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Autor Thema: Was vom Pferd  (Gelesen 56621 mal)

Rosenfee

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #15 am: 06. April 2013, 22:10:20 »

Köstlich, Tara :D
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LG Rosenfee

Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #16 am: 06. April 2013, 23:47:43 »

Eine Reitstunde in der Woche konnten die Eltern spendieren, den Rest verdiente ich mir mit Ausmisten, Putzen und „Aufhalten“, wenn der Schmied kam. Und mit Stallgasse fegen! Sinnige Sprüche lernte man dabei auch, zum Beispiel „Merk’ dir eins auf allen Wegen: Reiten lernt man nur durch Fegen!“

Demnach hätte ich fit für den Bundeskader sein müssen - alle Stallgassen zusammengenommen, muß ich mich in diesen Jahren schier von Berlin bis Paris gefeudelt haben. 8)

Bald kamen andere Schulpferde und andere Kinder hinzu. Auch einen Reitlehrer gab es nun. Der Herr Rittmeister hatte silbriggraues Haar, eine edle, nur leicht gerötete Hakennase und ein „von“ im Namen. Außerdem hatte er ein Faible für hübsche Mädchen, für angewärmtes Bier und Jägermeister, und ganz wichtig war es ihm, daß man beim Absitzen über dem Pferd die Hacken zusammenschlug.
Das konnte ich hervorragend! Vieles andere aber leider nicht.

Als meinen Eltern vorgeschlagen wurde, mich zur Landesreitschule zum Abzeichen-Kurs zu schicken, handelte ich mir eine böse Niederlage ein: Ich versagte im Springen. Komplett! Dreimal verweigert – aus. Verweigert hatte übrigens ich, nicht das wirklich sehr brave Schulpferd, ein riesiger Dunkelbrauner, der sich ob meiner flatternden Nerven angesichts dieser paar lächerlichen Hüpfer offensichtlich sehr verwunderte.

Mit dem Springunterricht hatte man’s im Verein nicht so gehabt. Zwar war ich auf dem Springplatz gesprungen, was da eben so rumstand, aber hauptsächlich, um zwei jungen Offizieren zu imponieren – ein unseliger Hang dies -, und nicht etwa, weil mir das Springen Spaß gemacht hätte.

Doch dies hier war eine offizielle Prüfung, und ich trug tatsächlich eine geborgte schwarze Jacke und meine einzigen richtigen Reithosen, nachts noch mit Nagelbürste und Haarshampoo saubergeschrubbt und mit dem Föhn halbwegs getrocknet. Schon drei Tage vorher hatte sich mein Magen unangenehm bemerkbar gemacht.

Allein das Bevorstehen einer offiziellen Prüfung reicht heute noch, all meine Fähigkeiten auf das Niveau einer angstbebenden Vierjährigen zu reduzieren. Meiner unerschütterlichen Überzeugung nach ist übrigens der Nikolaus schuld.

Dieses schreckliche Klopfen an der Tür! Kannst du dein Lied? Ja klar. Süßer die Glocken nie klingen. Und dann war der Nikolaus da, mit dem entsetzlichen Knecht Ruprecht, und ich hatte mein Lied vor Aufregung vergessen, ganz und gar. Und krähte also unter den strengen und immer strenger werdenden Augen des Heiligen, was mir gerade einfiel; ich schmetterte, was die Kehle hergab, zu Tannenduft und Glöckchenklang mit dem Mut der Verzweiflung: „Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh, ist Schweinespeck!“ Und noch mal, jetzt zum schallenden Gelächter der Erwachsenen: „Borstenvieh und SCHWEINESPECK!“

Den „Zigeunerbaron“ mag ich seitdem nicht mehr leiden. Und das Reitabzeichen habe ich zu meinem Kummer heute noch nicht, kein Wunder...! ;D
« Letzte Änderung: 06. April 2013, 23:48:13 von Tara »
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Klio

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #17 am: 07. April 2013, 00:50:25 »

Die Leichte Brigade ist genial. ;D
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Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #18 am: 07. April 2013, 01:01:38 »

 ;D ;D ;D

Ich habe bis heute einen gehörigen Respekt vor Wildschweinen. Dazu gibt es später mehr...
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Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #19 am: 07. April 2013, 01:25:49 »

Mit den anderen Mädchen, deren vermögende Eltern ihnen alsbald eigene Pferde kauften, konnte ich nicht mithalten. Ich hatte ja nicht mal Lederreitstiefel! All meine Träume gipfelten in Lederreitstiefeln. Und fürs Musikreiten wurde mir eine alte Kostümjacke meiner Mutter verpaßt.

