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Autor Thema: Was vom Pferd  (Gelesen 55625 mal)

Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #345 am: 22. September 2021, 13:11:44 »

„Gute Jagd!!“ wünschte der Jagdherr sodann, die Hörner schmetterten, und die Equipage machte kehrt und schritt mit den Hunden wieder zum Tor hinaus. Wir Reiter ordneten uns hinter den jeweiligen Feldführern ein; ein wenig auf Zack mußte man dabei schon sein, es war doch ein bißchen schwieriger als das Einfädeln auf der Autobahn, was ja schon viele Leute nicht hinbekommen. Ich hielt mich dicht bei Birte.
.
Die Wege durchs Schloßgelände waren Schulter an Schulter von erwartungsfrohen Zuschauern gesäumt, wir ritten vorbei an den zwanzig tuckernden Schleppern, die sie transportieren würden. An einem Seitenweg stand aufgereiht, was nach allen Kutschen des Landkreises aussah, alle feingemacht mit feingemachten Insassen. In der ersten der Jagdherr, der alte Herr Jagott, der in seinen jüngeren Jahren das erste Feld direkt hinter der Equipage angeführt hätte. Die Fahrer würden wie das Schrittfeld eine verkürzte Strecke nehmen und uns unterwegs immer wieder einmal treffen.
.
Dann das freie Feld - an seinem Ende schon der erste Sprung, damit die Zuschauer noch was davon hatten - und Halt. Ich erschrak bis ins Mark. Das freie Feld war ein Sturzacker, etwas, was man sonst tunlichst vermeidet. Tiefer Boden ist des Teufels. Tiefer Boden für einen halb durchgedrehten Tignous war der Teufel im Quadrat.
.
Horngeschmetter, „Schleppe ab!“ Der Schleppenleger vorn galoppierte los und legte die erste Schleppe. Man wartete, bis er außer Sicht war. Die Anspannung der „Herde“ wuchs. Ehrfurchtsvolles Schweigen der Reiter, als die Hunde angelegt wurden. Der Master gab die Hunde frei; sie bellten, als sie die Spur erschnüffelt hatten - es heißt aber hier nicht Bellen, sondern Geläut, in meinem Kopf spulte sich nach wie vor jede Menge Jagdliteratur ab. Hocherregtes Schnauben und Prusten und Wiehern und Scharren von siebzig Pferden, das eine oder andere stand schon auf den Hinterbeinen. Mein Ti war kurz davor, es ihnen gleichzutun, ich spürte sein Herz schnell schlagen, durch den linken Stiefel hindurch, so erregt war der Kerl. Aber ich kaum minder, vermutlich spürte er meinen Herzschlag ebenso…
« Letzte Änderung: 24. September 2021, 00:14:31 von Tara »
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Waldschrat

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #346 am: 22. September 2021, 14:45:45 »

Boah - wie im Fernsehen - immer, wenn es spannend wird, kommt eine (Werbe)pause  :(
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #347 am: 22. September 2021, 14:49:13 »

Ich bin doch am Putzen! Vermutlich hätte ich warten sollen, bis ich's fertiggeschrieben habe, aber da wäre mir vielleicht wieder die Motivation flötengegangen. Schrittweis zerlegt ist es für mich leichter. Heute abend kommt mehr. Dafür ist die nächste lange Geschichte dann schon fix und fertig. *versprech*  ;)

« Letzte Änderung: 22. September 2021, 15:03:29 von Tara »
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Waldschrat

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #348 am: 22. September 2021, 14:58:24 »

 :D
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Bufo

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #349 am: 22. September 2021, 15:30:47 »

Wenn der geneigte Leser sich je hinter einem Pferdehänger im Stau befinden sollte – es wäre nett, wenn er dann ein wenig Abstand halten würde, danke!

 ;D

Wenn der Autofahrer auf der Autobahn einen Pferdeanhänger vor sich hat, dann ist immer Abstand geboten.

