So erwärmte ich mich für die Idee einer Schnitzeljagd für die Jugend nicht nur auf der Stelle, sondern setzte mit einem klitzekleinen Vorschlag noch eins drauf: „Birte, was hältst’n davon, wenn jemand von der Meute kommt. Nur so mit einer Koppel“ – nach meiner vielen Lektüre war ich voll der Fachsprache (eine Koppel sind zwei Hunde) – „und vorführt, wie man mit den Hunden arbeitet?“
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„Au ja.“ Birte war Feuer und Flamme. Und nun sollte die Sache irgendwie leider eine gewisse Eigendynamik entwickeln.
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Ich bestand darauf, daß diese Veranstaltung werbemäßig auszuschlachten sei: Das angestaubte Institut mußte nämlich ganz dringend mal wieder Schlagzeilen machen. Die Konkurrenz mochte zweit- oder auch drittklassig sein, aber schlafmützig war sie im Gegensatz zum alten van Krachten leider ganz und gar nicht, im Gegenteil, sie wollte – und das auch noch direkt neben dem Militaryplatz unseres Vereins, das würde viele Reiter zu ihnen locken - ein „modernes Pferdeleistungszentrum“ bauen, was immer man darunter verstehen mochte. Es mußte also getrommelt werden.
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„Wir machen den Alt zum Jagdherrn,“ schlug ich vor. Das war mein oberster Chef, was gute Publicity garantierte und vielleicht Ausgang für eine generell bessere Berichterstattung über den Pferdesport im allgemeinen und den Stall van Krachten im besonderen werden konnte.
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„Willste den auch aufs Pferd setzen?“ grinste Birte.
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„Au ja, auf den Elch!“ Der Elan war unser Menschenfresser. Der Gedanke, wie der Elch den Chefredakteur am Arm in seine Box zerren – nein, nein, vergessen wir das. „Nee, der muß in ’ne Kutsche.“
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„Macht Speichenrieder“, schlug Birte vor. Tatsächlich, einen besseren Fahrer gab es nicht – so viel Stil wie Egon Speichenrieder, von Beruf Schrotthändler und aus ganz ärmlichen Verhältnissen zum mehrfachen Millionär hochgearbeitet, hatte niemand. Also wirklich niemand im halben Kreis.
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„Und das Cap...“
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Eine richtige Jagd mitgeritten in ihrem Leben“, höhnte meine Freundin, „und das im Galoppierfeld und nichtmal im Springfeld, und schwebt in höheren Sphären.“
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Ich kriegte einen roten Kopf. „Das Jagdgeld. Kommt einem guten Zweck zu.“
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Die Schulpferde würden den Kindern kostenlos zur Verfügung gestellt.
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„Autsch. Au-au-au-au. Macht der Krachten nie.“
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„Das werden wir ihm schon beibringen“, meinte ich hoffnungsvoll.
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„Das mußt du zuerst der Elvira Laube beibringen, sonst wirst du gar nicht erst vorgelassen.“ Das war van Krachtens allmächtige Sekretärin.
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„Ich?!! Spinnst du jetzt komplett??!!!“
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„Wenn du schon so irrwitzige Vorschläge machst!“ rief Birte, schob ihren Teller weg und spintisierte weiter: „Die Eltern backen Kuchen, der wird auch für den guten Zweck verkauft. Das bring’ ich denen bei.“
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„Was haben wir eigentlich für einen guten Zweck?“
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Die stets in den Miesen steckende Birte – sie hatte zu jener Zeit von ihrem mageren Bereitergehalt den alten Araber Hengsti, zwei Trakehnerstuten plus zweimal Nachwuchs, die riesige Schogge (Schäferhund-Dogge) Bossi und den Kater zu versorgen - überlegte: „Also, wenn du meine Bank fragst, wär’ mein Konto ein guter Zweck.“
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Mir fiel die alljährliche Spenden-Aktion der Tageszeitung ein, diesmal für das örtliche Kinderkrankenhaus. „Kinder helfen Kindern. Ist immer gut!“, meinte Birte anerkennend.
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Strecke: Zur Mühle und zurück – zwanzig Kilometer - mit einem Extra-Schlenker um die Große Wiese. Ich würde den Fuchsschwanz an der linken Schulter tragen, selten mal weit vorne verlockend zu sehen sein, die Spur mit Hackschnitzeln legen und mir zum Abschluß sehr große Mühe geben, mir von einem der Kinder im Galopp die Rute von der Schulter reißen zu lassen. Anschließend Hunde-Vorführung auf dem Tempel, unserem Vielseitigkeitsplatz, und dann Bewirtung durch Anne im Casino.
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Irgendwie war das aber doch schon etwas mehr Arbeit als nur die kleine Schnitzeljagd, von der Birte erst gesprochen hatte. Vor allem für mich, denn ich hätte hinterher auch noch die Berichterstattung am Hals, so sicher wie das Amen in der Kirche. In all den Jahren bei van Krachten verstand nie jemand, daß Schreiben tatsächlich eine ernstzunehmende, zeitfressende und anstrengende Arbeit ist. Mein Chefredakteur übrigens kapierte das auch nicht.
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Jedenfalls hatten wir da einen feinen Plan, klopften wir uns gegenseitig auf die Schulter. Auf auf, zum fröhlichen Schnitzeljagen!
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Wir sollten es bitter bereuen.