Das Musikreiten übrigens ging nur zur „Petersburger Schlittenfahrt“. Dem Herrn Rittmeister muß diese Melodie eine geradezu zauberhafte Jugenderinnerung wachgerufen haben; er duldete nichts anderes. Dieses Schlittengeklingel bleibt für mich bis ans Lebensende verbunden mit Mutters geänderter Kostümjacke mit den Wiener Nähten. Richtig als Außenseiter kam ich mir vor.

Aber zwei Pflegepferde hatte ich mittlerweile. Sonnenschein und Sonnentau, vier- und fünfjährige Holsteiner Vollschwestern. Die beiden gehörten einem Fabrikanten, der sich nur sonntags in der Reithalle sehen ließ, und dann auch erst nach einem ausgiebigen Schoppen. Dann fegte er je eine halbe Stunde mit jeder Stute wie ein Verrückter durch die Bahn. Den Rest der Woche standen die armen Tiere in den Boxen. Und wenn die jemand betrat, standen sie auf den Hinterbeinen.

Der Herr Rittmeister meinte, das müsse sich ändern. Wenn ich mich traute...
Trauen! Das köderte mich immer sofort. Tagelang saß ich erst mal nur in den Boxen und redete mit den beiden. Dann setzte ich mich das erste Mal drauf. Und fiel nur runter! Aber das hatte ich ja mit Ajax geübt.

Ich hatte nun zwei Pferde, die ich kostenlos reiten konnte, so oft ich wollte. Nur kümmerte sich leider niemand darum, ob ich noch was lernte, und vor allem, ob die Stuten Fortschritte machten. Mich kümmerte es auch kaum, solange ich nur reiten konnte.

Was mich bekümmerte, waren höchstens die Namen: „Unser kleiner Sonnenschein“, hänselten die anderen Mädchen, die Sonnis Hufen nicht zu nahe kamen. Und „Sonnentau“! Botanisch versiert, weil gedrillt durch den Herrn Doktor, fand ich es ziemlich übel, ein hübsches Pferd nach einer fleischfressenden Pflanze zu benennen. Ich nannte sie Sonja.

Das einschneidende Erlebnis meines jugendlichen Reiterlebens allerdings hatte ich nicht mit diesen beiden Stuten, sondern mit einem Hengst, und zwar nach dem Turnier zur Reithallen-Einweihung.

Bei dem sollte ich in der A-Dressur übrigens die erste und einzige goldene Schleife meines Lebens holen, als Beste von sage und schreibe vier Startern. Und mit einem von einem befreundeten Verein ausgeliehenen Schulpferd namens Rex, auf dem ich nie vorher gesessen hatte und das, dessen war ich mir wohl bewußt, sich die Schleife trotz meiner reiterlichen Einwirkung verdient hatte. In der Gesamtwertung lag ich dann auf dem vierten Platz, und so kriegte ich bei einer einzigen Prüfung gleich zwei Schleifen. Ich hob sie zehn Jahre lang auf. 8)

Die Siegerliste klebte ich aus einem anderen Grund säuberlich ins Erinnerungsalbum: Widerfuhr mir doch hier erstmals die Liebe, eine ganz hoffnungslose. Im A-Stilspringen für Jugendliche siegte ein gewisser Otto auf einer phantasielos „Farbe“ genannten Stute, dem ich schon auf dem Abreiteplatz die Daumen gedrückt hatte. Mit seinem Papa und seinem Bruder zusammen hatte er auch das Stafettenspringen gewonnen. In den verknallte ich mich auf der Stelle und rettungslos – so springen können! Und so ein Wahnsinnspferd haben!

Tja, und wenn ich später in die eiskalten Gummistiefel schlüpfte oder den Elektrodraht aus dem Schnee grub, dann saß dieser Herr Becker in irgendeiner VIP-Lounge in New York oder Stockholm...

« Letzte Änderung: 07. April 2013, 01:26:27 von Tara »
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Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #20 am: 07. April 2013, 01:32:08 »

Zum Turnier jedenfalls waren auch zwei Bauernjungens mit diesem massigen Hengst erschienen, ein wahrer Riese mit dem Namen „He Gaul“. Mindestens zur Hälfte ein Kaltblüter. Mit den anderen Mädchen war ich ausnahmsweise einmal vereint, und zwar in Spott und Hohn. Dieses Schlachtroß gehörte vor den Pflug, die Reiter – „Cowboys“ nannten wir sie abschätzig - konnten nichts, der Sattel hatte seine hundert Jahre auf dem Buckel, die Trense war rostig.

Die Cowboys traten wohlweislich nicht an zur Prüfung. Sie waren auf einmal einfach verschwunden – unter Zurücklassung ihres Hengstes. Man wußte nur, daß die beiden Müller hießen und aus X stammten, etwa sechzehn Kilometer entfernt.

