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Autor Thema: Was vom Pferd  (Gelesen 55643 mal)

Quendula

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #360 am: 23. September 2021, 12:09:32 »

 :D :D
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Rosenfee

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #361 am: 23. September 2021, 14:08:00 »

Danke, Tara, für dieses mitreißende Jagderlebnis.

Ich kann überhaupt nicht reiten, aber mein Traum ist es, im gestreckten Galopp am Strand zu reiten :)
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LG Rosenfee

Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #362 am: 23. September 2021, 14:49:41 »

Der feuchte Sand am Strand ist noch besser als Stoppelfeld.  :D Oben hatte ich ja irgendwo beschrieben, wie wir mal zu dritt nach St. Peter Ording fuhren, nur um das auszuprobieren.  :D
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Den Teufel spürt das Völkchen nie / und wenn er sie beim Kragen hätte. - Goethe, Faust

Luckymom

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #363 am: 23. September 2021, 16:35:27 »

Strand ist ein Traum, Stoppelfeld hab ich mich nie getraut, ich hatte zuviel Angst. Mauselöcher und Pferdebeine sind keine guten Partner  :(.

Mein Traum war, in der Camargue am Mittelmeer auf einem Camargue-Pferd im flachen Wasser am Strand zu galoppieren und ich hab ihn mir erfüllen können  :D. Hach... lang ists her..
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Get a cat, they said.
Its funny, they said.. Indeed...

Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #364 am: 23. September 2021, 16:43:58 »

 :D Ja, das habe ich auch, Hand in Hand mit dem Liebsten (also nicht im Galopp, das Hand in Hand). Da habe ich noch geträumt.  8)  ;)
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #365 am: 28. September 2021, 20:28:46 »

Jagden haben es aus diversen Gründen zunehmend schwer, vor allem die kleinen Meuten haben mit Problemen zu kämpfen. In ganz Deutschland gibt es nur noch knapp zwanzig.  Wenn Regen angesagt (oder anderswo mehr Party) ist, bleibt man zum Beispiel zunehmend gerne zu Hause. Woraufhin der Veranstalter zwanzig oder mehr gute Abendessen in die Tonne kippt, von einem halben Kessel Gulasch zu schweigen, und wer kann sich das schon leisten? Und eine Jagd zu acht kann vielleicht auch Spaß machen, aber so ganz im Sinne des Erfinders ist es nicht.
.
Und wieviel Tradition wird wohl eine junge Frau weitertragen wollen, der ein Frack „wie die Männer auch“ wichtiger ist als die Überlegungen, die einst dahinterstanden? Zunehmend viele wollen Spaß haben, aber bittschön ohne viel Anstrengung und Nachdenken. Und die Strecken sollen immer kürzer werden. Vielleicht liegt’s auch an der Aufmerksamkeitsspanne, und es würde manchen reichen, einmal um den eigenen Springplatz zu reiten, halt mit Hunden und Musik. „Wichtig genommen werden dagegen verstärkt das Sandkastenreiten und besonders geschätzt sind Jagden wo die Hindernisse nicht höher als ein Kochtopf sind. Eine bedauerliche Entwicklung“ ätzt „schleppjagd 24“.
.
Drum versucht man heute zum Beispiel, Nachwuchs zu gewinnen, indem man Lehrjagden für die Jugend veranstaltet. Das ist eine prima Sache. Das weiß ich zufälligerweise genau, denn die allererste Jugendjagd in Deutschland, das muß einmal gesagt werden, ist auf unserem Mist gewachsen, jawohl!, und die kam richtig groß raus. Und das kam so...

« Letzte Änderung: 29. September 2021, 00:35:32 von Tara »
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #366 am: 28. September 2021, 20:29:54 »

