Ich bin leider kein Praktiker in der Pflanzenzüchtung, aber ich verfolge das Thema in verschiedenen Medien (Internet, Fernsehen, Bücher, Zeitschriften (auch Fachzeitschriften). Mein Eindruck ist:
- 'Gentechnik' wird nur von wenigen großen Firmen für einige wenige Sorten angewandt. Der gegenteilige Eindruck entsteht nur durch die größere Aufmerksamkeit in den Medien. (Wobei ich das durchaus für gerechtfertigt halte: obwohl ich nicht generell gegen gentechnisch veränderte Pflanzen bin, halte ich die gegenwärtige Praxis der de facto unkontrollierten Freisetzung für ein schweres Verbrechen.)
- Als stiller Mitleser in der Passiflora-Mailingliste weiß ich, dass bei der Züchtung einiger Klone Colchizin für die Erzeugung tetroploider Klone verwendet wird. Es sind aber nur wenige, und ich vermute, dass es in anderen Bereichen ähnlich aussieht: solche Mittel spielen zahlenmäßig keine große Rolle.
- Vermehrung über Zellkulturen ist die preiswerteste Vermehrungsmethode - aber erst ab einer gewissen Anzahl. Wenn also Gärtnereien doch per Steckling vermehren, dann liegt das einfach an der Absatzmenge.
Umgekehrt könnte man genauso sagen: Vermehrung per Steckling ist die preiswertere Methode - aber nur bis zu einer bestimmten Stückzahl.
- Sprossmutationen bei vegetativer Vermehrung spielen wohl vor allem bei (Blatt-)Zierpflanzen eine Rolle. Ich weiß, dass auch einige Apfelsorten auf solchen 'Sports' beruhen, aber das sind AFAIK im wesentlichen nur Farbveränderungen, mit denen Modetrends bedient werden (z.B. rote Äpfel bei einer ursprünglich nicht oder nur wenig roten Sorte).
- Der Hauptteil aller Züchtungsarbeit geschieht meines Wissens nach noch immer auf die Klassische Art: Kreuzung und Auslese.
Das kann, muss aber nicht 'im Labor' geschehen. Es ist ein sehr weites Feld, je nach Pflanzenart und Zuchtzielen kann es im wesentlichen Auslese aus vielen Millionen Sämlingen bedeuten oder auch die Kreuzung und Aussaat von nur wenigen Dutzend oder Hundert Pflanzen.
"Schnellere Methoden im Labor"? Nun, bei einigen Pflanzen wird z.B. nicht die volle Samenreife abgewartet, sondern die Embryonen aus unreifen Samen entnommen und auf Nährmedien 'durchgestartet'. In der Kern- und Steinobstzüchtung wartet man natürlich auch nicht, bis die ausgesäten Pflanzen irgendwann nach deutlich über zehn Jahren anfangen zu blühen, sondern veredelt Augen der Sämlinge möglichst bald auf bewährte Obstbaumunterlagen.
Alleine die optimalen Bedingungen im professionell betreuten Gewächshaus bedeuten gegenüber dem Hobbygärtner etliche Monate Vorsprung.
Bye,
Robert