Eine Woche lang stand das Tier bei uns im Stall. Jeder setzte sich mal drauf, ganz kurz allerdings nur, denn der Hengst weigerte sich stumm, eine andere Gangart als Schritt einzulegen. Er quetschte einen gegen die Bande – darin war er Spezialist –, vor allem aber ließ er sich einfach nicht lenken. Er lief, wohin er wollte, und mähte nieder, was ihm im Weg stand, stur wie ein Panzer.

Ich war komischerweise die einzige, die es geschafft hatte, ihn ohne Unfall dreimal um den Springplatz zu bugsieren. Und so wurde ich ausersehen, das liebe Tier nach Hause zu reiten, mich zu den Cowboys durchzufragen und den Hengst notfalls auf deren Hof einfach anzubinden. Man würde mich dann mit dem Motorrad abholen.

Ich ritt frohgemut und stolzgeschwängert los. Anderthalb Kilometer lang ging alles hervorragend. Dann gelüstete es den Hengst nach Gras. Er bekam es, denn gegen seine Nackenmuskeln und sein betonhartes Maul war ich absolut machtlos. Dann schafften wir wieder dreihundert Meter. Und dann kam das Gewitter... Und ich fand heraus, daß ich meine Befähigung zum Panzerlenken maßlos überschätzt hatte.

Der Panzer kam nämlich überraschenderweise gewaltig in Fahrt. Unter Donner und Blitz galoppierte das Schlachtroß auf einmal, in riesigen, holprigen Sätzen. Leider in die falsche Richtung. Und die behielt es auch bei, als es nach einer Ewigkeit endlich wieder in Schritt fiel.

Vom Weg waren wir längst abgekommen; es ging quer über die Felder. Ich hatte mich festgeklammert wie ein Äffchen und war nicht runtergefallen, na ja. Aber der Panzer reagierte auf keine Parade und auf kein Anschreien, es goß in Strömen, ich hatte keine Ahnung, wo ich war, es wurde dunkel, ich fror erbärmlich, der Hengst lief einfach immer weiter, und ich schämte mich, wie sich wohl noch nie ein Mädchen geschämt hat. Gigi saß jetzt bestimmt auf ihrer Pirouschka und war wieder mal der Star der Dressurstunde... Ich heulte Rotz und Wasser. Putzdunkle Nacht war es, als man mich endlich fand. Am anderen Ende des Landkreises.
« Letzte Änderung: 07. April 2013, 01:34:43 von Tara »
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Irisfool

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #21 am: 07. April 2013, 10:11:55 »

Tara, ich habe gerade alles gelesen, Du solltest davon ein Buch machen. den Titel hätte ich schon: Mensch! Erzähl mir nichts vom Pferd! ;D ;D ;D ;D
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Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #22 am: 07. April 2013, 13:09:16 »

Mensch! Erzähl mir nichts vom Pferd! ;D ;D ;D ;D

 ;D ;D

Zu den beiden Sonnenstuten fällt mir übrigens eben noch ein: Ein durchgehendes Pferd soll man auf einen großen Zirkel abbiegen, um es wieder in die Hand zu bekommen... *hüstel* In meinem erwachsenen Reiterleben las ich diesbezüglich in einer englischen Reitlehre den praxisnahen wunderschönen Satz: "Wo das nicht möglich ist, kann nur noch das Glück helfen." ;D ;D ;D
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Crambe

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #23 am: 07. April 2013, 13:21:46 »

Ich kann Irisfool nur beipflichten! Köstlich zu lesen ;D
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"Um ernst zu sein, genügt Dummheit, während zur Heiterkeit ein großer Verstand unerlässlich ist." Shakespeare

Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #24 am: 07. April 2013, 14:30:50 »

Danke. :)

Solchermaßen war es also um die Reitkünste meiner Jugend bestellt gewesen. Dann hatte mein Leben einen gänzlich anderen Weg eingeschlagen. Nur an diesen ganz seltenen Wintertagen – die Luft so klar, der Himmel so blau, daß es an den Herzwurzeln zieht, die Schneekristalle funkelnde kleine Regenbogen – nur dann überfiel mich manchmal der Gedanke: „Und jetzt ein Galopp...“

Und nun saß ich nach zwanzig Jahren zum ersten Mal wieder zu Pferd. Spürte seine Wärme. Roch Pferd. Roch Leder, Sattelseife, Hallenstaub. Ich war zu Hause. „Ich muß verrückt gewesen sein. Ich hab’ zwanzig Jahre meines Lebens verschenkt!“ Das platzte mir so raus, ich genierte mich sehr. Birte strahlte mich nur an.

