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Autor Thema: Definition "Alte Obstsorten"  (Gelesen 7555 mal)

Rib-Johannisbeere

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Re: Ab wann ist eine Sorte "alt"?
« Antwort #15 am: 05. Oktober 2018, 13:00:25 »

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b-hoernchen

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #16 am: 07. Oktober 2018, 12:13:00 »

Vielleicht kann man zwei threads zum gleichen Thema zusammenführen?

Ich gebrauch' ja auch den Begriff "alte Apfelsorten" immer wieder - meistens mit etwas Bauchschmerzen - weiß ich denn, wovon ich da rede?

Für mich selber hab' ich als Gegenstück dazu den Begriff "Designer-Sorten" kreiert und meine damit Sorten, welche gezielt nach vorher festgelegten Kriterien (meist unter Auswahl der Elternsorten), gezüchtet worden sind.

Eigentlich sehe ich es so: Ganz früher (vor 1800) entstanden neue Apfelsorten nach dem Zufallsprinzip. Irgendwo gingen irgendwie nach dem Zufallsprinzip befruchtete Apfelkerne auf und gewachsen/ übrig geblieben sind die, welche von Wühlmaus, Has', Reh und  Parasiten verschont (verschmäht) worden sind von den Menschen als anbau- und vermehrungswürdig erachtet wurden. Das waren nicht unbedingt die schmackhaftesten aber andere gab's halt nicht.
Dann kamen im 18./19. Jahrhundert die ersten einfachen Spritzmittel (auf Basis von Kupfer und Schwefel) gegen pilzliche Krankeiten auf und - hurra! - es warden Heilmittel gefunden, mit denen man auch Schwächlingen wie dem Cox Orange (entstanden um 1825) zum Überleben in einer feindlichen Umwelt verhelfen konnte.
Bald darauf ging es los mit gezielter Kreuzung und fortan wurde der Gaumen des Menschen zum bestimmenden Zuchtfaktor - nicht mehr die Überlebensfähigkeit in freier Wildbahn.
In einer zweiten Stufe des Gesundheitsmanagments wurden dann Resistenzgene entdeckt und nun begann das gezielte Einkreuzen entsprechender Eigenschaften in als anbauwürdig erachteten Sorten.
Dazu veränderten sich vor allem nach dem zweiten Weltkrieg die Vermarktungswege, die Marktbeherrschung der Supermarktketten diktiert seitdem die Kriterien (Produktivität, shelf life etc.) für Züchtung und Anbau.

Was wir Kleingärtner und Hobbyisten machen, ist eigentlich eine Gegenbewegung zur Marktbeherrschung der Supermarktketten - wir bergen gerne auch mal vergessene Sorten und Edelsteine (ich gerne auch mal neuere...) aus dem Schatz der Sorten, wobei uns schon klar sein müsste, dass das Gros der Sorten nach der Einführung der ersten Spritzmittel entstanden ist und neue Krankheiten (Stichwort: Marssonina coronaria) auch bei alten, bisher als resistent geltenden Sorten, den Einsatz solcher Mittel notwendig machen können, wenn wir diese Sorten erhalten wollen.

Wo gehen sie also los, die alten Sorten? Gibt es eine klare Trennlinie? Eigentlich ist das ganze doch ein kontinuierlicher Prozess, der sich aber nach dem zweiten Weltkrieg dermaßen beschleunigt hat, dass er die vorher gängigen Sorten fast vollständig aus dem Massenmarkt verdrängt hat.

« Letzte Änderung: 07. Oktober 2018, 12:52:22 von b-hoernchen »
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Re:Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #17 am: 07. Oktober 2018, 22:58:13 »

@ Stevka,
interessierst Du Dich für die Einteilung in alte und neue Obstsorten rein theoretisch, oder denkst Du daran, Dir ein Obstbäumchen in den Garten zu pflanzen?
Im zweiten Fall würde ich nur so unterscheiden:
a) Obst, das ein Laie ohne Spritzmittel mit gutem Erfolg im eigenen Garten ziehen kann, und
b) Obst, das nur in einer professionellen Plantage mit viel und regelmäßiger Pflege/Spritzung angemessene Früchte bringt.
Ansonsten assoziiere ich so: "alte"Sorten = Sorten, die es nicht im Handel gibt.

LG  Arachne


Die Unterscheidung nach Pflanzenschutzbedarf und Pflegeaufwand ist blödsinnig!

