Hallo,
eigenartig, wie leicht sich Schlichtnaturnah-gegen-prunkvollhochgezüchtet-Debatten gerade an Päonien entzünden;
hier (ab ca. #30) hatten wir sowas vor ein paar Monaten schon mal.
Einfache bis halbgefüllte Rockiis wie auf Irms Fotos sind nach meiner Kenntnis sehr nah dran an Wildformen; sie sind allenfalls Ergebnis von Selektion, kaum von Zucht (bitte korrigiert mich, falls ich da irre). Rockiis scheinen zudem bereitwillig Hybriden hervorzubringen, wie etwa die "naturwüchsig" entstandene Vielfalt der Sammlung Ebert zeigt. Also kann man über diese Pflanzen nicht unter dem Aspekt naturnah versus überkultiviert diskutieren. Sondern höchstens darüber, ob man so große Blüten mag oder nicht – und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten
.
Tja, und die Staudigen – "ich kann mich gar nicht entscheiden, is' alles so bunt hier", hat Nina Hagen mal gesagt
... Im Ernst: So lieb mir die "Wilden", Schlichten sind, ich mag auch die Fülligen. Jedenfalls manche. Bei Itoh-Hybriden finde ich die Proportion zwischen Pflanze und Blüte missglückt, und Quietschbonbonfarbige sind mir ein Gräuel. Dezent getönten, elegant geformten, duftenden Sorten hingegen – meistens sind das dann historische "Klassiker" – verzeihe ich sogar schwache Stiele, weil die Pflanzen ansonsten einfach harmonisch wirken. (Nebenbei: Üppige Großblumige nennen die Franzosen "voluptueux": wolllüstig – das eröffnet neue Facetten der Debatte, protestantische Ethik gegen Hedonismus; aber das lass' ich jetzt mal
... )
Wo immer Züchter auf Show-Effekte setzen, geht zwangsläufig ästhetisch mal was schief. Bei Päonien wie bei Rhododendron-Hybriden oder bei Aurikeln oder bei Bartiris oder bei Hemerocallis; und wie war das doch noch mit gefüllten Leberblümchen? Last but not least zählt auch der Kontext: In einem Wildstaudenbeet sähen die Riesenblütenbälle von Marcirs Foto bizarr aus; in anderem Zusammenhang sind sie schön. Und jede wahre Diva kann auch Ensemble
(wenn nicht, ist sie keine).
Übrigens sind nach meiner Beobachtung Sorten mit einfachen und/oder verhalten gefärbten und/oder kleineren Blüten oft schwerer zu beschaffen als knallbunte Giganten. Schlüsselerlebnis: Auf meiner Suche nach einer Paeonia delavayi hörte ich von einem Züchter, die führe er nicht, denn kleinblütige Pflanzen seien bei seinen Kunden partout nicht gefragt... Markt-Gesetze spielen mit, ob’s einem passt oder nicht. Spätestens damit steht "Show" in der generellen Rangliste weit vorne.
Schöne Grüße
Querkopf