Ich ordnete die Zügel, es kam alles zurück, es ging ganz automatisch. Hacken runter – hui, zog das in den Waden! -, Hände aufrecht. „Tara! Der Daumen muß ein Dach bilden!“ Nix Automatik. Wie zum Teufel kann jemand eine geschlagene Stunde lang seine Daumen Dächer machen lassen?! Meine waren wild entschlossen, ein Eigenleben zu führen. Schon hier war klar: Es galt, wieder ganz von vorne anzufangen.

Oh weh, jetzt sollte die Borowskifrau vorn an der Spitze – Tete, korrigierte ich mich sogleich – antraben. Antraben! Leichttraben! Bei jedem zweiten Schritt aufstehen, das wußte ich ja noch, aber bei welchem?

„Ja, geht doch schon ganz gut“, lächelte Birte. Eine kundenfangende Übertreibung! Nichts ging gut! Es ging nämlich überhaupt nicht! Hoffentlich mußten wir nicht galoppieren. Ob ich wohl noch so gut runterfallen konnte wie früher?

Frau Boroswki mußte galoppieren, während Herr Borowski als Bremsklotz für unsere Pferde eingesetzt wurde. Sie machte es sehr gut, ich starb fast vor Neid. Jetzt war er dran. Einmal um die Bahn – ausgezeichnet! Mein Sattel wurde zusehends rutschiger. Jetzt Hans! Verdammt, der Kollege galoppierte! Und schnaufte auch nur ganz wenig, als er zu uns aufschloß.

„Manner und Heidekraut!“ Nein! Nei-en! Doch mein Manni spitzte die Ohren, er galoppierte tatsächlich an, Augen auf Birte gerichtet; was ich wollte, war dem lieben Tier völlig schnuppe. Die Zunge schaukelte rhythmisch. Ich behielt den Lappen fest im Blick, damit ich nicht die viel zu schnell vorbeirasenden Wände ansehen mußte. „Gut! Nicht so steif in der Hüfte, Tara!“ brüllte Birte. Ich mußte warten, bis der liebe Manni irgendwie wieder in Schritt gefallen war, bis ich Puste fand: „Ich bin steif!“ „Das muß sich ändern“, meinte Birte lakonisch.

Das mußte sich ändern.
« Letzte Änderung: 07. Juni 2020, 19:28:05 von Tara »
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Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #25 am: 07. April 2013, 16:26:28 »

„Warum bist Du so still?“
„Ich bin schüchtern.“ Daß ich nach dieser Reitstunde wie in Trance war, mußte ich ja nun nicht rausblöken.
„Schüchternheit paßt nicht zu Deinen Haaren“, meinte Hans, „wenn Du Dauerwellen hättest und vorstehende Augen, könnten wir drüber reden.“
„Eine Hasenscharte wäre auch hilfreich“, sagte Birte. Die schien zu uns zu passen. „Wann kommt Ihr wieder?“
„Morgen!“
„Hast Du keine Familie?!“, fragte Hans. Heike sah ihn strafend an – meine Scheidung lag erst ein paar Wochen zurück. Wir einigten uns auf zweimal die Woche.

Dann spielte Hans erstmal den Fremdenführer im Reitinstitut. Die alte Halle: 20 x 40, recht dunkel, aber sehr schön. Hier fanden Longenstunden, Anfängerunterricht und das Voltigieren statt. Ständer und Boxen für 22 Schulpferde, Tribüne. Umkleidekabinen, eine kleine Bar, eine schmuddelige Dusche, alle lange nicht benutzt. Und die neue Halle, in der reiten zu dürfen jeder Anfänger bestrebt war: 20 x 60, Tribüne und alles Pipapo, recht großes bewirtschaftetes Casino, das sich „Stübchen“ nannte, mit Panoramafenstern in die Halle und, falls gewünscht, Lautsprecherübertragung von dort. Sie wurde oft gewünscht (allerdings nicht von mir!).

50 Meter weiter „Der Hof“ – ein wunderschönes altes Vierseit-Hofgut. Das waren die höheren Weihen: Hier standen die Privatpferde, knapp 40, und zwar gute bis teils sehr gute. Und ein paar hundert Meter weiter der Billigableger, die Feldscheune, mit nochmal 15 Boxen. Das ganze war ein privates Institut, aber fast deckungsgleich mit dem Reitverein. Fast – denn es gab noch einen (natürlich zweitklassigen) Reitstall ein paar hundert Meter weiter. Und  eine Reihe von kleinen Ställen im alten Ort. Insgesamt 160 Pferde, erklärte Hans, der eben einen Artikel über das „Reiterdorf“ geschrieben hatte. Es gab außerdem einen Springplatz am Fluß und ein wenig weiter weg einen wirklich anständigen Militaryplatz.