Der Apfel muss einfach bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen, damit er auch vermarktet werden kann. Und dafür ist es einfach unerlässlich, dass Pflanzenschutz betrieben wird und ein regelmäßiger Rückschnitt und eine Ertragsausdünnung erfolgt.

Der Apfel muss einfach eine sortentypische Mindestgröße und ein ausgewogenes Süße-Säure-Verhältnis haben und muss lange lagerfähig sein, ohne an Qualität zu verlieren. Da geht es halt nicht, dass der Apfel wurmstichig oder angeschlagen ist oder Stippe oder Schorf hat.

Ein spätreifer Golden Delicious passt z.B. wunderbar in unser trocken-warmes Weinbaugebiet. Dort entwickelt er auch ohne Pflanzenschutz sehr gute Qualitäten. Den kann ich auch jetzt noch hängen lassen und durch das Wechselspiel von warmen Tagen und kühlen Nächten wird der richtig gut. Die Sorte ist zudem winterhart, trockentolerant und hat ein gesundes Astholz. Nur in feuchten Jahren kann es mal Probleme mit Schorf geben.

Bei den alten Sorten handelt es sich entweder um Wirtschaftssorten für die Saftproduktion (z.B. der Brettacher  oder der Bohnapfel), die ebenfalls etwas spätreifer sind und fast ausschließlich auf Halb- und Hochstamm angebaut werden, oder halt um Herbstäpfel, die nicht lange haltbar sind und schnell an Qualität verlieren.
Wenn Du einen Cox Orange, eine Goldparmäne oder einen Berlepsch als Tafelapfel anbauen willst, musst Du natürlich auch Pflanzenschutz betreiben und auf M9 oder M26 runter und die Bäume regelmäßig "putzen".

Es ist aber nicht so, dass alte Sorten per se gesünder sind als Neuzüchtungen oder die ganzen Clubsorten.
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Aromasüß

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #18 am: 14. Oktober 2018, 16:07:12 »

Ich denke der Knick ist etwas nach dem 2ten Weltkrieg. Ab da verbreitete sich ein anderes Anbau- und Handelssystem.
Die Unterscheidung nach Pflanzenschutzbedarf und Pflegeaufwand ist blödsinnig!

Genau die Unterscheidung nach Pflanzenschutzbedarf und Pflegeaufwand ist eine der für heute wesentlichen, wenn es um "Alte Sorten" geht!

Alte Sorten sind "untrennbar verbunden", so schreibt Walter Hartmann, mit dem Streuobstbau und der untergegangenen bäuerlichen Kultur. Unsere Vorfahren hatten schlicht weder Zeit noch Geld, um den heute - uns als unverzichtbar eingeredeten - Pflanzenschutzbedarf und Pflegeaufwand zu betreiben. Der Obstanbau war extensiv, er lief mit möglichst wenig Aufwand neben der vielen anderen Arbeit auf dem Hof her. Zur Erntezeit wurde schnell heruntergeschüttelt oder abgeerntet und eingelagert und, soweit nötig, haltbar gemacht. Geschnitten und veredelt wurde im Winter, wenn die arbeitsreiche Erntezeit vorbei war. Natürlich wollten die Vorfahren für ihre Großfamilien viel ernten; sie hatten heute unverkäufliche, hoch produktive Massenträger-Sorten für Saft und Dörrobst, aber für einen Intensivanbau gab es keine Nachfrage (mit Ausnahme des Spalieranbaus für den gehobenen städtischen Konsum zuerst in Frankreich).

Der extensive Obstanbau diente ja auch primär dem Eigenbedarf; Überschüsse wurden im lokalen Handel abgesetzt - ausschließlich als Saisongeschäft.
Niemand brauchte die glänzende Warenförmigkeit des heutigen Obstes, seine fast unendliche Lager- und Transportfähigkeit und vor allem die Fähigkeit, auf Verkaufstheken bei Zimmertemperatur wochenlang makellos auszusehen.
Deshalb schmecken viele alte Sorten auch aromatischer, zumindest die zum Sofortessen bestimmten Sorten, und dies auch nach einem "schlechteren" Jahr und auf ungüstigeren Standorten.

Die meisten dieser Funktionen der bäuerlichen Wirtschaft sind heute von Konzernen übernommen. Aromastoffe und vor allem Zucker haben die "Alten Sorten" abgelöst. Staat und Agrarlobby haben mit Rodungs- und Stilllegungsprämien sowie den Obstbauinstituten und Fördermitteln kräftig nachgeholfen.