Ganz besonders dann, wenn das Pferd genauso gemütlich sitzt wie vorne der Fahrer - und zwar mit dem Hintern auf der Klappe. Der Schweif weht im Winde und der Po hängt so weit draußen, dass man als Hinterherfahrer nur hoffen kann, dass die Verriegelung nicht bricht.

Da kommt man ins Grübeln, ob der Fahrer die tiefenentspannte Reisehaltung seines Pferdes kennt und die Riegel vor Antritt der Fahrt besonders gründlich prüft.
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Beste Grüße Bufo

Jule69

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #350 am: 22. September 2021, 17:41:15 »

Tara:
Mach bitte weiter! Du kannst doch nicht mittendrin aufhören  :o
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Liebe Grüße von der Jule
Es genügt nicht, mit den Pflanzen zu sprechen, man muss ihnen auch zuhören.

Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #351 am: 22. September 2021, 22:07:40 »

Ganz besonders dann, wenn das Pferd genauso gemütlich sitzt wie vorne der Fahrer - und zwar mit dem Hintern auf der Klappe. Der Schweif weht im Winde und der Po hängt so weit draußen, dass man als Hinterherfahrer nur hoffen kann, dass die Verriegelung nicht bricht.

Jessas. Ich wäre zu Tode erschrocken. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, ob ich versucht hätte, den Fahrer zum Anhalten zu bewegen, andererseits könnte ihn genau das zu einem Fahrfehler veranlassen. Gesund ist das jedenfalls nicht. :P
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #352 am: 22. September 2021, 22:08:37 »

Mit einem „Gute Jagd“ gab der Master endlich die Schleppe für die Reiter frei. „Gute Jagd!“ kam es aus siebzig Kehlen zurück. Siebzig Pferden schoß eine Woge von Adrenalin in den Schädel und in die Beine (Zwischenrufe von Biologen und Chemikern nicht erwünscht). O Schitte, wenn das mal gutging, ruhig, Brauner!
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Die Equipage zog an und galoppierte aus dem Stand hinter den Hunden her. Und schon übern Sprung. Das erste Feld zog an. Mit Abstand das zweite. Birte vor mir, ich würde mich hinter und rechts von ihr halten. „Strich reiten, auf Lücke reiten, einmal eingenommene Position nicht mehr aufgeben, um Unfälle zu vermeiden “ sagte mein Hirn ungefragt. Und weiter sagte mein Hirn ungefragt, daß mein Ti sich schon hier auf diesem elenden Acker alle vier Beine brechen würde, und ich konnte ihn nicht mal mehr davon abhalten.
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Die groben Schollen sahen ja sowas von tückisch aus. Ich blickte zum Vordermannn, um sie nicht sehen zu müssen. Aber nein, wir überlebten den verdammten Acker, ich hatte sogar das Gefühl, es wüchsen meinem Ti noch vier Beine dazu und er tanzte da wie Sleipnir drüber, fast ohne den Boden zu berühren… Haha, nur wollte er mit diesen acht Beinen mindestens doppelt so schnell wie angesagt zu Turi aufschließen und sich am liebsten an die Spitze des ganzen setzen. Himmel, was hatte ich ein Schaff‘! Und so von schräg hinten sah es aus, als ob es Birte mit Arturo nicht viel besser erging. Vorne sprangen sie in einer großen Welle, unser Feldführer manövrierte uns mit Sicherheitsabstand am Sprung vorbei.
