Hallo, zusammen, hallo, Nina,
na, dann werde ich mal ein bisschen von mir erzählen:
Als kleiner Junge, bin Jahrgang 1954, habe ich angefangen, mich für Spinnen zu interessieren und sie in der Natur und zu Hause (in Gefangenschaft) zu beobachten. Die Faszination für diese Tiere ging wohl eines Tages von einem wunderschönen Radnetz der Garten-Kreuzspinne, Araneus diadematus, aus, das ich in einer sonnigen Hecke einer Stadtsiedlung Berlins, in der ich aufgewachsen bin, entdeckt hatte. Das hübsche Tier hing auf der Nabe im Zentrum seines Fang-Netzes, und ich warf eine kurzerhand gefangene Feldheuschrecke in die Spiralfäden des Netzes, um der Spinne beim Beutefang und Verzehr seiner Beute zuzuschauen. Ich war beeindruckt von dem Schauspiel, wie geschickt sich die Spinne in ihrem Netz bewegte, das Beute-Tier mit zahllosen als breites Band seinen Spinndrüsen entweichenden Fäden "fesselte" und zu einer "Mumie" einwickelte und nach einem Giftbiss schließlich aus dem Netz herauslöste, um es zur Nabe des Netzes zu transportieren und dort "auszusaugen". Bei einigen besonders stattlichen Radnetzen war die Spinne nicht zu sehen, ich entdeckte aber den sog. Signalfaden, der vom Zentrum des Netzes zu einem aus zusammengesponnenen Blättern von der Spinne selbst hergestellten Unterschlupf führte. Es waren in der Regel die ausgewachsenen, geschlechtsreifen Weibchen, die nicht mehr im Zentrum ihrer Fang-Netze lauerten. Also, kam ich auf die Idee, solchen Unterschlupf behutsam aus der Hecke herauszulösen, um ihn in meinem Kinderzimmer frei in einer Ecke an der Tapete zu befestigen. Tatsächlich gelang es mir auf diese Weise, die Spinne dort zum Netzbau zu bewegen, so dass ich sie dabei in allen Phasen beobachten konnte. Ja, ein besonderes Geschenk vom lieben Gott scheint meine Beobachtungsgabe zu sein, denn ich habe viele Dinge an Spinnen selbst beobachtet, die ich später erst in Spinnenbüchern der "Neue Brehm-Bücherei", (früher) Ziemsen-Verlag, Lutherstadt Wittenberg, die ich von meiner Tante geschenkt bekam, nachgelesen und als richtig festgestellt habe. Auch andere Spinnenarten an (damals noch unverfugten!) Natursteinmauern habe ich beobachtet und teilweise auch zu Hause in Terrarien gehalten. Das wurde von so manchem Mitmenschen belächelt oder für verrückt empfunden, denn man muss bedenken, dass sich damals (ab 1960) kaum jemand für Spinnen interessierte. Meinen Eltern bin ich dankbar, dass sie das dudeten!
Ja, so fing alles an, habe mich dann auch für Insekten interessiert und sie beobachtet, z. B. Schmetterlinge, Libellen, Heuschrecken, solitär lebende Wildbienen usw. Merkwürdigerweise habe ich nie den Wunsch gehabt, mal Gottesanbeterinnen zu halten, obwohl ich mit Mantis religiosa meine erste Begegnung als 14-Jähriger während einer Urlaubsreise mit meinen Eltern nach Istrien hatte. Ein Lehrer aus Düsseldorf - Zikaden-Sammler - nahm mich öfter auf kleine Exkursionen mit und "machte mich mit Mantis religiosa bekannt", die ich dann in den Trockenrasen, abseits vom Meer alltäglich beobachtete. Nach der Reise gerieten die Gottesanbeterin und auch die Spinnen etwas in's Abseits, weil nun das Interesse an Karnivoren ("Fleisch fressenden Pflanzen") erwachte, bzw. auch Schwierigkeiten in der Schule (ja!) auftraten und bald eine Berufsausbildung bevorstand.
Durch Zufall habe ich nun vor einigen Jahren beim Überqueren einer riesigen Bahnbrache mitten im Stadtgebiet von Berlin auf verbuschenden Trockenrasen zahlreiche große Larven der Gottesanbeterin, Mantis religiosa, entdeckt. Ich wollte zunächst meinen Augen nicht trauen, aber es waren tatsächlich über 30 Larven, die ich gefunden habe. Ich bin dann jeden Tag auf dieses Gelände gegangen, um die Tiere zu beobachten, habe aber zunächst niemandem davon erzählt, denn ich dachte, da wird man ja für verückt gehalten, wenn man Zoologen gegenüber behauptet, diese mediterrane Art mitten in Berlin gefunden zu haben. Also habe ich erstmal im nächsten Sommer gesucht, ob ich wieder einzelne Individuen dort entdecke; und tatsächlich habe ich wieder Larven angetroffen, viel zahlreicher als im vorangegangenen Jahr. Daraufhin habe ich mir Literatur über Mantis religiosa besorgt und musste feststellen, dass die Literatur weit verstreut ist, es also kaum zusammenfassende Arbeiten über unsere Gottesanbeterin gibt. Ich habe das Berliner Vorkommen, das bis zum Bau einer neuen ICE-Trasse von der Populationsgröße und Populationsdichte her zunahm, jahrelang beobachtet, Aufzeichnungen gemacht und einige Dinge entdeckt, die bisher nur wenig beachtet oder überhaupt noch nicht beschrieben worden waren. Der Leiter der Berliner NABU-Fachgruppe für Entomologie hat mir dann empfohlen, eine Veröffentlichung über das Berliner Vorkommen und meine Beobachtungen zu schreiben, was ich dann auch getan habe. Das eingereichte Manuskript für eine Fachzeitschrift musste stark gekürzt werden, deshalb kam mir damals schon die Idee, das gesamte verstreute Wissen über die Gottesanbeterin für eine Monografie zu sichten, aufzuarbeiten, zusammenzufassen und in Buchform mit schönen Naturaufnahmen und Zeichnungen einem breiteren Kreis von Natur- und Insektenliebhabern zugänglich zu machen. Zufällig fand sich nun der Verlag, der heute die "Neue Brehm-Bücherei" betreut, bereit, die verlegerische Betreuung zu übernehmen. Als Co-Autoren konnten noch zwei Diplom-Biologen gewonnen werden, die sich seit Jahren mit der Haltung und Zucht tropischer und subtropischer Mantodeen befassen und deren Interessen sich so günstig auf einzelne Teilbereiche verteilen, dass wir uns gegenseitig bei der Manuskripterstellung wunderbar ergänzen.
Wer von Euch besonderes Interesse an Mantis religiosa hat, dem biete ich an, meine umfangreiche Arbeit aus dem Jahre 2004 als pdf zum Ausdrucken als E-Mail-Anhang zu schicken. Ebenfalls zum doppelseitigen Ausdrucken sind die dazugehörigen sechs Farbtafeln mit 17 Naturaufnahmen von MANFRED KELLER, Berlin. Ich würde mich freuen, von Euch zu hören und hoffe, Euch mit meinem ellenlangen Beitrag nicht genervt zu haben.
Mit besten Grüßen
Mantis