Das Buch "
AvantGardening" von Torsten Mattschies und Jürgen Becker habe ich nun vor Kurzem auch gelesen und möchte meine Eindrücke zur weiteren Differenzierung hier dranhängen.
Mein Eindruck ist, dass ich den Autor gern noch länger gelesen hätte, ein angenehmer, guter Stil.
Und ich hab ein bisschen den Eindruck gewonnen, dass er auch noch wesentlich mehr zu schreiben gehabt hätte, auch wenn die intensive Gartengestaltungs-Erfahrung erst knapp 12-13 Jahre zurück reicht.
Wie ein "guter" Avantgardist hat er sich auch erstmal die grundlegenden "klassischen" Regeln (Hansen/Stahl) genau angeschaut, ehe er zum Experimentieren schritt.
Ich hätt auch gern noch mehr z.B. zu dem Experiment des sich selbst überlassenen Beetes gelesen
Die Prairie-Großzügigkeit der Pflanzungen, wobei diese durch sehr viele sehr hohe Stauden eher zu einer starken Raumbildung beiträgt und sich nur an manchen Stellen zu der Weite öffnet, die man mit Präriepflanzungen assoziiert , das Zusammenbringen von Stauden aus anderen Kontexten, hauptsächlich auf Wirkung und gutes Funktionieren auf seinem Boden abgestimmt, finde ich spannend (zumal die wechselfeuchten Bodenbedingungen meinen ja sehr ähnlich sind!).
Ebenso wie das Nichtschneiden abgestorbener Staudenreste und wie das im weiteren Verlauf aussieht/funktioniert (ich hab mich schon oft gefragt, wer denn Miscanthus in seinem natürlichen Lebensraum zurückschneiden mag
)
Insofern wäre bei diesem Buch mehr Text wirklich sehr wünschenswert gewesen.
Das Ergebnis finde ich interessant - aber für mich erstmal gewöhnungsbedürftig
Es gibt ein Vogelperspektive-Foto, das eine "zellenartige" Struktur von unterschiedlich großen - meist eher größeren als kleineren - Beeten und dem Wegesystem drumherum zeigt.
Der Autor schreibt auch, dass er die Raumbildung von Gehölzen auf Großstauden zu einem guten Teil übertragen hat.
Für mich, der ich stark vom englischen Garten des 20 Jh. beeinflusst bin, ist das Ganze etwas zu fluffig, ohne Übergänge oder Abtrennungen, die für mich klarer sein müssten - mir kam die Assoziation eines Mais-Labyrinths bei manchen Fotos.
Aber das ist ja auch die Reibung zwischen Althergebrachtem und mutigem Experiment.
Die Umgebung ist flaches Ackerland, Felder, Weiden, unterbrochen von wenigen Hecken/Baumreihen, kleinen Waldstückchen in weiterer Entfernung - und sehr prägnanten großen weißen Windrädern, die von vielen Stellen das Gartens aus sichtbar sind.
Zumindest mit denen hätte ich mir einen kleinen "Dialog" nicht verkneifen können, wie auch immer der ausgesehen hätte (vielleicht rotlaubige Baum-Säulenformen?
)
Ok, das ist jetzt schon eher eine Garten-Rezension, dazu noch gewagt nur anhand der Fotos.
Ich finde es aber auch schade, wie hier von MarkusG schon angemerkt, dass im Buch keine Fotos aus der Genesis gezeigt werden - wie aber eigentlich leider immer in Gartengestaltungsbüchern.
Spontan fällt mir grad nur "Mein Gartenparadies" von Mary Keen ein, die Fotos von der Ausgangssituation ihrer Gartenräume oder auch Fotos während oder kurz nach Ende der Arbeiten zeigt, ehe die Vorzeigebilder kommen.
Dem auf der Suche nach Hilfe und/oder Inspiration umherirrenden Neu-Gartengrundstücksbesitzer werden Hochglanzbilder gezeigt, von den schönsten, am besten eingewachsensten Ecken und Enden nach 5 oder 10 Jahren - aber wie fürchterlich der erste Anblick nach dem Neubau des Hauses sein kann, wird immer ausgeklammert, dabei ist ja gerade ein Garten kein Instant-Produkt, was "aufgestellt" wird und dann fertig "da" ist.
Da fänd ich mehr Mut angebracht, "Verstörendes" zu zeigen - um auch Hoffnung zu machen in dem Sinn "Gott, da sah es so aus wie jetzt bei mir - vielleicht besteht noch Hoffnung!"