Das war die Ausgangsfrage dieses Threads: Ob Alte Sorten definierbar sind?
  • Antwort 1: "Alte Sorten" sind definierbar - durch die bäuerliche Wirtschaftsweise, in der sie entstanden sind und sich bewährt haben.
  • Antwort 2: "Alte Sorten" sind die Sorten, die auf den Negativ-Listen standen, mit denen seit den 1950er Jahren die Rodungsprämien gezahlt wurden (ausgehend von dem "Emser Beschluß" 1953 über die Umstellung auf Niederstammobstanlagen, seit 1970 Sortenlisten und Rodungsprämien der EG).

Weitere bekannte Kriterien ergänzen diese Definition "alter Sorten" (darunter wichtige Kriterien wie Lagerfähigkeit, Nachreife, Saison, Verwendungszwecke und andere).

Walter Hartmanns oben genannte Definition (im Einführungskapitel seines Buchs "Farbatlas Alte Obstsorten", 5. Aufl. S. 17) wird ergänzt durch die Definition des KOB, Kompentenzzentrum Obstbau Bodensee:

Alte Sorten sind ein bäuerliches Kulturgut, das über Jahrhunderte entstanden, gepflegt und bewahrt wurde. Regionale Namen, alte Bräuche und überlieferte Rezepte zeugen von ihrer großen Bedeutung. In den Hungersnöten des 17. und 18. Jahrhunderts sicherten sie der damaligen Bevölkerung das Überleben.


Mir gefällt sie diese Definiton, weil sie alle Formen des Obstbaus einschließt: Außer den Streuobstgürteln und -alleen rund um die Dörfer sind das die Hecken, in denen unsere Vorfahren gern das Steinobst wurzelecht ansiedelten, die Bauerngärten und die Spaliere und Hauswandspaliere.

Übrigens wurden in der DDR alte und neue Sorten nicht so trennscharf unterschieden, vermutlich weil es keine Rodungsprämien gab. Alle Sorten waren gut, wenn sie in der heimischen Produktion, oft auf Niederstamm, rentabel Erträge brachten und die Bevölkerung zuverlässig versorgten (darunter edler Birnengeschmack gern auch von alten Sorten, als Ersatz der seltenen Südfrüchte). Das "Handbuch Obstsorten" von Friedrich, Petzold und weiteren speist sich als Spätwerk (1980er Jahre, bisher letzte Auflage 2005) aus einem enormen Erfahrungsschatz eines professionellen, wirtschaftlichen Umgangs mit einer Obstsortenvielfalt. Etwas derartiges werden wir in Deutschland nicht wieder erleben.

Weil "alte Sorten" ohne Giftbedarf und speziellen Pflegeaufwand in den Hausgärten gedeihen, überwiegen sie in den Baumschulen, wenn diese auf Hausgärten ausgerichtet sind und über eine größeres Obstbaumsortiment verfügen, sehr deutlich. Ihnen hinzugesellt haben sich tatsächlich auch einige, wenige neue Sorten, die ähnlich robust sind. Gerade gestern habe ich das in der Verkaufsausstellung einer solchen Baumschule gesehen.
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cydorian

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #19 am: 14. Oktober 2018, 16:28:57 »

Kann man so sehen. Stimm vermutlich. Untersteichen muss man aber ein Wort:

Zitat
mit dem Streuobstbau und der untergegangenen bäuerlichen Kultur

Die ist sogar restlos untergegangen. Man kann sehr wohlgesetzte Definitionen über alte Sorten bringen, das bleibt halt total museal. Die Wirtschaftsweise wie in Antwort 1 und noch -zig weitere Punkte sind der Kontext und die sind jeder Hinsicht komplett untergegangen. Der Link zur Gegenwart, zur Praxis heute ist damit nicht herzustellen, nur ein Blick in ein Obstmuseum geht.

Also könnte man auch sagen: Eine alte Sorte ist eine Sorte, deren Kontext sich längst aufgelöst hat.
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dmks

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #20 am: 14. Oktober 2018, 21:20:19 »

Manche "alte Sorten" waren "damals" einfach so erfolgreich - weil sie neu waren! ;)
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cydorian

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #21 am: 14. Oktober 2018, 21:48:15 »

Das blosse Neusein hat noch nie mehr als ein paar wenige Jahre Anziehungkraft entwickelt.
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thuja thujon

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #22 am: 14. Oktober 2018, 21:51:36 »

In weiten Teilen mag ich der Definition zustimmen, in anderen Teilen deutlich widersprechen.