Zweimal die Woche ritten wir nun also vor dem Dienst. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so früh aufgestanden. Hans organisierte eine Kaffeemaschine, wir reaktivierten die alte Dusche und fanden alles wunderbar. Und weil von meiner früheren Reiterei doch ein wenig übriggeblieben war, setzte mich Birte bald an die Tete (wie geht das Azzeng Zirkumflex?!), woraufhin die Borowskis beleidigt erklärten, sie seien nun fortgeschritten genug für die neue Halle.

Übrigens - Tete oder nicht: "Sei nicht so steif, Tara!" "Ich bin steif!"  ::)  :P
« Letzte Änderung: 07. Juni 2020, 19:31:40 von Tara »
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Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #26 am: 07. April 2013, 16:55:22 »

Nun ritten wir mit den Lülfs. Die Lülfs dachten, sie könnten reiten, weil sie in einem Urlaub mal auf einem Pferd gesessen waren (schon verloren!). Sie waren auch ein paar Mal beim Kaffee dabei, aber das einzige Lülfsche, an das wir uns je erinnern konnten, war deren im Urlaub gewonnene Überzeugung: „Wenn es eng wird – gezielt weghechten!“  ;D  ;D

Während wir „von der Zeitung“ schnell bei allen bekannt waren und ich mich am Rande dieses Mikrokosmos aus Pferden, Bereitern, Pflegern, Reitschülern, Privatpferdebesitzern und diversen Hunden (nicht zu vergessen Birtes Kater, die bei ihrem Unterricht gerne auf der Bande saßen) bald häuslich einrichtete, kannte die Lülfs kein Mensch, obwohl bald jeder gerne über sie lästerte. Sie sahen auch irgendwie überhaupt nicht aus. Leute, die man sofort vergaß. Sie konnten neben einem stehen, ohne daß man sie erkannte. Das hatte seine Nachteile.

„Wer sind die Lüfs überhaupt?“ wurden wir gefragt, „wie sehen die aus?“
„Lülf“, antwortete Hans. „LLL, soviel Zeit muß sein.“
„Sie sehen überhaupt nicht aus“, meinte Heike, „nur so wie Leute, die man immer vergißt.“
„Sie stehen immer neben einem, wenn man gerade über sie lästert“, gab ich meinen Senf dazu. Hinter mir ertönte ein Hüsteln – da standen sie, die Lülffs.  :-[  :-[  8)

Die Lülfs suchten sich daraufhin eine Nachmittags-Anfängerstunde. Als ich einige Wochen später nach dem Dienst zur Halle fuhr, kam mir ein Krankenwagen entgegen. Ich fragte nach: Der Ilsch hatte seinen Reiter abgesetzt und war durch die Bahn getobt. Statt den Reitlehrer machen zu lassen, hatte Herr Lülff (er konnte ja reiten!) auf der Dana versucht, den großen Schimmel einzufangen. Das konnte nicht gut gehen.
„Und?“
„Naja, es wurde eng. Und da ist er weggehechtet.“
Nur schlecht gezielt: Mit dem Kopf gegen die Bande…
« Letzte Änderung: 19. September 2021, 19:06:56 von Tara »
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Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #27 am: 07. April 2013, 17:17:25 »

Inzwischen ritt ich viermal die Woche. „Guuut, Tara, aber sei nicht so steif!“

Motorische Schwierigkeiten hatte ich schon immer gehabt. Der Turnunterricht war eine Qual gewesen, und als ich mich später mal überreden ließ, in die Gymnastikstunde zu gehen – einmal und nie wieder! -, nahm mich die Übungsleiterin zur Seite: „Frau Tara, ich glaube, Sie brauchen eigentlich eine andere Art von Gymnastik. Also, ähm, Sie werden mir’s nicht übelnehmen – ich denke, so eine... so eine Art von Behindertengymnastik.“

Ich brachte also wirklich nicht die richtigen Voraussetzungen mit. Kein Talent fürs Reiten, bei mir half nur üben und noch mehr üben.

Reiten wollte ich, Sport bekam ich. Daß meine Waden in keinen regulären Stiefel paßten, lag nicht an einem Übermaß an Muskeln! Ich fuhr nicht mehr mit dem Aufzug. Ich lief auch die längste Treppe nur noch auf Zehenspitzen hinauf. Stellte die Füße auf die Waschmaschine, um Sehnen und Bänder zu dehnen. Versuchte vor dem Spiegel den Bauch einzuziehen. Der wollte sich kaum einziehen lassen. Klappmesser! Jeden Morgen kamen nun Klappmesser hinzu. Zweimal die Woche ging ich schwimmen.

