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News: Die Spanner habe ich alle gefressen. (anonymes Zitat aus einem Fachthread)
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News: Die Spanner habe ich alle gefressen. (anonymes Zitat aus einem Fachthread)

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Autor Thema: Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?  (Gelesen 14862 mal)

hummel

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Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« am: 19. April 2004, 16:44:55 »

Nachdem ich heute auf meinem Harenberg Gartenkalender ein Bild des Arbutus unedo hatte und las , dass er zur Familie der Ericacae gehoehrt,hab ich mich mal ganz doof gefragt, nach welchen Kriterien einzelne Pflanzen in ihre Familiengruppen eingeordnet werden.
Hier bei dem Erdbeerbaum kann es doch nicht nur wegen seiner Gloeckchenbluete angehen, dass er gleich zur Familie der Heidepflanzen gehoehrt, sonst hat er doch nun wirklich gar nichts mit ihnen gemein (hoechstens den sauren ph- Wert, vielleicht) ???
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Susanne

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #1 am: 20. April 2004, 09:15:27 »

Ich glaube, es sind wirklich die Blüten, die einer Pflanze ihre Familie zuweisen. Erinnerst du dich noch an den ersten Biologieunterricht? Da wird doch zum Erkennen der Pflanzenwelt regelmäßig eine Tulpe zerpflückt, dann lernt man Korbblütler, Kreuzblütler, Lippenblütler...

Ich habe bei den Unterschieden in den Familien immer die Schmetterlingsblütler vor Augen, deren Blüten so typisch sind, egal ob sie an dicken Bohnen blühen oder an Robinien.



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Crocus

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #2 am: 20. April 2004, 15:15:45 »

Früher wurden die Blüten herangezogen, ja. Aber das ergibt künstliche Systeme wie jenes von Linné. Heute versuchen wir Stammbäume zu rekonstruieren. Jedes Merkmal zählt. Von der Blütenmorphologie und Morphologie allgemein über Anatomie, Physiologie, Ökologie etc bis hin zur Genetik.

Was wir allerdings nicht können, ist eine zwingende Familiengrenze finden. Man kann Familien weiter oder enger fassen, aber nicht willkürlich Grenzen ziehen. Etwa kann die Trennung der Familien Fabaceae, Caesalpiniaceae und Mimosaceae so nicht aufrecht erhalten werden, weil die nichtfiederblättrigen Caesalpiniaceen vom Hauptast früher abzweigen als die Fabaceen und erst dann kommt der Rest der Caesalpiniaceen und schließlich die Mimosaceen. Nun kann man entweder die blütenmorphologisch auffällig verschiedenen aber sonst morphologisch auffällig ähnlichen "Familien" wieder in eine Familie Hülsenfrüchter (Fabaceae s.l.) zuammenfassen oder vier Familien draus machen: Bauhiniaceae, Fabaceae, Caesalpiniaceae und Mimosaceae. Das ist Geschmackssache und es wird sich eine der beiden Möglichkeiten durchsetzen.

Was die Ericaceen betrifft, so sind sie eine der Familien, die seit Linné in ihrem Umfang nahezu unverändert geblieben sind. D.h. alle Merkmale stimmen mit den Blütenmerkmalen überein (es gibt wirklich kaum Unterschiede zwischen Erica und Arbutus, abgesehen von Blattform und Frucht). Nur eine habituell aus dem Rahmen fallende Gruppe wurde zwischenzeitlich als eigen Familie Pyrolaceae abgetrennt, ist aber inzwischen wieder im Schoß der Familie gelandet, und die schon immer nur schwach getrennten Epacridaceae und Empetraceae wurden einverleibt. Auffällige Merkmale der Familie sind neben der Blütenmorphologie noch die Endomykrorhiza in anatomisch auffälligen Haarwurzeln, die verbreitete Hartlaubigkeit, Benzo- und Naphtoquinone, etc.