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Ein großes Stoppelfeld - wie ich von den Vorstandssitzungen wußte, bezahlte der Kreisreiterbund die Bauern dafür, mit dem Pflügen bis nach unserer Jagd zu warten -, hier war besser laufen, die Hunde weit vorne waren nun in voller Jagd, wir gewannen an Tempo. Es gibt nichts schöneres, als auf einem Stoppelfeld zu galoppieren! Allerdings wäre es noch schöner, wenn das eigene Pferd etwas weniger ehrgeizig wäre…! Nach geschätzten zwei Kilometern Galopp war die erste Schleppe zu Ende, und meine Nerven auch; es ging eine Weile zum Ausschnaufen (für die Hunde, die waren alles, was heute zählte) im Schritt weiter, dann ein kurzer Aufenthalt, als die Hunde erneut angelegt wurden – Birte, das Gesicht gerötet, ritt ein, zwei Volten, um Arturo wieder besser in die Hand zu bekommen, - und - Gib ihm! Weiter gings schon wieder im vollen Galopp.
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20 oder mehr Hunde läuteten, der Wind sang mir in den Ohren, Erdklümpchen von den Hufen des Vordervorderpferdes trafen mich im Gesicht, immer wieder Hörnerklang, wir galoppierten und galoppierten; durch eine Lücke in der Hecke sah ich kurz die Gespanne, auch sie aufgeregt, und schon vorbei.
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 „Pferd und Reiter werden zum Kentauren,“, spuckte mein Hirn aus, „So kann der Reiter erfahren, dass sich sein Wille aufs Pferd überträgt, daß er eins wird mit ihm....“
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Hähä. Kentaur? Tignous und ich wurden nicht nur nicht eins, nein, wir sollten zweimal in Gefahr stehen, uns körperlich ganz und gar voneinander zu trennen. Und wenn sich ein Wille auf den anderen übertrug, dann der meines Pferdes auf mich, nämlich: allen Verstand in den Wind schießen, quietschen, Augen zu und durch!
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Noch ein gepflügter Acker, und drüber, Dreckklumpen flogen, und Schritt, zweite Schleppe vorbei. Die Bläser blusen. Hatte ich vorher schon Mühe gehabt, mein Tier zu halten, so wurde es jetzt erst recht schwierig, er hatte „Rennen Herde Rennen“ im Kopf und fand Schritt unnötig, Erholung unnötig, los, weiter, weiter! Ich hörte Birte leise fluchen, der ging‘s mit Arturo ebenso. Ich versuchte, mir den Dreck von der Backe zu wischen.
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Hinter der Hecke zur Rechten ertönte das Rufhorn, die Meute mußte einen halben Kreis geschlagen haben. Ti tat einen riesigen Satz zur Seite wie ein aufgeschrecktes Karnickel und rempelte fast ein anderes Pferd an, ich konnte mich gerade eben so halten. Ich begann, mich wortreich zu entschuldigen, aber da ging’s auch schon weiter.