Ich war mittlerweile zu den Wochenblättern strafversetzt worden, nach einer politischen Diskussion mit dem Chefredakteur, die ich in großer Naivität und unter totaler Mißachtung der Machtverhältnisse selbst heraufbeschworen hatte. Das stellte sich als wahrer Segen heraus: Nun konnte das wirklich anfangen mit dem Reiten. Ich konnte mir nun nämlich meine Zeit frei einteilen – ich hatte nur den wöchentlichen Andruck zu berücksichtigen. Arbeiten wie bekloppt, Andruck, und dann – Pferde!

Das erste Ziel: Der Reiterpaß. Der Stall bot mehrmals die Woche teils mehrstündige Geländeritte an (und sogar Ganztags- und Zweitagesritte), aber ohne Reiterpaß lief da nichts. Und dafür mußte man springen können. Und dafür mußte man Cavalettistunden nehmen. Und die waren der Horror.
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Re:Was vom Pferd
« Antwort #28 am: 07. April 2013, 19:09:00 »

Die Anfänger-Cavaletti-Stunde war nämlich der lokale Kino-Ersatz. Einige Leute aus dem Dorf kamen regelmäßig jeden Mittwoch vorbei – hier war immer was los! Und die fortgeschrittenen Reiter – nicht die wirklich guten, wenn die uns überhaupt zur Kenntnis nahmen, dann höchstens als die Objekte des Mitleids, die wir waren - holten sich im Reiterstübchen was zu trinken und setzten sich dann in die alte Halle. Pünktlich um 19 Uhr senkte sich erwartungsvolle Stille über den Raum. Reitlehrer kontrollierten Sattelzeug, schleppten Stangen, schnallten Bügel höher und noch höher. Und dann fing das Lästern an... Zugeguckt hatten wir schon. Wir wußten also, was uns heute erwartete.

Birte legte Trabstangen auf den Boden. Wir trabten.
„Tara! Du mußt nicht auf den Boden gucken! Das kann die Dalli ganz allein!“
Ich hatte nicht den Eindruck, denn Dalli stolperte immer wieder. Und gerade vor den Zuschauern wollte ich doch alles richtig machen!
Auf der Tribüne wurde es lebhaft; die Vorstellung hatte begonnen. Erstes Kichern wurde laut. „Schau mal der kleine Dicke da hinten. Der kann einem ja leid tun“, tuschelte es. Armer Kollege! Der Hans konnte einem wirklich leid tun.
„Und die mit den kurzen Haaren. Die fällt gleich vor Angst runter. Die Dalli sieht jetzt schon so aus, als hätte sie die Schnauze voll von ihr!“
Na klasse, das fing ja gut an. Birte stellte auf der langen Seite ein Cavaletti auf. Richtig bösartig sah es aus.

„Tara!“ Oh nein. Nicht als erste!
„Auf den Zirkel geritten. Antraben. Bei C angaloppieren.“
Dalli galoppierte an. Noch zwei Galoppsprünge, das Cavaletti! Dalli machte eine Vollbremsung. Ich fiel fast runter.
„Oh, Tara!“ stöhnte Birte.
„Dalli will nicht springen“, gab ich bekannt.
„Weil Dalli ein nettes Pferd ist und weiß, daß du nicht springen willst. Noch mal auf den Zirkel!“
Gar nicht so einfach, denn Dalli meinte, ihre Pflicht getan zu haben, als sie wieder hinter den anderen stand. Die Zuschauer amüsierten sich königlich. Ich weniger.

Jetzt endlich. Antraben. Angaloppieren. Das Cavaletti! Das Cavaletti starrte mich drohend an.
Mein Pferd stand.

„Schon zweimal verweigert“, jubelten die Zuschauer.
„Los, Tara, trau dich!“ zischte Birte mir zu.
Ich trabte an. „Angaloppieren zum dritten“, kreischte es auf den Rängen. „Los, Dalli!“ schrie ein anderer und schnalzte ermutigend. „Und hopp!“
Dalli galoppierte. Und diesmal, tatsächlich, hopste Dalli – einen Meter neben dem Cavaletti tat sie einen sauberen kleinen Sprung. Und stand wieder.

Mir tropfte der Schweiß unter dem Helm hervor, die Kopfhaut juckte. Ich wollte gern den Helm abnehmen, kriegte aber mit den Handschuhen nicht die Schnalle auf. Ich wollte auch sehr gern einige Zuschauer erwürgen.

Birte trat zu uns: „Nur die Ruhe. Tu, als wären die nicht da.“
Ich warf ihr einen verzweifelten Blick zu. Hilfe!
„Wolltest du nicht reiten lernen?“, grinste Birte. „Nimm die linke Hand ein bißchen höher vor dem Sprung.“
Das wirkte. Ich straffte mich. Reiten lernen! Springen gehört dazu. Und jetzt springe ich. Ich springe jetzt. Da, der Hans schafft das doch. Er hatte zwar einen üblen Buckel gemacht, aber er war gesprungen. Das Publikum applaudierte. Verdammt, was der Kollege kann...