Die Familie beinhaltet bis zu 126 Gattungen (die Gattungsgrenzen sind zur Zeit heftig umstritten: etwa muß entweder Ledum zu Rhododendron gestellt oder die Gattung Rhododendron in viele Gattungen zerlegt werden) und etwa
4000 Arten. Die Familie von den primitivsten zu den abgeleitetsten Unterfamilien:
Enkianthoideae: Nur Enkianthus mit 16 Arten
Monotropoideae: ca. 15 Gattungen (etwa Chimaphila, Monotropa (Fichtenspargel), Pterospora, Pyrola (Wintergrün)) und ca. 50 Arten
Arbutoideae: 1-6 Gattungen (möglicherweise nur eine Gattung Arbutus, derzeit noch unterteilt in z.B.: Arctostaphylos - 60 Arten; Arbutus) mit ca. 80 Arten
Cassiopoideae: nur Cassiope mit 12 Arten
Ericoideae: 19 Gattungen (z.B. Rhododendron incl. Azalea, Ledum und Tsusiophyllum; Empetrum, Erica, Kalmia) mit ca. 1980 Arten, davon ca. 850 Rhodos und über 765 Ericas
Harrimanelloideae mit 1 Gattung und 2 Arten
Styphelioideae mit ca. 35 Gattungen (Dracophyllum, Epacris, Lebetanthus, Leucopogon (s.l.), Styphelia, …) und ca. 550 Arten
Vaccinioideae mit ca. 50 zum Teil noch zu benennenden Gattungen Gattungen (z. Zt. noch in wenigen Gattungen untergebracht, z.B.: Agapetes s.l., Andromeda, Cavendishia, Dimorphanthera, Diplycosia, Gaultheria (inkl. Pernettya), Gaylussacia, Lyonia, Macleania, Paphia, Psammisia, Thibaudia, Vaccinium s.l.) und 1580 Arten
« Letzte Änderung: 20. April 2004, 15:18:35 von Crocus »
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hummel

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #3 am: 21. April 2004, 11:35:48 »

bin ich froh, dass du Systematiker bist, Crocus....
auf so eine ausfuehrliche Antwort hatte ich gar nicht zu hoffen gewagt.

auch dir, Susanne, vielen Dank. :D
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cimicifuga

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #4 am: 21. April 2004, 12:32:57 »

Wie siehts eigentlich bei den (ehemaligen) Liliaceae aus? Sind denn die neuen Familien so wie sie jetzt sind, haltbar? Für mich als Laien erscheint es zum Beispiel unverständlich, dass die Hosta eine eigene Familie bekommen hat, sehen ihre Blüten denen der echten Lilien zum Verwechseln ähnlich. Bitte um aufklärung ;)
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Crocus

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #5 am: 21. April 2004, 16:55:33 »

Die "Liliaceen" sind nach wie vor ein Problem. Die alte Familie war eigentlich nur durch das Fehlen von besonderen Merkmalen definiert. Das heißt, was Blüten des Grundbauplantyps der Einkeimblättrigen, also besonders primitive Blüten hat, landete in diesen "dust bin".
Erst die Erschließung anderer Merkmalsbereiche machte eine Bearbeitung möglich. Doch auch da gibt es Probleme, denn leider gibt es viele Konvergenzen. So sind primitive Waldarten aus drei Familien aus zwei Ordnungen einander zum Teil zum Verwechseln ähnlich, daß Die heutigen Gattungen Disporum und die erst kürzlich gültig davon abgetrennte Disporopsis heute zwei verschiedenen Ordnungen angehören! Dann wieder sind sehr unähnliche Arten wieder anscheinend näher verwandt als angenommen. Übrigens mußten sich auch die Amaryllidaceen und sogar die Iridaceen Änderungen der Familiengrenzen gefallen lassen.
Die große Ähnlichkeit zwischen Hosta und Lilium kann ich aber nicht erkennen, sind doch die Blumenblätter bei Lilium frei, bei Hosta großteils verwachsen.
« Letzte Änderung: 21. April 2004, 16:57:01 von Crocus »
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Crocus

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #6 am: 21. April 2004, 17:28:31 »

Zum heutigen Stand der Einkeimblättrigen-Familien, Teil 1 (wieder die Reihung der Ordnungen und innerhalb der Ordnungen die Familien etc. von primitiv nach abgeleitet):

Ordnung Acorales, mit einer Familie Acoraceae (Kalmusgewächse), früher bei den Araceen mit einer Gattung und 4 Arten; Characteristikum gegenüber Araceen: reitende Blätter, keine Raphidien, Chemismus


Ordnung Alismatales:

Fam Tofieldiaceae, ehem. Liliaceae, 3-5 Gattungen (splitting erforderlich?) /27 Arten, char.: reitende Blätter, Scheinkelch;
Harperocallis McDaniel
Pleea Michx.
Tofieldia Huds.

