Einen anderen Pressebericht über die aktuelle Studie habe ich folgendermaßen kommentiert:
Die durch Computersimulation gewonnene Erkenntnis liegt "intuitiv" bereits seit Jahrzehnten vor und findet zunehmend häufig theoretische Bestätigung und Aufwertung. Repräsentativ begrünte Örtlichkeiten, wo sich solche Ergebnisse auch messtechnisch mit Anspruch auf beliebige Reproduziernarlkeit nachweisen lassen, gibt es jedoch bisher nirgendwo. Aber selbst wenn es sie gäbe und die sehr bedeutsame Positivwirkungen von Fassadenbegrünungen auf die Stadtluft direkt messbar wären, würden die Ergebnisse nur die halbe Wahrheit darstellen. Der andere und mindestens ebenso wichtige Teil liegt im Bereich des menschlichen Empfindens - also in der "Wohlfühlwirkung" auf die Menschen im begrünten Stadtraum.
Unter diesem Aspekt ist die Forderung der Wissenschaftler nach "grünen Plakatwänden" völlig richtig. Sie stammt jedoch aus dem "Elfenbeinturm der Wissenschaft" - hier offenbar von Theoretikern, die das Handwerkszeug der Bauwerks- bzw. Stadtbegrünung nur oberflächlich kennen.
Die praktische Erzielung der Vorteile setzt einerseits entsprechendes Fachwissen und andererseits Möglichkeiten und Bereitschaft voraus. Das Fachwissen ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen - insbesondere auf dem Gebiet der Fassadenbegrünung. Aktuelle Literatur, z.B. das soeben erschienene "Handbuch Bauwerksbegrünung" (M. Koehler, Rudolf Müller Verlag, ISBN: 978-3-481-02968-5) und die demnächst neu aufgelegte FLL-Richtlinie "Fassadenbegrünung" stellen den aktuellen Stand dar.
An Begrünungsmöglichkeiten - speziell Flächen - besteht gerade dort, wo extreme Gründefizite vorliegen i.d.R kein Mangel. Es ist nicht notwendig, zusätzlich eher störende "Plakatwände" in den ohnehin engen öffentlichen Raum zu integrieren - dort stehen bereits genug bis zu viele Wände und Mauern herum, die wahlweise mit bewährten oder innovativen Techniken begrünt werden könnten.
An der technischen Machbarkeit bestehen also keine Zweifel - sie ist vielerorts bei durchaus überschaubarem Aufwand vorhanden.
Anders sieht es immer noch mit der Bereitschaft aus. Die öffentliche Hand spart und alle Bauherren/Investoren scheuen die Folgekosten der unverzichtbaren Grünpflege. Diese sind selbstverständlich für "vertikale Gärten" höher als für begeh- und befahrbare Grünflächen (die sich innerstädtisch wegen der Grundstückswerte kaum jemand leisten kann/will). Deshalb greift auch eine einmalige finanzielle Förderung der Fassadenbegrünung aus öffentlichen Mitteln zu kurz. Ein Mehraufwand von einigen 1000 Euro bei Errichtung oder Sanierung eines Bauwerkes für dessen Begrünung schreckt selten ab - schon gar nicht wenn er zur Schaffung eines dauerhaften Mehrwertes (Wohn- und Immobilienwert) führt. Einmalige Bezuschussung wird natürlich gerne beansprucht, beeinflusst die Bereitschaft aber nur unwesentlich denn die übliche Unterlassung von Fassadenbegrünung resultiert aus der Befürchtung, dass sich die Rechnung wegen kaum kalkulierbarer Folgekosten nicht lohnen würde. Daher setzt ein erfolgversprechendes
Förderkonzept innerstädtischer Fassadenbegrünungen an den Wänden privater und öffentlicher Bauwerke bei kostengünstiger Pflege an. Die wesentlichen Unterhaltungskosten verursachen nicht die vor Ort erforderlichen Arbeiten, sondern deren Vorbereitung, darunter Angebote einholen, Hubsteiger beschaffen, Genehmigungen einholen, Absperrungen vornehmen und danach die Entsorgung einer "haushaltsuntypischen" Menge Biomasse (die sich auch energetisch nutzen ließe). Übergeordnete Organisation
der Pflege von Fassadenbegünungen würde deren bisherige Kosten für den einzelnen Hausbesitzer sehr erheblich mindern und damit zu hoher Bereitschaft führen, die eigene Fassade zu begrünen.
Die zusätzliche Aufstellung und Unterhaltung von "Grünwänden" im Stadtraum halte ich für eine Utopie. Kommunale organisatorische oder gar praktische Unterstützung von Hausbesitzern bei der Pflege von Fassadenbegrünungen ist dagegen keine solche - sie wird z.B. in Paris bereits praktiziert!