« Letzte Änderung: 24. September 2021, 00:22:31 von Tara »
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #353 am: 22. September 2021, 22:11:19 »

Nach der dritten Schleppe war auf einer großen Wiese am Waldrand der erste von zwei Stops
angesagt. Hier trafen alle drei Felder, die Kutschen und die Zuschauer aufeinander, es war ein unbeschreibliches Gewusel; am Rand standen große Wannen mit Wasser, damit sich die Hunde mit einem kurzen Bad abkühlen konnten, das kannte ich ja schon. Man mußte absitzen, und wer wollte, konnte sich etwas zu trinken besorgen. Wir wollten, und belegte Brote gab es auch, und die wollten wir ebenso – ich hatte vorher vor Aufregung überhaupt nichts gegessen -, aber das gestaltete sich insofern als schwierig, als das alte Jagdpferd Arturo kaum noch zu halten war.
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Birte saß also leise fluchend wieder auf die vor Aufregung klatschnasse „gemütliche Lebensversicherung“ auf und ritt, in der linken die Zügel, in der rechten das Leberwurstbrot, einen Kringel nach dem anderen, um ihn besser kontrollieren zu können. Die Gurke fiel runter, das Schwätzchen mit Bekannten – Auch hier? Haben wir nicht bestes Wetter!? (es war nebelig-feucht, wie es für die Hundenasen sein soll) und dergleichen, gestaltete sich so ein wenig schwierig, um nicht zu sagen einsilbig. Ich trottete ihr mit meinem Salamibrot hinterher wie Sancho Pansa dem Don Quichotte, und wir schlugen Volte um Volte - wir waren übrigens nicht die einzigen! Nur die alten Hasen aus dem ersten Feld sahen völlig lässig aus -, ängstlich darauf bedacht, nur niemanden zu stören, und vor allem von den Hunden fortzubleiben. Und *räusper* von umherlaufenden kleinen Kindern. In einem Melée von siebzig und mehr Pferden und so weiter ist so ein kleines Kind schon sehr klein.
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Die Bläser brachten ein Ständchen. Dann plötzlich das Signal „Aufsitzen!“, der Schleppenleger war schon längst fort, alles schwang sich in den Sattel, und weiter ging‘s in vollem Galopp, und es fällt hoffentlich auf, daß ich noch nicht „über Stock und Stein“ geschrieben habe, und das werde ich auch nicht, denn das steht in jedem Zeitungsartikel über jede Jagd, und nix regt die Jagdreiter mehr auf! Denn natürlich ritten wir, solange wir unsere Pferde im Griff hatten, eben nicht über Stock und Stein, sondern über eine in mühevoller Arbeit mit viel Überlegung sorgfältigst ausgearbeitete und präparierte Strecke. Es gab eigentlich ja sogar vier Strecken: Erstes Feld, zweites Feld (wir mußten ja umgeleitet werden, wo etwa ein Sprung auf schmalen Wegen den ganzen Weg für Nichtspringer sperrte), Schrittfeld, Kutschen/Schlepper.
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Ab und an verloren die Hunde den Scent und mußten suchen, da hielten sich die Reiter weitab, um sie nicht zu stören – es wäre ein großer Gesichtsverlust gewesen, etwa die Spur zu kreuzen!  Und sehr spannend, wie so ein Hundepack dabei vorgeht! Wenn sie sie wiederhatten, gaben sie laut Hals, und begeistert flitzten die Hunde wieder davon, die Felder setzten sich in Bewegung, und der nächste Galopp!
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Ein Kieselstein traf mich schmerzhaft auf die Lippen, aber egal, besser als auf die Brille, zum Glück war mir der Mund nicht offengestanden (der blaue Fleck auf der Oberlippe trug mir die nächsten Tage in der Redaktion allerlei Bemerkungen ein). Ein zweites Mal ging ich fast koppheister: Plötzlich hatte ich kein Pferd mehr vor mir, das war ein gemeiner Rumpler – doch Ti mit den acht Beinen fing sich zum Glück wieder, ehe er ganz zu Boden ging, und kam sofort wieder hoch, und ich konnte es aussitzen.
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Birte und ich waren übrigens nicht die einzigen, die eeeeeeeetwas Mühe mit ihren Pferden hatten: Von hinten wollte ein Pferd überholen, und Ti schlug heftig aus. Auch das saß ich aus, aber au weia, da würde ich mich nochmals entschuldigen müssen – „ein Schläger hat im Jagdfeld nichts zu suchen, er hat eine rote Schleife zu tragen und am hinteren Feldrand zu bleiben“. Nur hatte ich bis dato nie erlebt, daß Ti ausschlug! Vermutlich war es „Wenn hier einer rennt, dann ich!“, und der andere war wirklich viel zu nahe aufgeritten, aber es war trotzdem arg peinlich, weil gefährlich.
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Beim zweiten Stop – Procedere wie gehabt – sahen wir dann doch noch die Kunerts. Gernot machte ein sehr langes Gesicht, und er hatte Grund dazu. Nein, sie waren nicht als Cowboys erschienen; wer immer es ihnen ausgeredet haben mochte, hatte meinen Respekt. Sie trugen schwarzweiß. Aber halsstarrig, wie Gernot war, hatten sie tatsächlich die Westernsättel genommen. Dabei hatten sie eine halbe Kammer voll feinstem englischen Leder zu Hause! Und wenn sie wenigstens zurückhaltende Satteldecken genommen hätten! Aber die wirklich geschmacklosen Pads aus dickem Plüsch leuchteten weithin – maisgelb, babyblau und knallerot. Da war nun Gernot um Maries willen im Schrittfeld (er selbst hätte im zweiten Feld gut mithalten können), und die Tara war im Galoppierfeld! Zwar hatte nicht ich ihn ins Schrittfeld gesteckt, aber ich wußte, das würde ihn heftig wurmen. Und weil der Dussel diese fürchterlichen Pads aufgelegt hatte, sah es früher oder später auch jeder: Da, schaut mal, der Kunert reitet im Spazierfeld, und was sieht das komisch aus, oben schwarzweiß und unten so bunt! Die Sache sollte unserem Verhältnis nicht dienlich sein.
« Letzte Änderung: 08. Oktober 2021, 01:30:57 von Tara »
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #354 am: 22. September 2021, 22:17:20 »