Fam. Araceae, Aronstabgewächse (106/4025); inkl. Lemnaceae

Fam. Hydrocharitaceae, Froschbißgewächse (18/116), inkl. Halophilaceae (ehem. auch Zosteraceae), Najadaceae, Thalassiaceae (ehem. auch Zosteraceae)

Fam. Butomaceae mit der einzigen Art Butomus umbellatus, der Schwanenblume

Fam. Alismataceae, Froschlöffelgewächse (12/100): Echinodorus ist polyphyletisch, d.h. er muß in mehrere Gattungen gesplittet werden; Sagittaria benötigt Arten-Splitting

Fam. Limnocharidaceae, ehem. Butomaceae (3/7): Abgrenzung zu den Alismataceen unklar? Lumping erforderlich?

Fam. Scheuchzeriaceae mit der einzigen Art Scheuchzeria palustris

Fam. Aponogetonaceae (1/43)

Juncaginaceae, Dreizackgewächse (4/15)

Posidoniaceae, Neptunsgrasgewächse (1/9), ehem. Zosteraceae

Ruppiaceae, Saldengewächse (1/10): ehem. auch Potamogetonaceae, vermutlich zu Cymodoceae zu stellen

Cymodoceaeceae (5/16): ehem Zosteraceae

Zosteraceae, Seegrasgewächse (2-3/14)

Potamogetonaceae, Laichkrautgewächse (7/102): inkl. Zanichelliaceae, Hydrogetonaceae

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Crocus

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #7 am: 21. April 2004, 19:15:44 »

Zum heutigen Stand der Einkeimblättrigen-Familien, Teil 2:

Ordnung Asparagales:

Die primitivste Position ist unklar. Darum streiten sich a) Orchideen, b) Boryaceen, c) der clade Blandfordiaceae - Lanariaceae – Asteliaceae - Hypoxidaceae

Fam. Orchidaceae, Orchideen (800/20000): die teilweise als Apostasiaceen abgetrennten 2 Gattungen mit 16 Arten sind eindeutig primitive Orchideen. Die morphologisch auffälligen frauenschuhverwandten mit 5 Gattungen liegt dagegen mitten zwischen anderen "orchideentypischen" Unterfamilien eingebettet, wenn auch die genaue Position noch sehr unklar ist.

Boryaceae (2/12)

Blandfordiaceae (1/4)

Lanaraceae mit Lanaria plumosa

Asteliaceae (2-4/36)

Hypoxidaceae (7-9/100-220): ehem. Amaryllidaceae; Rhodohypoxys u.a. sind evtl zu Hypoxis zu stellen; Artgrenzen in Hypoxis wegen verbreiteter Apomixis unklar

Ixiolirionaceae (1/3): ehem Amaryllidaceae, I. tataricum verbreitet in Kultur

Tecophileaceae (8/23): inkl. Cyanastraceae und Walleriaceae; In Kultur nur die Gattung Tecophilea mit 2 Arten, wobei T. violacea schon ausgestorben ist (vermutlich auch in Kultur), nur T. cyanocrocus, auch mit der Sorte 'Violacea', existiert noch. Eng mit den Ixiolirionaceae verwandt und nicht zwingend zu trennen.

Doryanthaceae (1/2): ehem. Amaryllidaceae, Agavaceae

Iridaceae (67/1800): inkl. Isophysidaceae, exkl. Aphyllanthaceae; Iris möglicherweise paraphyletisch

Xeronemataceae (1/2): Status unbekannt, ehem. Liliaceae

Hemerocallidaceae (19/85): ehem. Liliaceae; ehedem wurde nur eine Gattung hierher gezählt; andere Arten wurden in eigene Familien Dianellaceae und Phormiaceae, andere zu den Anthericaceae (Simethis) gestellt. Möglicherweise aber sollten Hemerocallidaceae (Hemerocallis alleine) und der Rest (Dianellaceae) weiter getrennt bleiben.

