Was ich aus alter Literatur über Mispeln finde, sagt anderes aus. Demnach hatten sie niemals mehr wie Ausnahmecharakter bei der Weinbereitung und sie sind auch in Weinbauregionen nicht häufiger gewesen. Sie sind feuchtigkeitsliebend, die grösste Vielfalt gibts in den Niederlanden. Gerbstoffschönung beim Wein war auch niemals die Regel. Die diesbezüglichen Rezepte verwenden am häufigsten Birnenmost.
In den Apfelmost hat man sie manchmal dazugegeben, aber da hat man immer alles reingeworfen was irgendwie Gerbstoffe enthält und sonst nicht verwertet werden konnte, z.B. besagte Schlehen.
Im Buch von 1803 bekommt sie eine ausführliche, mehrseitige Beschreibung mit gutem Bild und Sortenvorstellung, z.B. die "Holländische" und die Mispel ohne Stein. Die ohne Stein hätte geringere Erträge und schlechtere Bäume, ihr Vorteil liegt darin, dass die kleinen Früchte früher braun werden und deshalb früher essbar sind - also nicht deswegen, weil jemand die Steine störend gefunden hätte. Mispeln werden ausschliesslich als Essobst erwähnt, das man wegen der Gerbstoffe erst lagern muss und bei Beginn der Bräunung essen kann. Dafür werden viele Methoden und Tips gegeben. Gegessen würde sie roh, ohne Zucker oder kandiert. Der Wert der Frucht wäre mehr Einbildung als Geschmack, sie würde nur deswegen bei Tafel auftauchen, weil sie so spät gegessen werden kann, wäre sie früher reif würde man sie nicht achten weil es dann besseres Obst gibt.
Die Gerbstoffe stören mich überhaupt nicht, nachdem die Früchte eingefroren und aufgetaut wurden sind sie weg. Aufgetaute Früchte halten sich Tage bis Wochen. Danach werden sie als Obst gegessen, Schale runterzupfen, essen, anschliessend schmierige Finger waschen. Auch gut: Mus (Früchte durch eine Passiermühle drehen) und Saft, daraus Gelee. Aber wenn ich ehrlich bin, steht der Herstellungsaufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Äpfel bringen ähnliche Aromatik und lassen sich mit wesentlich weniger Aufwand verarbeiten und mampfen. Andere Leute machen noch Obstbrand draus.
Ich frage mich auch, was durch züchterische Verarbeitung überhaupt verbessert werden kann. Knackig oder saftig werden sie nie sein. Eine noch grössere Fruchtgrösse wird nichts verbessern, ausser dass man beim Ernten ein paarmal wenig oft hinlangen muss. Fehlende Gerbstoffe machen für mich keinen Unterschied, denn wenn man sie ohne die enzymatische Umwandlung essen würde, dann wäre das Fruchtfleisch im Mund trotzdem unangenehm. Die Umwandlung bewirkt nicht nur Abbau der Gerbstoffe, sondern auch eine Veränderung des Fruchtfleischs: Erst dann wird es weich und etwas weniger trocken.
Stark unterschätzt wird hingegen der Zierwert der sehr dekorativen und schönblühenden Pflanze mit den grossen Blättern. Die passt auch in Vorgärten, selbst wenn sie keine volle Sonne hat. Die Früchte im Herbst nimmt man gerne als zusätzlichen Bonus mit.