Jeder der jetzt noch museal einige der alten Sorten kultiviert wird sicherlich ein Lied davon singen können, dass es nicht die Pflanzenschutzindustrie war die Rodungsprämien bezahlt hat oder dass sich mit ein wenig Winterschnitt die Bäume gesund erhalten lassen.
Nein, die letzten unbeugsamen Gallier haben es mittlerweile mit Krankheiten zu tun, die es vor 60 oder 70 Jahren noch nicht gab.
Auch ist der Winterschnitt viel zu einfach erklärt wenn man behauptet es wurde damals gemacht weils zu der Zeit weniger Arbeit gab.
Vielmehr hat der Winterschnitt einen ganz besonderen Effekt, den die alten Leute kannten und nutzten und sich nicht geschert haben um die Plackerei wenn einem die Finger abfrieren. Heute sind die Leute viel empfindlicher, suchen nach einfachen Erklärungen wie der weniger arbeitsintensiven Zeit im Winter als Begründung für Winterschnitt, ist einfacher als Praxiserfahrung oder sich mit Biologie auseinanderzusetzen, wählen in der Politik die rechten oder grünen Populisten und verstehen nicht mehr, was die bäuerliche Kultur eigentlich war oder mal gewesen sein soll.
Die heulen nur noch rum, haben viel Meinung und wenig Kompetenz, träumen sich zurück in eine Welt die es nie gab. Kein Wunder das da die alten Sorten sterben und die großen Handelsketten florieren.
Ich sage die alten Sorten sind noch nicht tot. Ich bin einer davon der sie noch macht, auch angepasst an moderne Gartengrößen, man muss das auch weiterentwickeln wenn die Zeit voran schreitet, hier in den Gärten sehe ich mehr Ergebnis als in den geförderten und falsch gepflegten Streuobstwiesen.
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Amur

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #23 am: 14. Oktober 2018, 22:39:52 »

Ich halte die Erklärung oben für die übliche Schwärmerei auf die "gute" alte Zeit.

.....aber für einen Intensivanbau gab es keine Nachfrage ...

Unfug. Das was wir heute Streuobstbau nennen war damals der Intensivanbau. Die Typunterlagen gabs damals nicht. Es ging nicht intensiver. Das war der einzige Grund. Nachfrage hätte es mehr als genug gegeben.

Und genug der alten Sorten die man heute noch rumschleppt sind deutlich anspruchsvoller um nur halbweg Erträge zu bekommen als viele der neuen Sorten.

Im Übrigen wird vom KOB vor allem wegen der genetischen Vielfalt auf die Erhaltung der alten Sorten hingewiesen weniger wegen irgendwelchen Vorteilen im Anbau.

.....seine fast unendliche Lager- und Transportfähigkeit und vor allem die Fähigkeit, auf Verkaufstheken bei Zimmertemperatur wochenlang makellos auszusehen.
Deshalb schmecken viele alte Sorten auch aromatischer, zumindest die zum Sofortessen bestimmten Sorten, und dies auch nach einem "schlechteren" Jahr und auf ungüstigeren Standorten.
....

Oh Oh, es gibt viele alte Sorten deren Geschmack einfach schlecht ist.
Und einige waren sehr wichtig weil sie extrem lange lagerfähig waren wie etwa der rote Eiserapfel, Bohnapfel oder Brettacher. Diese lang haltbaren spielten eine große Rolle eben weil es damals keine entsprechenden Lager gab mit denen man andere Sorten bis ins Frühjahr und Frühsommer haltbar machen konnte. Und das Lagerobst wurde damals sehr genau ausgesucht und durfte kein bisschen Macken haben. Von daher halte ich die Aussage oben für ganz einfach falsch. Dass auch angeschlagenes Obst damals verwendet wurde ist klar. Die Pingeligkeit unserer Überflussgesellschaft konnten sich damals nur wenige leisten.

Nach wie vor ist die Definition "alte Obstsorten" die sich vielleicht an der Zeit vor dem Plantagenanbau auf Typunterlagen orientiert meiner Ansicht nach die richtige.
Pflebebedürftigkeit (also Spritzen etc) und sonstige Eigenschaften sind davon unberührt. Es gab damals schon sehr empfindliche Sorten und andererseits Massenträger mit mehr oder weniger guten Eigenschaften. Vermutlich mehr Kümmersorten und Pflegeaufwendige wie heut, weil die Spritzerei auch immer teurer wird und auch immer mehr eingeschränkt wird und solche Sorten schnell durch das Raster der Züchter fallen.