Egal, wir kreiselten wieder, die Signale ertönten, und, horridoh! ging’s zum letzten Abschnitt wieder auf die Piste. Die Strecke führte in den Wald, da stand noch Wasser auf den Wegen, und jetzt flogen die Dreckbatzen vielleicht! Auf dem rechten Auge konnte ich plötzlich nicht mehr viel sehen. Es ging eine kleine Anhöhe hoch, wieder raus aus dem Wald – und da brach die Sonne durch die Wolken und beleuchtete wie ein Himmelsfinger die Meute und die Rotröcke im  springenden Feld unter uns. Herrgott. Mich durchfuhr jäh das Glück.
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Man sollte sich ja hüten, tiefe Gefühle beschreiben zu wollen, wenn man kein Schriftsteller ist, denn das kippt ja immer viel zu leicht ins lächerliche, aber ich habe nun mal angefangen, also…
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 Es war die reine, schiere Glückseligkeit.
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Das war es. So mußte das Leben sein und nicht anders. Ja, klar, ich mußte reiten mit allem, was ich hatte  – Himmel, was mußte ich reiten, jede Sekunde mußte ich hochkonzentriert reiten, um meinen kleinen Feuerstuhl unter Kontrolle zu behalten, aber verdammt, ich konnte es ja doch auch! Und jawohl, wir wurden eins, wir zwei sehr verschiedenen Kreaturen, und viel mehr noch, jetzt verstand ich es – es lösten sich alle Grenzen auf, ich war auch Herbstlaub und Hörnerklang und Matsch und schwarzweißrot und Geläut und Nebel und der Jubel, und alles verschmolz zu einem, war einfach nur tiefe reine Seligkeit, wir flogen endlos dahin, und ich zog im Galopp den rechten Handschuh aus, als hätte ich nie etwas anderes getan, und rief mit siebzig anderen „Halali!“, denn da waren wir jetzt, am Halaliplatz, einer großen Waldlichtung beim Schloß, wo ein riesiger Holzstoß brannte, und jetzt war es fast vorbei.
.
Aber nichts geht beim Jagdreiten ohne Zeremoniell, und so dankten wir den nächst erreichbaren Reitern mit einem Händedruck für das gemeinsame Erlebnis, dann stellten wir uns im Kreis um die Meute beim Halali-Feuer herum auf, hinter uns am Waldsaum der Ring der Zuschauer, und warteten, daß Absitzen geblasen wurde und der Master zum Curée absaß. Nun erst saßen wir ebenfalls ab, schoben die Bügel hoch und lockerten die Sattelgurte, was für die Pferde vermutlich ist, als wenn unsereins enge Schuhe auszieht.
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Die Herren zogen feierlich die Kappe, die Damen neigten den Kopf: Der Hunderuf ertönte, der Master rief das traditionelle „Unser Dank an die Hunde“, und die Hunde bekamen ihren Pansen. Man stelle sich vor, wie zwanzig Hunde an so einem (sehr übelriechenden) Ding zerren, es ging sehr lebhaft zu. Bis sie fertig waren, standen wir so.
.
Dann brachte der Master ein dreifach kräftiges Horridoh! aus – „Auf die Hunde! Auf die Pferde! Auf die edle Jagdreiterei!“, und nachdem wir als Antwort alle dreimal „Joho!“ gebrüllt und die Bläser „Jagd vorbei“ geblasen hatten, saß die Equipage wieder auf und verließ zum „Abrücken der Meute“ gemessen den Platz. Man wartete respektvoll, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
.
Birte und ich sahen einander an, immer noch atemlos vor Glück, und lachten: die Stiefel nicht mehr schwarz, sondern braun, die weißen Hosen bis oben dreckbespritzt, Birte hatte getrockneten Matsch an der Backe, ich auf Stirn und Brillenglas. Wir sahen aus wie die Clowns. Jetzt mußten wir unsere Brüche abholen, aber erst entschuldigte ich mich bei dem Mann, dessen Pferd Tignous eins verpaßt hatte, doch hoppla, der sah mich verständnislos an, es war der falsche, dafür entschuldigte sich einer bei mir für etwas, was ich gar nicht bemerkt hatte. Man half einander, die Pferde zu halten, damit jeder zum Jagdherrn stiefeln und seinen Bruch abholen konnte (ein Eichenzweig, nach dem Hubertustag am 3. November Nadelbaum; nach Hubertus übrigens werden auch keine roten Röcke mehr getragen). „Waidmannsheil!“ „Waidmannsdank!“, der Herr Jagott hatte gut zu tun.
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Wir steckten den Bruch ins Knopfloch – natürlich schnappte Ti danach, so aufgeregt und müde konnte er überhaupt nicht sein, daß er etwas Eßbares nicht zu essen versuchte, aber ich rettete ihn - und führten die Pferde einige Runden zum Abregen und Abtrocknen – nun ja, also nicht wenige Runden; dann sattelten wir ab, packten sie ausnahmsweise in Decken und stellten sie auf den Hänger, hängten die Heunetze auf und machten uns selbst auf zum Schüsseltreiben. Ich hatte einen Riesenhunger; Kartoffelsuppe aus der Gulaschkanone hatte niemals besser geschmeckt.
.
Jagd vorbei. Einerseits. Andererseits kann etwas so tief empfundenes ja eigentlich  nie ganz vorbei sein. Niemals habe ich mich so lebendig gefühlt wie bei meiner ersten und einzigen Schleppjagd.
.
Ich habe meinen Eichenbruch heute noch – er hängt im Schlafzimmer am Regal und hat schon zwei Umzüge überstanden, ohne ein Blatt zu verlieren. Albern natürlich, nicht? Und meistens nehme ich ihn gar nicht mehr wahr. Manchmal aber doch – also so um diese Jahreszeit herum… Und dann sehe ich wieder die siebzig dampfenden, bis in die letzte Faser wachen Pferde, donnere einen Waldweg entlang, rieche das Feuer, höre die Hunde… Und dann spiele ich Jagdmusik.



