Grüß Euch,
wow, ein paar Stunden nicht online und schon geht das Thema drunter und drüber.
Strauch - Baum
Vorsicht ist geboten, wenn der Mensch mit Schere und Säge eingreift und aus Sträuchern Bäume macht oder sie durch selektive Züchtung in das jeweils andere überführt.
@ sarastro
Bei
Salix x boydii (ich hab mir ein paar Bilder im Internet angesehen) sehe ich durchgehend Strauchcharakter.
Dass Basalknospen (bzw. basal angelegte Meristeme) gefördert sind, heißt ja nicht automatisch, dass wie bei einigen
Syringa ganze Massen an Trieben erscheinen müssen.
Basale Knospen müssen nicht auf Erdbodenhöhe liegen! - Basal heißt, dass die Knospen deutlich tiefer liegen als apikale.
Bei
Ficus benjamina ist das strauchartige Aussehen alter Exemplare bedingt durch die von den Ästen gen Boden entsendeten Stelzwurzeln. Es gibt auch hier nur einen ursprünglichen Stamm.
@ pearl
Bei der "Stammbildung" in Kultur befindlicher Pflanzen (Beispiel Aurikel) gebe ich noch zu bedenken, dass sie im natürlichen Lebensraum oftmals nicht so allein dastehen. Sie sind Teil einer Lebensgemeinschaft, z.B. alpiner Rasen, der jährlich ein wenig dicker wird durch das Wachstum der Pflanzen. Tiefer gelegenere Pflanzenteile sterben ab und bilden Humus. - Wenn die Aurikel dort bestehen will, muss sie jährlich ein wenig in die Höhe wachsen, um nicht überwachsen zu werden.
Würden wir uns nach einigen Jahren die umgebenden Pflanzen wegdenken, wäre ebenfalls ein "Stammbildung" zu beobachten. - Im natürlichen Umfeld wäre sie nicht sichtbar.
Ich denke nicht, dass daher der Grund für die Stammbildung bei Aurikeln das Fehlen von Zugwurzeln ist.
@ Susanne
Wir sprechen von Stämmen und stammartigen Gebilden, nicht von Blütenstengeln. - Letztere sind eine Möglichkeit, den Blütenstand/die Einzelblüte weiter von der Pflanze "wegzubringen", um ihn/sie den Bestäubern besser zu präsentieren. Verholzt ist der bei krautigen Pflanzen nur sehr selten. (Mir fällt gar kein Beispiel ein, aber ich möchte es nicht ausschließen.)
@ Paulownia
OK, bei der Mis
tel (Mis
pel kann man essen
) wird es mit der angeführten Definition schwierig. - Ich schreib gleich noch, wie es sich mit der Definition aus dem Rothmaler leichter gestaltet (s. unten).
@ all
So, hier nun die versprochenen Definitionen für die Lebensformen der Pflanzen nach Rothmaler (keine Zitate):
Lebensformen beschreiben Pflanzen, die gruppenartig zusammengefasst werden können aufgrund gewisser übereinstimmender Merkmale, die zur Überstehung ungünstiger Jahreszeiten (bei uns i.d.R. der Winter) befähigen.
Man unterscheidet nach Art und Lage der Organe für die Überdauerung:
Holzpflanzen (= Gehölze, Phanerophyten) mit verholzten, harten Stämmen, Ästen und Zweigen, die oberirdisch überdauern und im Frühjahrs die austreibenden Knospen tragen. Weiter unterscheidbar:
Bäume (Makrophanerophyten): Holzgewächse, die einen aufrechten Stamm und eine Krone aus Ästen und Zweigen aufweisen.
Sträucher (Nanophanerophyten): Holzgewächse, die keinen oberirdischen Stamm haben mit starker basaler Verzweigung.
Zwergsträucher (Z) und
Halbsträucher (H) (Hemiphanerophyten): Z: mit Blütenständen maximal einen halben Meter hoch (Beispiel Preiselbeere); H: verholzen nur im unteren Teil und mit Erneuerungsknospen, deren obere krautige Pflanzenteile alljährlich absterben (Beispiel Bittersüß).
Kräuter mehr oder weniger weichstengelig, markig oder hohl, nicht oder nur wenig verholzte Stengel, deren oberirdischen Pflanzenteile in der zu überdauernden Jahreszeit absterben; Überdauerungsorgane liegen bodennah oder unterirdisch oder unter Wasser getaucht oder fehlen. Untergruppen:
Chamaephyten: Überdauerungsorgane ein paar Zentimeter über der Substratoberfläche liegend, geschützt durch Teile der Pflanze selbst (Polsterwuchs, abgestorbene Blattscheiden) oder durch Schnee (Beispiele Blaukissen, Steinbrech)
Hemikryptophyten: Überdauerungsorgane an der Erdoberfläche liegend, geschützt durch Laub oder abgestorbene Pflanzenreste. Findet sich bei rosettenbildenden Pflanzen (Gänseblümchen), ausläufertreibenden Pflanzen (Erdbeere) und horstig wachsenden Pflanzen (viele Gräser).
Geophyten: Überdauerungsorgane unterirdisch, geschützt durch den Boden. Rhizom-Pflanzen (Windröschen), Zwiebeln (Tulpen), Knollen (Kartoffel, Lerchensporn), Wurzelsprosse (Ackerwinde).
Therophyten: sommerannuelle Pflanzen, Überdauerungsorgane fehlen (Sonnenblume).
Hydrophyten (Wasserpflanzen): Schwimmpflanzen schwimmen gänzlich (Krebsschere) oder teilweise (Seerose); Sumpfpflanzen nur mit unteren Sproßteilen im Wasser und treiben in der Wachstumszeit die oberen Sproßteile über den Wasserspiegel.
Ich denke, das dürfte die umfassendste allgemeine Definition sein, die möglich ist. - Staude taucht nicht einmal auf, da gärtnerischer Begriff, kein botanischer.
Ich fass dann mal zusammen:
Campanula portenschlagiana: Chamaephyt, also Kraut
Primula auricula (und Kultivare): Chamaephyt, also Kraut
Primula elatior u. P. veris: Hemikryptophyt, also Kraut
Iberis: Zwergstrauch, also Gehölz
Helianthemum: Zwergstrauch bis Strauch, also Gehölz
Alyssum: Chamaephyt, also Kraut
Heuchera: Chamaephyt, also Kraut
Viscum album: Halbstrauch, also Gehölz
Halten wir es doch mit dem Ausspruch einer meiner Professoren (systematische Zoologie, u.a. Direktor der Zoologischen Staatssammlung München). Er hat in einer Vorlesung über die Morphologie der Tiere gesagt:
Das Einzige, was es nie gibt, ist keine Ausnahme.
LG
Markus