 

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Krusemünte

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #24 am: 15. Oktober 2018, 00:07:55 »


Wer sich genauer mit der weitestgehend untergangenen bäuerlichen Kultur Europas beschäftigen möchte, dem empfehle ich Michael Machatschek, Laubgeschichten. Gebrauchswissen einer alten Baumwirtschaft, Speise-und Futterlaubkultur.
Ein hervorragendes Buch in dem sehr eindrucksvoll beschrieben wird, wie sehr unsere Kulturlandschaft durch eine bäuerliche Wirtschaft geprägt ist die sich sehr von dem wildromantischen Bild der Landwirtschaft des frühen 20. Jahrhunderts unterscheidet. Auch die Streuobstwiesen die eben nicht nur zum Fruchtanbau existierten sondern viel umfassender genutzt wurden. Schnitttechniken, Kultivierungsmethoden und auch Sortenauswahl die sehr konzentriert darauf ausgelegt waren den maximalen Ertrag zu erwirtschaften. Sie liefen eben nicht nur einfach mit und man gab sich mit dem zufrieden was dabei abfiel, sondern sie waren zentrales Element.


Daneben sei hinsichtlich des Apfelanbaus wohl auch angemerkt dass mit der Entdeckung der Mendelschen Regeln und der Verwissenschaftlichung des Alltagslebens die Sortenvielfalt förmlich explodierte. Alte, dahergebrachte Sorten wurden gezielt züchterisch verbessert um einzelne negative Eigenschaften auszumerzen ohne dabei die essentielle Funktion (zB Lagerapfel) zu verlieren. Erst die fortschreitende Industrialisierung und in den letzten Jahrzehnten Globalisierung setzte dieser Entwicklung wieder zugunster einiger weniger uniformer Sorten ein Ende. Die moderne Lebensweise verlangte dass Obst immer verfügbar sein musste, möglichst frisch, gleichaussehend ..... der kleine saure Apfel der erst mit einer entsprechenden Reife genießbar wurde hatte ausgedient. Einen Vorratsraum für die Lagerhaltung hat eh niemand mehr. Die Unterscheidung in alte Sorte und neue Sorte ist meiner Meinung nach also weniger eine Frage des Entstehungsjahres, sondern eher ob eine Sorte den Ansprüchen der modernen Gesellschaft genügt oder eben nicht. So ist der bereits erwähnte Golden Delicious für mich durchaus eine moderne Sorte, auch wenn die Sorte selbst bereits seit einem Jahrhundert auf dem Markt ist.
Zum Glück erleben wir in den letzten Jahren auch dank Bio und SlowFood eine Gegenbewegung, wieder hin zu regionalem und abwechslungsreicherem Anbau. Eine Chance auch für alte Apfelsorten.





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Amur

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #25 am: 15. Oktober 2018, 06:38:51 »

Man muss auch berücksichtigen welche Gegend man betrachtet.
So war hier bei uns bis ins 19. Jh. der Obstbau so gut wie nicht vorhanden, während er in anderen, klimatisch günstigeren Gegenden eine wichtige Rolle spielt.
So wurde Mitte des 19. Jh. für unsere Ecke nur wenig Obstbau vorrangig in den (auch klimatisch) güsntigeren Flusstälern von Donau und Iller erwähnt. Wenn es denn ansonsten Obst gab seien es meist unveredelte Sämlinge minderer Qualität.
Also kann man von jahrhunderte alter Kultur allenfalls in den entsprechenden Gegenden reden. In vielen anderen wird es sich vor allem um eine seit dem 19. Jh. aufkommende Sonderkultur handeln, deren Ertragsunsicherheit wegen den klimatischen Bedingungen keine so grosse Rolle spielen durfte/konnte.
« Letzte Änderung: 15. Oktober 2018, 06:47:58 von Amur »
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Witteke

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #26 am: 15. Oktober 2018, 09:04:01 »


Der Obstanbau war extensiv, er lief mit möglichst wenig Aufwand neben der vielen anderen Arbeit auf dem Hof her.


Ob ein Anbau als extensiv oder intensiv beschrieben wird, richtet sich nach dem Aufwand, der pro Flächeneinheit betrieben wird. Das bedeutet nicht, dass absolut gesehen weniger Arbeit für den Betreiber anfällt.

