Offener Brief der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Studienfakultaet "Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung" an der TU Muenchen-WeihenstephanSehr geehrte Damen und Herren,
der Studiengang "Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung" an der TU Muenchen soll auf Empfehlung der Erweiterten Hochschulleitung vom 17.12.2003 zum Wintersemester 2004 eingestellt werden. Am 19.12.2003 erlaeuterte TU-Praesident Herrmann, diese Massnahme sei notwendig, um Sparvorgaben der bayerischen Staatsregierung einzuhalten.
Die angefuehrten Argumente zur Schliessung ausgerechnet dieses als herausragend evaluierten Studienganges sind irrefuehrend und leicht zu widerlegen. Die Behauptung, die international renommierte Landschaftsarchitektur und -planung sei kein "Profilfach" der TU Muenchen, ist willkuerlich. Von einem "besonders schwachen" Arbeitsmarkt fuer unsere Absolventen kann keine Rede sein, er ist besser als in vielen vergleichbaren Bereichen. Die steigende Nachfrage nach
Studienplaetzen machte erneut die Einfuehrung eines Numerus Clausus erforderlich. Erst 2001 stellte eine externe Evaluierungskommission (ETH Zuerich) die Exzellenz des Studienganges heraus und forderte dessen deutliche Staerkung. 2002 wurde deshalb vom Verwaltungsrat der TU Muenchen der Ausbau der Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung um 7(!) Professuren beschlossen.
Derzeit laufen bereits mehrere Berufungsverfahren, u.a. fuer eine von der Allianz Umweltstiftung eingebrachte C4-Stiftungsprofessur ("Strategie und Management der Landschaftsentwicklung").
Wir, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Studienfakultaet "Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung", halten die Empfehlung zur Schliessung fuer einen folgenschweren Fehler. Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung nehmen sich der komplexen, faecheruebergreifenden Probleme aktueller Gesellschaft-Umwelt-Beziehungen an. In der Vergangenheit wurden in unserem Hause zahlreiche Methoden u.a. zur oekologischen Fundierung der Landesentwicklung und Landschaftsplanung erarbeitet. Erinnert sei an Meilensteine wie die Entwicklung geographischer Informationssysteme (GIS), die Entwicklung von Strategien fuer postindustrielle Landschaften (z.B. im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher-Park), der Oekologische Leitplan Athen, das MAB-Projekt Berchtesgaden, das Arten- und Biotopschutzprogramm oder die Sanierung des Donaumooses. Dieses hohe Innovationspotential findet national wie international grosse Anerkennung. Laufende Kooperationen, Lehrauftraege und Forschungsprojekte z.B. in Brasilien, China, im suedlichen Afrika und den USA weisen auf den anhaltend hohen Standard und die Bedeutung des hier entstandenen Wissens fuer die globale Umweltforschung hin. Hier erarbeitete Verfahren werden weit ueber die Grenzen Deutschlands hinaus taeglich angewendet.
Gegenwaertig laufen u.a. Projekte zur Revitalisierung von
Altindustriestandorten und deren Infrastruktur, zur Nachhaltigkeit urbaner Systeme, zur Gestaltung stadtraeumlicher Veraenderungen, zur Sicherheitsforschung ueber Umweltauswirkungen gentechnisch veraenderter Organismen sowie zur Koexistenz von konventioneller Landwirtschaft und landwirtschaft mit transgenen Pflanzen. Mit der EU-Integration und Osterweiterung stehen wir vor neuen Problemstellungen, fuer die unsere Institution Loesungsansaetze entwickeln und qualifiziertes Personal ausbilden kann. In diesem Zusammenhang ist auch auf die rasche Weiterentwicklung der Umweltgesetzgebung auf nationaler und auf EU-Ebene hinzuweisen, die ihrerseits eine methodische Weiterentwicklung der Landschaftsplanung erforderlich macht. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein erfolgreiches Kompetenzzentrum fuer Probleme groesster gesellschaftlicher Relevanz in dieser Situation geschwaecht werden soll.
