Fortsetzung II:
Bisher die Zähne ausgebissen habe ich mir an einem der schönsten Herbstblüher, an Sternbergia lutea, die „Gewitterblume“, der „Goldkrokus“ oder, wie sie mal in einem Prospekt angepriesen wurde, die biblische „Lilie des Feldes“. Das war wohl der eigentliche Auslöser für mich, die Zwiebeln zu bestellen, obwohl diese Bezeichnung definitiv falsch sein dürfte. Wie so oft bei Pflanzenbezeichnungen der Antike lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen, welche Blume damit gemeint sein sollte. Es gibt Stimmen, die behaupten, mit „Lilie des Feldes“ sei Anemone coronaria, die Kronenanemone, bezeichnet worden, die aber wohl auch, sehr konfus, wieder mit der Madonnenlilie (Lilium candidum) gleichgesetzt wird. In der Vulgata steht lediglich „lilia agri“ = Lilien des Ackers/Feldes. Wäre interessant zu erfahren, wie der aramäische Text lautet. Wie und was auch immer: zumindest kommt Sternbergia dort in sommertrockenen Wadis und an absonnigen Hängen vor. Und muss man alles genau wissen wollen, insbesondere wenn sich damit höchst romantische Vorstellungen verbinden? Allein schon die Erinnerung an die Bibelstelle „Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen“ macht diese herrliche Pflanze für mich so begehrenswert. Ich wurde jedoch stets enttäuscht. Die gesetzten Zwiebeln hatten allenfalls grüne Blattspitzen gezeigt, um sich dann für immer zu verabschieden. In der Toskana konnte ich sehen, wie überwältigend schön größere Tuffs dieses Amaryllisgewächses sein können. Der Standort dort war meist halbschattig in kompaktem Lehmboden, der wohl im Sommer stark austrocknet. Gleiche Bedingungen kann ich leider nicht schaffen. Aber die aus Italien mitgebrachten Zwiebeln stehen bislang sehr stramm in einem stark mit Steinen versetzten, nahrungsarmen Beet. Die geringe Winterhärte kann ich nur durch ein paar Fichtenzweige verteidigen. Also hoffe ich erneut, wie bei vielen anderen Pflanzen auch, auf einen milden Winter. In manchen Literaturhinweisen wird für Sternbergia als erträgliche Tiefsttemperatur – 5°C angegeben. Träfe das zu, dann wären meine bereits hinüber. Während ich dieses schreibe, zeigt sich das Blattgrün noch unbeschädigt, obwohl das Thermometer in den vergangenen Tagen bis auf – 10°C gefallen war. Harren wir der Dinge „in aller Demut und Sanftmut, in Geduld“, um noch einmal die Bibel zu zitieren.
Ähnlich enttäuschend verliefen meine bisherigen Erfahrungen mit Orchideen. In meinem früheren Garten hatte ich sehr erfolgreich den einheimischen Frauenschuh (Cypripedium calceolus), aus Gärtnerhand selbstredend, gepflanzt. Wohl mehr aus Zufall wurde von mir, denn damals war ich ein noch größerer Anfänger als heute, der richtige Standort und das wunschgemäße Substrat gewählt. Jedenfalls verbreiterte sich der Horst langsam, doch stetig. Man übertreibt in der Erinnerung ja immer gerne und ich möchte den Frauenschuh nicht mit dem sprichwörtlichen Anglerglück in Verbindung gebracht wissen, aber ca. 30 Blütenstängel, die mühsamst gegen Schnecken verteidigt werden wollten, waren es zum Schluss gewiss. Ein viel größerer Feind als die Schnecken war allerdings ein Igel. Nicht, weil er etwa für seine Angebeteten hin und wieder ein Orchideenblütchen gepflückt hätte (Igel sind wenig feinsinnige Liebhaber), sondern weil er nicht selten ohne jedwede Empathie durch die Stängel walzte und alles niedertrampelte. Der Igel hatte über zwei Jahre hin sein Ruhelager unter einem großen Frauenfarn, Athyrium filix femina „Plumosum“, unmittelbar neben dem Frauenschuh-Horst. In der Morgendämmerung trottete er grunzend und grummelnd heimwärts, wie ein angetrunkener Zecher, voll des Weins und seiner erotischen Erlebnisse. Der kleine Kerl war ein drolliger Filou und es wäre absolut nicht erstaunlich gewesen, wenn er mit einem schräg auf dem Kopf sitzenden Zylinder vor sich hin geträllert hätte „Jetzt geh’ ich ins Maxim, dort bin ich sehr intim, kenn alle Igeldamen...“. So zog er sehr geräuschvoll Morgen für Morgen unter die Farnwedel, schniefte noch ein wenig herum und hustete sich dann in den Schlaf. Ein unsittlicher Lebenswandel fordert eben irgendwann seinen Tribut.
Im neuen Garten blieb ich hingegen mit mehreren Orchideenarten glücklos. Lediglich ein Knabenkraut hält sich seit einigen Jahren tapfer und blüht regelmäßig an einem leider sehr ungünstigen Standort. Ich wage nicht, es zu versetzen. Ein Blick auf den hochmütigen Gesichtsausdruck der kleinen Blüten genügt, um zu wissen, mit welcher Mimose man es zu tun hat.
Fortsetzung in Antwort 3