Abgesehen davon denke ich nicht, dass eine klassische Streuobstwiese, zu der ja eigentlich auch Heumahd oder Beweidung gehört, besonders wenig Pflegeaufwand ist. Entweder Vieh davon abzuhalten, Bäume anzuknabbern, Zäune in Ordnung halten oder Heu mähen und wenden, wo alle paar Meter ein Baumstamm steht, ist "nebenher" gemacht. Hat ja schon einen Grund, warum so viele Leute alte Streuobstwiesen toll finden, aber sich kaum jemand die Pflege in seiner Freizeit antut.
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cydorian

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #27 am: 15. Oktober 2018, 09:09:46 »

Die Beschreibung untergegangener Wirtschaftsformen ist ja interessant, aber nicht die Definition von "alte Obstsorten".
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Amur

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #28 am: 15. Oktober 2018, 11:13:59 »

...
Also könnte man auch sagen: Eine alte Sorte ist eine Sorte, deren Kontext sich längst aufgelöst hat.

Die Definition finde ich auch ganz gut.
Mit aufkommen der Streuobstwiesen ist in einigen Ecken wieder eine andere Kultur verschwunden.
Milchvieh oder generell Vieh auf Weiden kam bei uns z. Bsp. erst Anfang-Mitte des 19.Jh auf. Davor wurden die meist in der Waldweide oder der Allmende gehalten. Da war noch nix mit Streuobst.

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cydorian

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Re: Definition "Alte Obstsorten"
« Antwort #29 am: 15. Oktober 2018, 11:57:39 »

Es gab einfach alles. Man findet zu jedem Argument irgendwo und irgendwann ein Szenario, das dazu passt.

Hier in der Gegend gab es zum Beispiel überhaupt keine Streuobstwiesen in der Landschaft, sondern nur die üblichen Krautgärten mit einigen Obstbäumen dabei. Vor der Stadt, häufig umfriedet. Alte Bilder zeigen es. Die hundert Jahre lang das Bild beherrschende Streuobstwiesen waren erst eine Erfindung des späten 19. Jahrhunderts. Der Grund war eine Katastrophe von apokalyptischem Ausmass, der 800 Jahre wirtschaftlich beherrschende Weinbau brach nämlich zusammen. Es kam Schlag auf Schlag und dauert eigentlich bis heute an: Ständig wurden katastrophale Krankheiten von anderen Kontinenten importiert, der echte Mehltau 1845, die Reblaus 1863 ("Reblauskatastrophe"), der falsche Mehltau 1878. Dann noch steigende Importe Dank der neuen Eisenbahn. Der Weinbau wurde immer schwieriger und lohnte sich immer weniger. Eine Phase mit harten Wintern kam auch noch dazu, Frostschäden die man nach alter Sitte durch aufwendiges Niederlegen und Bedecken der Rebe im Herbst verhindern musste. Die billigen Helfer hauten aber auch ab und verdienten lieber in der sich schnell entwickelnden Industrie den Lebensunterhalt. Der Run in die grösseren Orte war gigantisch. Dann hat man mit viel Mühe massenhaft Obstbäume in die Hanglagen gesetzt, zu was anderem waren diese Lagen auch nicht zu gebrauchen. Das Gras drunter gemäht und verwendet, aber das war nie viel Wert im Vergleich zu Talwiesen. Sieht man sich die noch vorhandenen Restbäume an, kann man starke Präferenzen je nach Pflanzzeitpunkt feststellen. Das wechselte oft schnell und heftig. Da wurde durchaus eine komplette Wiese radikal mit damals sehr modernen Sorten bepflanzt. Der Brettacher breitete sich zum Beispiel in wenigen Jahren massiv aus (es gibt hier noch Leute, die stolz darauf sind, dass ihr Brettacher aus Edelreisern direkt vom ersten Baum der Sorte stammt), ersetzte den vorher beherrschenden Teuringer, die Champagner Renette und drängte auch den Boskoop (auch auch nicht so alt ist) und Bohnapfel ab.

Was hat das mit der Definition von alten Sorten zu tun? Nur soviel, dass diese Definition eigentlich witzlos ist, weil damit immer etwas nahegelegt und verbunden wird, das in der Vergangenheit liegt. Eine Entwicklung, eine Wirtschaftsweise, Vorstellung von Verwendung und Nutzung von Obst oder auch nur Bilder im Kopf, wie die Vergangengheit gewesen sein könnte. Fragen wir nicht nach alten Sorten, fragen wir besser nach den geeignetsten Sorten für eine bestimmte Pflanzung, das bringt uns mehr.
« Letzte Änderung: 16. Oktober 2018, 08:52:58 von cydorian »
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