Eine Landschaft ist kein allein mit naturwissenschaftlichen Methoden erfassbares Objekt, sondern ebenso ein kulturelles und aesthetisches Gebilde. Sie kann auch nicht auf der Grundlage rein technischen Wissens geplant und gestaltet werden. Dieser komplexen Aufgabenstellung traegt unser Studiengang durch seine betonte Interdisziplinaritaet Rechnung. Die Auffassung, eine solche Form interdisziplinaerer Kompetenz koenne - wie nun vorgesehen - quasi nebenbei von anderen, rein technisch orientierten Fachrichtungen vermittelt werden, unterschaetzt auf fahrlaessige Weise die Herausforderungen moderner, nachhaltiger Landschaftsarchitektur und -planung. Sie verkennt, welch hohes Gut die sorgsam entwickelte Praxis der Landschaftsgestaltung in Deutschland darstellt. Die gleichermassen menschen- wie naturfreundliche Entwicklung unserer Umwelt ist keine Selbstverstaendlichkeit. Interdisziplinaeres Wissen und die Ausbildung entsprechend hoch qualifizierter Kraefte sind von zentraler Bedeutung fuer den Freistaat Bayern und weit darueber hinaus. Es kann nicht im oeffentlichen Interesse liegen, dass eine Universitaet ueber die Abschaffung eines Studienganges mit national wie international erstklassiger Reputation autonom entscheidet und so den landesweiten oder gar bundesweiten Verlust wichtiger Kompetenzen heraufbeschwoert.
Unser Studiengang ist in Sueddeutschland einmalig. Die als Innovationsvorbild gern zitierte Schweiz richtet gerade an der ETH Zuerich einen aehnlichen Studiengang ein. Der sich in Bayern abzeichnenden (umwelt-)bildungspolitischen Brandrodung sollte u.a. mit einem verantwortungsvollen, universitaetsuebergreifenden Strukturkonzept fuer alle Hochschulen des Freistaates begegnet werden. Bei allem Verstaendnis fuer die Notwendigkeit von Sparmassnahmen duerfen nicht ausgerechnet gesamtgesellschaftlich bedeutsame und international angesehene Eckpfeiler unserer Universitaeten kurzsichtigen profilierungsueberlegungen zum Opfer fallen.
Zusammenfassend stellen wir fest und fordern:- Die drohende Schliessung des Sudienganges "Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung" an der TU Muenchen in Weihenstephan muss verhindert werden!
- Mit der drohenden Erosion wissenschaftlich qualifizierter Umweltplanung an der Schluesselstelle von Forschung und Lehre in Weihenstephan zeichnet sich eine gefaehrliche Fehlentwicklung ab.
- Wir fordern alle Verantwortlichen auf, sich unverzueglich und mit aller Vehemenz fuer den bereits zugesagten Ausbau des Studienganges einzusetzen. Die einzigartige Chance, das Kompetenzzentrum fuer Landschaftsarchitektur und -planung weiter auszubauen, darf nicht leichtfertig verspielt werden.
Wir wenden uns in der Hoffnung an Sie, dass Sie mit uns fuer die Erhaltung des Studienganges eintreten. Moeglichkeiten der Unterstuetzung sind die Weiterleitung dieses Briefes (moeglichst bald mit einem kurzen, von Ihnen unterschriebenen Begleitbrief) an Ihnen bekannte Persoenlichkeiten und Institutionen oder ein persoenliches Schreiben an:
Herrn Staatsminister fuer Wissenschaft, Forschung und Kunst Dr. Thomas Goppel, Salvatorstr. 2, 80333 Muenchen;
Herrn Staatsminister fuer Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Dr. Werner Schnappauf, Rosenkavalierplatz 2, 81925 Muenchen;
Frau Vigdis Nipperdey, Vorsitzende des Hochschulrates, Arcisstrasse 21, 80333 Muenchen;
den Praesident der TU Muenchen, Prof. Dr. Wolfgang A. Herrmann, Praesidialbuero, Arcisstrasse 21, 80290 Muenchen.
Vielen Dank fuer Ihre Unterstuetzung!Freising-Weihenstephan, den 14. 01. 2004
Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Studienfakultaet "Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung" an der TU Muenchen-Weihenstephan
Bayern ohne LandschaftsarchitekturStellungnahmen zur Schliessung