« Letzte Änderung: 23. September 2021, 13:25:21 von Tara »
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Re: Was vom Pferd
« Antwort #355 am: 22. September 2021, 22:28:56 »

*umarmt Tara ganz fest*

Danke, danke, danke für dieses Wunderbare, an dem Du uns hast teilhaben lassen. Ich habe fast atemlos gelesen bis zum letzten Wort. Morgen werde ich noch einmal lesen, ganz in Ruhe, jedes Wort genießen.
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Gemüsegierhals

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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #356 am: 22. September 2021, 22:50:57 »

 :-[ :D
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Waldschrat

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #357 am: 23. September 2021, 08:34:09 »

*umarmt Tara ganz fest*

Danke, danke, danke für dieses Wunderbare, an dem Du uns hast teilhaben lassen. Ich habe fast atemlos gelesen bis zum letzten Wort. Morgen werde ich noch einmal lesen, ganz in Ruhe, jedes Wort genießen.

*schließt sich vorbehaltlos an* - es muss ein grandioses Erlebnis gewesen sein  :D
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Henriette

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #358 am: 23. September 2021, 10:01:29 »

Es ist so schön dieses zu lesen! Ich konnte es erst heute geniessen.

Pferde sind immer wieder tolle Lebewesen. So etwas Schönes wie Du kann nicht jeder erleben. Vielen lieben Dank für Deine Texte.
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Luckymom

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #359 am: 23. September 2021, 10:53:24 »

Vielen Dank, ich bin förmlich mitgeritten!  :) Hat mich an so viele Ausritte durch den Wald erinnert, Hände tief und durch!  ;D
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Get a cat, they said.
Its funny, they said.. Indeed...
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