Xanthorrhoeaceae, Grasbaumgewächse (1/30): ehem. Liliaceae

Asphodelaceae, Affodilgewächse (15/785): ehem. Liliaceae, inkl. Aloaceae, die keineswegs getrennt werden können; Gattungsgrenzen von Aloe unklar, Haworthia etc, sind wohl einzubeziehen; Viele Asphodelaceen sind heute in anderen Familien: Hemerocallidaceae (Simethis), Asparagaceae (Hemiphylacus) und Anthericaceae (Paradisea) - größtenteils aufgrund molekularer Daten, da den Asphodelaceen inkl. diesen abgetrennten Arten keine gemeinsamen abgeleiteten Merkmale gemeinsam sind. D.h.: was nach "nix" ausschaut is eine Asphodelaceae, außer es gibt andere molekulare Daten ;)
wichtige Gattungen:
Aloe
Asphodeline Rchb.
Asphodelus L.
Bulbine Wolf
Bulbinella Kunth
Eremurus M.Bieb.
Kniphofia Moench

Alliaceae (13-20/795, davon Allium 690): ehem. Liliaceae, exkl. Agapanthaceae, Themidiaceae
Alliaceae und Agapanthaceae können auch genmeinsam zu den Amaryllidaceae gestellt werden, nicht aber kann argumentiert werden die Agapanthaceen allein zu einer der beiden anderen Familien zu stellen. Da die drei Familien aber gut getrennt sind scheint eine engere Fassung der Familien sinnvoller. Einige Gattungen könnten noch zu den Themidiaceen wandern.
wichtige Gattungen:
Allium L.
Caloscordum Herb.
Gilliesia Lindl.
Ipheion Raf.
Leucocoryne Lindl.
Nectaroscordum Lindl.
Nothoscordum Kunth
Tulbaghia L.

Amaryllidaceae (59/>800): exkl. Alstroemeriaceae, Ixiolironaceae, Hypoxidaceae und Agavaceae p.p.,

Agapanthaceae (1/9)

Aphyllanthaceae, ehem. Iridaceae, enthält nur Aphyllanthes monspeliensis

Themidiaceae (12/62): ehem. Liliaceae bzw. Alliaceae, nahe verwandt mit Hyacinthaceae aber doch gut getrennt.
wichtige Gattungen:
Bessera Schult.
Bloomeria Kellogg
Brodiaea Sm.
Dichelostemma Kunth
Milla Cav.
Triteleia Douglas ex Lindl.

Hyacinthaceae (>70/1000): ehem. Liliaceae, Gattungsgrenzen oft noch unklar
wichtige Gattungen:
Albuca L.
Bellevalia Lapeyr.
Bowiea Harv. ex Hook.f.
Camassia Lindl.
Eucomis L'Her.
Galtonia Decne.
Hyacinthoides Heist. ex Fabr.
Hyacinthus L.
Lachenalia J.Jacq. ex Murray
Ledebouria Roth
Massonia Thunb. ex L.f.
Muscari Mill.
Ornithogalum L.
Puschkinia Adams
Scilla L. excl. Othocallis etc., inkl. Chionodoxa
Urginea Steinh. exkl. Drimia, Charybdis
Veltheimia Gled.

So, Fortsetzung morgen! die Asparagales sind noch nicht am Ende, aber ich! ;-)
« Letzte Änderung: 22. April 2004, 16:34:23 von Crocus »
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cimicifuga

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #8 am: 21. April 2004, 19:23:35 »

.
Die große Ähnlichkeit zwischen Hosta und Lilium kann ich aber nicht erkennen, sind doch die Blumenblätter bei Lilium frei, bei Hosta großteils verwachsen.

Stimmt auch wieder. Nehm alles zurück ;)
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hummel

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #9 am: 21. April 2004, 19:36:19 »

@ du hattest wohl heute ein bisschen Freizeit, wie?

alles hoechst interessant, sag mir nicht, dass du das alles (oder teilweise) auswendig weisst....
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Crocus

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #10 am: 22. April 2004, 16:37:26 »

Teilweise weiß ichs schon auswendig, aber großteils halt ich mich an Peter Stevens, mobot, DEN Systematikguru, seit Ehrendorfer, Dallwitz, Takthaja etc. aus dem Rennen sind.