Die Damenjagd hatten wir hinter uns und nun sogar eine richtige Schleppjagd. Jetzt kam noch der Martinsritt – der traditionelle Ganztagesritt zum Abschluß der Saison, danach gab’s keine Ausritte mehr für die Schulreiter bis zum Frühjahr -, und das war`s dann überhaupt an Veranstaltungen für dieses Jahr.
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Daß es dann doch noch ein bißchen mehr wurde, war eigentlich die Schuld von Karl Rodenleit. Die Hauptschuldige aber war Birte! Der derzeitige Betriebsleiter Rodenleit, dem es an guten Einfällen ja nicht mangelte, der nur leider alkoholkrank war, hatte in einem klaren Moment mal wieder große Pläne geschmiedet. Und Birte, angeregt vermutlich durch die Damenjagd und vom glühenden Wunsche beseelt, sich nochmals auf dem zackelnden Porter präsentieren zu können (sie hatte bei der Damenjagd schwer gelitten mit diesem Schulpferd, dagegen war die Schleppjagd mit unserem Arturo fast harmlos gewesen), machte den Rodenleitschen Vorschlag zu ihrem eigenen.
.
 „Wir könnten eigentlich eine Jugendjagd machen“, murmelte Birte also eines Abends im Casino über ihren Spaghetti.
.
„Wir könnten was machen?“
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Birte schluckte runter. „Wir könnten ’ne Jugendjagd machen. Hat der Karl vorgeschlagen. Käm’ echt gut.“
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Rodenleit! Den hatte ich heute abend getroffen, schwankend, wie immer nach 12 Uhr mittags. Ich rollte die Augen, meine Nudeln flutschten von der Gabel.
.
Birte, die Rodenleit wegen alter Zeiten schätzte – ich glaube, sie hatte mal unter ihm gelernt -, mißverstand das und ging sofort in Verteidigungsstellung: „Der Karl hat wirklich gute Ideen. Und der kann was.“
.
„Bin überzeugt davon, aber er macht halt nix.“ Birte übernahm bereits einen großen Teil seiner Aufgaben, weil er immer wieder ausfiel.
.
Birte blieb am Ball: „Was hältst du davon, wenn wir ’ne Jugendjagd machen? Also ‘ne Schnitzeljagd?“
.
Ich überhörte das wiederholte „wir“ durchaus nicht. Die praktische Ausführung der zugegebenermaßen nicht ganz schlechten Idee würde keineswegs bei Rodenleit liegen, sondern bei Birte und denen, die sich sonst noch bemühten, das Institut zu retten. Also auch bei mir. „Wer ist wir?“
.
„Ich brauch‘ doch ’nen Fuchs. Also ‘nen Schnitzelmenschen. Zur Mühle und zurück. Und du“, sagte Birte und wickelte und wickelte ihre Spaghetti, „du hast doch die großen Satteltaschen. Also für die Schnitzel.“
 .
Ja, ich hatte diese wahnsinnig teuren ledernen Dinger, in Frankreich für Wanderritte gekauft und bisher noch nicht einmal benutzt. Der Gedanke an die Satteltaschen, die ich nun erstmals würde publikumswirksam präsentieren können, köderte mich natürlich sofort. Das würde mein schlechtes Gewissen beruhigen, daß ich mir diese Taschen überhaupt geleistet hatte.
.
Und außerdem war ich, glühend begeistert vom Jagdreiten nach meiner glücklich überstandenen ersten Schleppjagd, sozusagen absolut auf dem Jagdtrip. Einen halben Meter Bücher über’s Jagdreiten hatte ich mir zugelegt in meinem Überschwang, und ich hatte sogar für die Wochenendausgabe der Zeitung eine sehr gelungene Sonderseite fabriziert, an der ich mühevoll gebastelt hatte (ich hatte, obwohl ich ein Kürzungstalent bin, viel zu viel Text, und die Seite erschien einen halben Punkt kleiner und mit geringerem Zeilenabstand als der Rest, da hatte sich mein guter Draht zur Technik bezahlt gemacht). An dieser Seite hatten sogar die Jagdreiter selbst nichts auszusetzen - beim Chefredakteur war ich mir da nicht so sicher. „Stimmt alles!“ war das große Lob, das sie mir zollten. Passierte ihnen wohl nicht allzu oft.
« Letzte Änderung: 30. September 2021, 23:07:56 von Tara »
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #367 am: 28. September 2021, 20:31:24 »