Vielleicht steht da dann oftmals die unterschwellige Intention solchen Fotos im Weg, dass das Werk auch als "Coffetable"-Buch durchgehen können soll.
Mich liess der Titel nur dahingehend aufmerken, weil ich das Buch "AvantGardeners" von Tim Richardson habe, in welchem moderne bis hypermoderne Entwürfe der Gartengestaltung der letzten Jahre in kurzer Form vorgestellt werden und ich zuerst so etwas erwartete.
Aber ich gehe nach der Prämisse vor "don't judge a book by it's cover" (or it's title) und lese an oder blätter durch.
Wenn der Inhalt gut ist, ist mir der Titel egal - ein Buch soll verkauft werden, um sich "hervorzuheben" greift man in die Marketingkiste (wenngleich 15 Jahre nachdem alle anderen Wirtschaftsbereiche damit schon durch sind
)
Dass sich manche hier so darüber aufregen können, versteh ich ehrlich gesagt nur zu einem geringen Teil - für den alten Fritz war es en vogue und chic, Französisch zu parlieren, heute ist eben Englisch in, so what - in 50 Jahren möglicherweise Guānhuà?
Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich ab Grundschule Dreisprachig aufwuchs und später noch eine vierte Sprache dazu kam.
Also alles in allem ein sehr interessantes Garten-Projekt, aus dem noch mehr Wissen und Erfahrungen dem Leser hätten zugute kommen können.
Weiter oben war auch schon über "
Lost Gardens of Heligan" kurz geschrieben worden.
Auch dieses Buch habe ich kürzlich gelesen.
Allerdings fällt da meine Beurteilung hauptsächlich negativ aus.
Eigentlich, dachte ich, könnte es für mich nichts Spannenderes geben, als einen ehemals nicht allzu kleinen und bekannten englischen Garten, der 40 Jahre radikal verfiel und die 30 Jahre davor nur noch marginal unterhalten werden konnte, bei seiner "Ausgrabung" und Wiederherstellung/Rekonstruktion/ Neuinterpretation oder was auch immer zu begleiten.
Leider schreibt Tim Smit, einer der Wiederentdecker und Projekt-Anschieber, eher ein langatmiges Résumé der Ereignisse von 1989 bis hauptsächlich 1998, einige heraushebend, ohne daß sie dem Leser aber wirklich näher kämen.
Es werden unzählige näher und ferner beteiligte Personen eingeführt und auch immer wieder erwähnt (zwischendurch erinnerte mich das etwas an den Loriot-Sketch "Die 2 Cousinen" - unzählige Namen, über die man schnell den Überblick verliert), was angesichts deren Engagement ja auch absolut richtig ist - aber vielleicht hätte es dafür eine bessere literarische Form geben können.
Die gartendenkmalpflegerische Diskussion kommt mir auch etwas zu kurz - manche Bereiche, vor allem vom Nutzgarten mit dem Ananasgraben werden akribisch auf den Zustand der Erbauung rekonstruiert und spätere Nutzungen dafür abgetragen, beim ehemaligen Steingarten in der "Ravine" hingegen wird ein schattiger, gehölzbewachsener Farngarten draus.
Und ein Mittelweg, der Versuch einer behutsamen Freilegung mit dem Erhalt des Charmes des Verfallenen wurde anscheinend nie näher in Betracht gezogen.
Der größte Minuspunkt für mich ist aber die für mein Empfinden spärliche Bebilderung, vor allem des verwilderten Zustandes.
Ja, es gibt immer mal wieder ein Foto von der Spitze eines verfallenen Gewächshauses, das aus Brombeerdickicht lugt, des alten Heizofens für die Gewächshäuser, der in einem verfallenen Gebäude steht, der Bienenmauer, des italienischen Gartens....aber irgendwie bringen einen diese Fotos nicht "dahin".
Wäre hier ein größeres Buchformat besser gewesen?
Oder wesentlich mehr Bilder des Dornrösschenschlafes?
Vielleicht hat der Autor auch von dem Zustand nicht so viele Bilder gemacht - es hieß ja erstmal anpacken!
Aber es wurden mehrere TV-Dokumentationen in den 90ern gemacht, auch da hätte man doch bestimmt Bildmaterial abzweigen können.
Irgendwie hat mich das Buch nicht so wirklich mit auf die Reise genommen, leider.