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fisalis

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #11 am: 13. Juli 2004, 08:58:51 »

Wäre die "korrekteste" Systematik aber nicht die, welche sich am Genom ausrichtet? "Wäre", weil die Eruierung all der Pflanzengenome wohl nicht möglich ist, oder?
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Andi H.

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #12 am: 15. Juli 2004, 11:33:15 »

"Wäre" stimmt prinzipiell. Die Schwierigkeit ist nur, dass die Ermittlung von Pflanzengenomen, abgesehen von der schieren Menge des Materials, etwas schwierig zu bewerkstelligen ist.

In jeder Pflanzenzelle finden sich nämlich jeweils drei (!) voneinander großteils unabhängige Genome, mit mehr oder weniger eigenständiger Entwicklung: erstens das Kerngenom im Zellkern, zweitens das Genom der Mitochondrien (den "Kraftwerken" der Zelle) und drittens das der Plastiden (Chloroplasten, Chromoplasten, Amyloplasten und was da sonst noch in der Zelle herumgurkt ;) ).

Erklärt wird dieses Phänomen mit der heute allgemein akzeptierten Endosymbiontentheorie. Diese besagt, dass die modernen Eukaryotenzellen (betrifft v.a. Pflanzen, Tiere und Pilze) durch Endosymbiose, also das Einwandern und darauffolgende Zusammenleben in Symbiose, mit kleineren Prokaryoten (kernlosen Ur-Zellen, so wie es Bakterien sind) entstanden sind. Man hat auch deutliche Hinweise gefunden, dass die Vorfahren der Chloroplasten bei den Cyanobakterien (vormals Blaualgen) zu suchen sind.

Das Problem bei der Sequenzierung ist nun, dass trotz aller physiologischen und auch genetischen Verknüpfung dieser Endosymbionten ihr Genom sich trotzdem unabhängig vom Kerngenom entwickelt hat und noch entwickelt. Mitochondrien und Plastiden nehmen z.B. auch nicht an sexuellen Vorgängen teil, sondern vermehren sich rein durch Längsteilung. Ein Stammbaum also, der auf einem Plastidengenom aufbaut, sieht anders aus als einer, der sich auf Mitochondrien- oder Kerngenom gründet.

Ein weiteres Problem: relativ simple Veränderungen am Genom können drastische Auswirkungen auf die Gensequenz haben, auch wenn sie in Hinblick auf Zeiträume der Evolution kaum Schlüsse ziehen lassen. So kann es sehr einfach zu Inversionen kommen, d.h. dass DNA-Stücke "verkehrt herum" eingebaut werden. Die Folgen für die Gensquenz sind aber fundamental, da sie völlig verändert wird. Ein kleiner Schritt für die Evolution, ein großer Schritt für vergleichende Algorithmen der Genanalyse.

Trotzdem: auf Gensequenzen (oder Proteinsequenzen) aufbauende Stammbäume sind sicherlich sehr viel genauer und zeigen ein "realeres" Bild der Evolution als frühere systematische Kriterien wie z.B. Blütenmorphologie oder Chemotaxonomie sekundärer Pflanzenstoffe. Viele der älteren taxonomischen Einteilungen wurden aber auch bestätigt.

Liebe Grüße
Andreas

P.S.: Die Auszüge, die Crocus aus seinem systematischen Wissen gegeben hat, bauen ebenfalls bereits auf neuesten Untersuchungen auf, die auch das Plastidengenom berücksichtigen.
« Letzte Änderung: 15. Juli 2004, 11:36:12 von Andi H. »
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fisalis

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #13 am: 15. Juli 2004, 11:39:59 »

Besten Dank für die Antwort, Andreas.
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Nattyboy

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Re:Wer bestimmt die Pflanzenfamilien?
« Antwort #14 am: 19. Oktober 2004, 12:52:27 »

find ich ja voooll schön, dass es hier solch Systematik/ Taxonomi-interessierte gibt!

Bin da selber voll drin... ;)


mfG Martin
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