wenn man bei den Ratten etwas findet, dann wird es auch noch an Affen getestet und schließlich bei Menschen.

(Seltsam übrigens der umgekehrte Weg, daß neuerdings viele alternative Heilmethoden und -Mittel auch 1:1 bei Tieren angewendet werden.)

Zitat
Überall werden Fehler gemacht.
Früher wurde Kokain als Wundermittel verschrieben und es gab immer wieder Arzneimittel-Skandale, siehe Contergan.

Richtig, überall werden Fehler gemacht. Aber (fast) nur in 'den Naturwissenschaften' werden sie irgendwann korrigiert. Kokain wird eben nicht mehr verschrieben. Und Contergan wurde in DE durch Lobbying der Pharmaindustrie vorschnell auf den Markt gebracht, in den USA z.B. nicht. Der Fehler lag also in der Politik, nicht in der Wissenschaft. Außerdem hat man mittlerweile aufgeklärt, daß ein Gemisch von zwei spiegelbildlichen Formen des Wirkstoffs vorlag, von denen nur eine die schrecklichen Wirkungen hat.

Moderne ('modern' im Sinne von 'Mode') Kräuterbücher dagegen geben einfach munter irgendwelches Zeugs von sich, was irgendwann vorher mal jemand aufgeschrieben hat. Ohne Fehler zu korrigieren oder auch nur darauf aktiv zu prüfen.
Und Leute, die solche Modebücher kaufen, tragen dazu bei, daß es wirksame Kräuterheilkunde schwerer hat.

Zitat
Virtuell steinigen hilft da auch nix, aber virtueller Austausch wie hier sehr. Dazu leistet du ja glücklicherweise deinen Beitrag.
Wenn im alternativen Bereich etwas schief geht, habe ich den Eindruck, wird das von manchen Gruppen viel schärfer verurteilt als der sogenannte "Kunstfehler" der Aerzte.

Ja, es ist leider so, daß ärztliche "Kunstfehler" fast gar nicht verfolgt werden. Lobbyarbeit. Allerdings ist es eben auch so, daß einem z.B. bei einem richtig entzündeten Blinddarm gar nichts anderes übrig bleibt, als sich unters Messer zu legen. Manchmal sterben dabei Leute durch Kunstfehler, aber ohne OP wären alle gestorben. Oder hatte man vor 500 oder 1000 Jahren eine Blinddarmentzündung mit 'traditionellen' Mitteln im Griff?
Das ist natürlich keine Entschuldigung für Kunstfehler, vor allem solche durch Schlamperei. Soetwas müßte aktiv verfolgt werden.

Zitat
Wenn man mal sieht, woran Menschen so sterben, stehen Selbstversuche mit mitteralterlichen Kräutern, glaube ich eher ganz unten auf der Rangliste.

Das ist halt der Punkt: man stirbt normalerweise nicht an den Kräutern, sondern dadurch, daß man keine wirksame Behandlung bekommt (sei es nun durch Schulmedizin oder sei es durch die richtigen Kräuter).

Zitat
Aber, Re-Mark, wenn du da konkrete Beispiele, die das Gegenteil belegen, hast: immer her damit!

Falsche Fragestellung, siehe oben.
Aber ich kenne eine Menge Leute, die ohne die moderne Pharmaindustrie nicht mehr leben würden. Diabetes mellitus, Zuckerkrankheit, wäre z.B. ein sehr konkretes Beispiel.
Trotzdem findet man in manchen Kräuterbüchern bei einigen Pflanzen Vermerke, die in die Richtung 'bei Zuckerkrankheit' o.ä. gehen. Bullshit! Ohne Insulinspritzen wäre diese Leute alle tot, egal ob da nun irgendwelche Heiler ein paar Wochen mehr oder weniger rausgeholt hätten.

Der 'tragische' Konflikt besteht meiner Meinung aber nicht zwischen Alternativmedizin und Schulmedizin, sondern zwischen einer kritischen, fundierten, zumindest oft wirksamen Alternativmedizin auf der einen Seite und einer unkritischen, nach persönlichem Belieben zusammengestellten, höchstens zufällig wirksamen Alternativmedizin auf der anderen.
Diese Konflikt verursacht Leid und kostet Menschenleben nicht durch 'Selbstversuche', sondern durch unterlassene wirksame Hilfeleistung.

Eine wirksame Alternativmedizin wird durch unwirksame, aber populäre Alternativmedizin sehr viel stärker be- und verhindert als durch die Schulmedizin!
Gespeichert

Eva

  • Gast
Re:'Altes' Kräuterwissen
« Antwort #14 am: 11. Juli 2005, 20:15:15 »

Zitat
Eine wirksame Alternativmedizin wird durch unwirksame, aber populäre Alternativmedizin sehr viel stärker be- und verhindert als durch die Schulmedizin!

Ja, genauso isses!

Hinzu kommt noch, dass viele offenbar in früher Jugend ein Mathe+Naturwissenschaft-Trauma, häufig wohl durch unfähige Lehrer erlitten haben und allem, was auch nur wissenschaftlich klingt, erst mal mit großem Argwohn gegenüberstehen.

Kräuter setze ich vorwiegend für mich selbst ein, und da achte ich schon drauf, ob es funktioniert hat oder nicht. Von Fremden lasse ich mich nur sehr ungern heilen - bin bloß froh, wenn ich in der Richtung nichts brauche.
Gespeichert
Seiten: [1] 2   nach oben
 

Garten-pur.de Nutzungsbedingungen | Impressum | Datenschutzerklärung

Forum Garten-pur | Powered by SMF, Simple Machines
© 2001-2015 garten-pur. All Rights Reserved.
Garten-pur.de