Und da, Heike! Die Zuschauer kreischten begeistert, als Heike sich über dem Cavaletti beträchtlich von ihrem Pferd entfernte und, Beine weit gespreizt, ohne jeden Körperkontakt in der Luft schwebte, aber irgendwie fanden sie und Waldfee nach dem Sprung wieder zusammen. Heike lächelte stolz.
„Heike! Schon ganz gut, der Hubschraubereffekt!“

Jetzt die Lülfs. Ich schaute gar nicht hin, versuchte, regelmäßig zu atmen und meine Ohren zu verstopfen.
„Tara! An---traben! Noch mal rum!“
„Was?“
„Noch mal auf den ZIRKEL!“ brüllte Birte. „An---ga-lopPIEREN!“
Ich galoppierte an, das verfluchte Cavaletti, ich fixierte es, als säße der Chefredakteur drauf, los Dalli, eins und zwei und -, hielt meine linke Hand wohl gut auf Schulterhöhe – und Dalli sprang! Ich sprang! Ich hatte es tatsächlich beim ersten Mal geschafft! Die Zuschauer waren wie ein Mann auf die Füße gesprungen und klatschten höhnisch.

Keine Lobeshymne von Birte. „Na also“, sagte die nur, „aber stech’ dir nicht die Augen aus mit der inneren Hand! Frau Lülf! AUF dem Zirkel geritten, habe ich gesagt, nicht DURCH DEN Zirkel wechseln!“
« Letzte Änderung: 22. April 2013, 23:00:14 von Tara »
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Tara

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Re:Was vom Pferd
« Antwort #29 am: 07. April 2013, 19:31:14 »

Cavalettistunde zum zweiten:

Die Zuschauer rutschten schon unruhig hin und her. Mir rutschte das Herz in die Hose. Bis auf etwa Knöcheltiefe.

Hans knallte Waldfee über dem Sprung voll in den Rücken, löste sich mit großer Zeitverzögerung etwas vom Sattel und landete offensichtlich sehr schmerzhaft auf der Sattelkammer. Er fluchte. „Sei ein Mann, Hans!“ ermunterte ihn Heike. „Noch so’n Sprung, und ich bin keiner mehr“, quetschte Klaus zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Jetzt Tara mit Duplo. Ich erinnerte mich an den alten Spruch: Wirf dein Herz über das Hindernis... Ich warf mein Herz. Duplo warf das Cavaletti um. Das war ein feiner Erfolg für meine Zuschauer: „Schau dir doch die Alte an!“ „Was macht die überhaupt schon hier! Die lernt das nie!“

Ich war geneigt, ihnen zuzustimmen. Mir tropfte der Schweiß aus dem Helm. IchWILLreitenlernen. Ich lerne reiten.

Neuer Anlauf. Wirf dein Herz... Ich warf, mit allem, was ich hatte. Dubi warf sich hinterher. Er tat einen mächtigen Satz! In der Millisekunde, bevor ich hilflos die Augen schloß, erhaschte ich den Anblick der Hallenbewässerung knapp über mir. Sie war staubig.

„Tara, das ist ein Cavaletti! Doppeloxer kommen später“, erklärte Birte trocken. „Doppeloxer!!!!“ kreischte es von der Tribüne, „bau ’nen Doppeloxer auf!!“
Ich konnte mich nicht um sie kümmern, denn ich hing irgendwo auf der linken Seite des Sattels und hatte Mühe, wieder in die Mitte zu kommen.

Birte drehte zu voller Lautstärke auf: „Ist jetzt endlich Ruhe auf den billigen Plätzen!!!“ Sie war ernsthaft böse.
„Tara, du bist zu steif. Du muß mehr in der Hüfte mitgehen“, erklärte sie mir hinterher.
„Bin ich doch! Bin ich nicht?“
„Na jaa, ne.“

Ich war ratlos. Noch mehr in der Hüfte mitgehen? Heike, die keineswegs eine bessere Figur gemacht hatte als ich – und steif war sie wie ein Stück VA-Stahl -, schlug mir vor, einen Hula-Reifen zu kaufen. Oh Mann. Neinnein. Beine auf die Waschmaschine, Klappmesser, Treppen auf Zehenspitzen, Grätschen. Und jetzt noch ein Hula-Reifen? Das fehlte gerade noch. Also irgendwo hört’s auf.

Morgens um acht stand ich im größten Spielzeuggeschäft am Platze. Diensteifrig eilte eine Verkäuferin auf mich zu. Keinen Tag älter als achtzehn, mit diesen ellenlangen Beinen. Und SCHLANK! Ich kam mir neben ihr vor wie eine Kuh. Vom Fleischtyp. Ich will reiten lernen, sagte ich mir vor, Ich. Will. Reiten. Lernen. Ich muß beweglicher in der Hüfte werden.
„Ich hätte gern einen Hula-Reifen.“
„Einen was?“
„Einen Hula-Reifen.“
„Hula-Hoop-Reifen?“
Hula-Hoop-Reifen. Jeanshosen. Haarfrisur. „Ja, einen Hula-Hoop-Reifen. Hätte ich gern.“
Sie maß mich erstaunt: „Oh, die sind aber wirklich seit Jahren aus der Mode. Seit Jahren. Ich müßte vielleicht mal im Lager nachsehen...“
Aus der Mode. Na laß mal, Mädel. Du wirst auch mal vierunddreißig.
Das Mädel kam zurück: „Drei haben wir noch da. Gelb, pink und blau. Welche Lieblingsfarbe hat denn ihr Kind?“
Ich lachte entschuldigend: „Das Kind bin ich. Ich nehme den blauen.“
Die Verkäuferin musterte mich von oben bis unten und zurück. Ein Licht ging ihr auf. Sie lächelte mich verstehend an: „Gut für die Figur, nicht?“
Die Fetzen meiner Würde um mich raffend, schlich ich mit meinem Reifen davon. Von diesen Demütigungen war bei Horst Stern nicht die Rede...

Aber abends konnte ich es plötzlich kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Mit dem Hula-Reifen war ich als Kind gar nicht so schlecht gewesen.
Auf der Treppe sah mich meine Hauswirtin: „Na, was machen sie denn jetzt? Ein Hula-Hoop-Reifen! Ist gut für die Figur, nicht?“
„Stimmt!“
Ich zog die Vorhänge vor - mein Nachbar auf der anderen Straßenseite hätte die Bauchtanz-Vorstellung bestimmt sehr genossen - und stieg in den Hula-Reifen. Mit den Händen Schwung gegeben – und... Hula!

Nix Hula, Platsch.

Noch mal. Der Reifen platschte wieder zu Boden, wackelte dort noch zweimal höhnisch auf und ab. Ich schaute zornig zurück. Ich. Will. Reiten lernen!

Hula zum dritten. Diesmal gehorchte das Ding. Ich schaffte es dreimal rum! Verdammt, als Kind hatte ich den Reifen bis zum Kinn bringen können und dann bis in die Kniekehlen und wieder rauf. Probieren wir’s mal linksrum. Linksrum ging es gar nicht.

Es hatte zu gehen! Ich wollte ins Gelände. Dafür brauchte ich den Reiterpaß. Dafür mußte ich springen können. Und wenn ich dafür mit dem Hula-Reifen üben muß, dann tu ich das! Ich übte, bis ich blau im Gesicht war. Allmählich ging es besser. Es mußte sogar beträchtlich besser gehen, denn Hans bewunderte am nächsten Tag ironisch meinen ganz neuen Hüftschwung.

Auch die Cavalettistunden klappten allmählich etwas besser, ja, ich bildete mir ein, Heike und Hans jetzt tatsächlich schon ein bißchen voraus zu sein.

Aber so richtig war mein In-der-Hüfte-mitgehen immer noch nicht. Ich verstand einfach nicht, was die Reitlehrer meinten! Birte und ihr Kollege Kaiser (es gab drei Reitlehrer plus diverse Lehrlinge, von denen noch der jüngste besser reiten konnte, als wir es jemals können würden) waren sich ausnahmsweise einmal einig – ich war zu steif, ich ging nicht genug in der Hüfte mit.

Auf meine Bitte hin mischte sich Gertrud unters Publikum, die Inhaberin des Reitladens, die ich beim mehrmaligen Abmessen meiner Reitstiefel (wie gesagt, die Waden waren nicht Konfektionsgröße) gut kennengelernt hatte. „Du bist einfach zu steif“, murmelte sie hinterher. „Du schwingst nicht richtig in der Hüfte mit! Dein Rücken sieht aus wie ein Brett!“ Sehr hilfreich. WAS machte ich aber falsch? Ich tat mein möglichstes. Ich war ganz überzeugt, es richtig zu machen! Wenn ich doch beim Springen nur gleichzeitig in den Spiegel sehen könnte!

Ich war wirklich verzweifelt.
« Letzte Änderung: 07. April 2013, 19:34:00 von Tara »
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Den Teufel spürt das Völkchen nie / und wenn er sie beim Kragen hätte. - Goethe, Faust
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