So erwärmte ich mich für die Idee einer Schnitzeljagd für die Jugend nicht nur auf der Stelle, sondern setzte mit einem klitzekleinen Vorschlag noch eins drauf: „Birte, was hältst’n davon, wenn jemand von der Meute kommt. Nur so mit einer Koppel“ – nach meiner vielen Lektüre war ich voll der Fachsprache (eine Koppel sind zwei Hunde) – „und vorführt, wie man mit den Hunden arbeitet?“
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„Au ja.“ Birte war Feuer und Flamme. Und nun sollte die Sache irgendwie leider eine gewisse Eigendynamik entwickeln. 
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Ich bestand darauf, daß diese Veranstaltung werbemäßig auszuschlachten sei: Das angestaubte Institut mußte nämlich ganz dringend mal wieder Schlagzeilen machen. Die Konkurrenz mochte zweit- oder auch drittklassig sein, aber schlafmützig war sie im Gegensatz zum alten van Krachten leider ganz und gar nicht, im Gegenteil, sie wollte – und das auch noch direkt neben dem Militaryplatz unseres Vereins, das würde viele Reiter zu ihnen locken - ein „modernes Pferdeleistungszentrum“ bauen, was immer man darunter verstehen mochte.  Es mußte also getrommelt werden.
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 „Wir machen den Alt zum Jagdherrn,“ schlug ich vor.  Das war mein oberster Chef, was gute Publicity garantierte und vielleicht Ausgang für eine generell bessere Berichterstattung über den Pferdesport im allgemeinen und den Stall van Krachten im besonderen werden konnte.
.
„Willste den auch aufs Pferd setzen?“ grinste Birte.
.
„Au ja, auf den Elch!“ Der Elan war unser Menschenfresser. Der Gedanke, wie der Elch den Chefredakteur am Arm in seine Box zerren – nein, nein, vergessen wir das. „Nee, der muß in ’ne Kutsche.“
.
„Macht Speichenrieder“, schlug Birte vor. Tatsächlich, einen besseren Fahrer gab es nicht – so viel Stil wie Egon Speichenrieder, von Beruf Schrotthändler und aus ganz ärmlichen Verhältnissen zum mehrfachen Millionär hochgearbeitet, hatte niemand. Also wirklich niemand im halben Kreis.
.
„Und das Cap...“
.
Eine richtige Jagd mitgeritten in ihrem Leben“, höhnte meine Freundin, „und das im Galoppierfeld und nichtmal im Springfeld, und schwebt in höheren Sphären.“
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Ich kriegte einen roten Kopf. „Das Jagdgeld. Kommt einem guten Zweck zu.“
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Die Schulpferde würden den Kindern kostenlos zur Verfügung gestellt.
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„Autsch. Au-au-au-au. Macht der Krachten nie.“
.
„Das werden wir ihm schon beibringen“, meinte ich hoffnungsvoll.
.
„Das mußt du zuerst der Elvira Laube beibringen, sonst wirst du gar nicht erst vorgelassen.“ Das war van Krachtens allmächtige Sekretärin.
.
„Ich?!! Spinnst du jetzt komplett??!!!“
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„Wenn du schon so irrwitzige Vorschläge machst!“ rief Birte, schob ihren Teller weg und spintisierte weiter: „Die Eltern backen Kuchen, der wird auch für den guten Zweck verkauft. Das bring’ ich denen bei.“
.
„Was haben wir eigentlich für einen guten Zweck?“
.
Die stets in den Miesen steckende Birte – sie hatte zu jener Zeit von ihrem mageren Bereitergehalt den alten Araber Hengsti, zwei Trakehnerstuten plus zweimal Nachwuchs, die riesige Schogge (Schäferhund-Dogge) Bossi und den Kater zu versorgen - überlegte: „Also, wenn du meine Bank fragst, wär’ mein Konto ein guter Zweck.“
 .
Mir fiel die alljährliche Spenden-Aktion der Tageszeitung ein, diesmal für das örtliche Kinderkrankenhaus. „Kinder helfen Kindern. Ist immer gut!“, meinte Birte anerkennend.
.
Strecke: Zur Mühle und zurück – zwanzig Kilometer - mit einem Extra-Schlenker um die Große Wiese. Ich würde den Fuchsschwanz an der linken Schulter tragen, selten mal weit vorne verlockend zu sehen sein, die Spur mit Hackschnitzeln legen und mir zum Abschluß sehr große Mühe geben, mir von einem der Kinder im Galopp die Rute von der Schulter reißen zu lassen. Anschließend Hunde-Vorführung auf dem Tempel, unserem Vielseitigkeitsplatz, und dann Bewirtung durch Anne im Casino.
.
Irgendwie war das aber doch schon etwas mehr Arbeit als nur die kleine Schnitzeljagd, von der Birte erst gesprochen hatte. Vor allem für mich, denn ich hätte hinterher auch noch die Berichterstattung am Hals, so sicher wie das Amen in der Kirche. In all den Jahren bei van Krachten verstand nie jemand, daß Schreiben tatsächlich eine ernstzunehmende, zeitfressende und anstrengende Arbeit ist. Mein Chefredakteur übrigens kapierte das auch nicht. :P
.
Jedenfalls hatten wir da einen feinen Plan, klopften wir uns gegenseitig auf die Schulter. Auf auf, zum fröhlichen Schnitzeljagen!
.
Wir sollten es bitter bereuen.
« Letzte Änderung: 28. September 2021, 20:56:46 von Tara »
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #368 am: 28. September 2021, 20:32:32 »

Mit Anne fingen die Schwierigkeiten schon an: „Anne, wir brauchen dich!“
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Sie fragte nicht „Wobei?“, sondern nur „Wann?“
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„14. Oktober, haben wir gedacht.“
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„Am 14. Oktober bin ich auf Djerba. Eine Woche“, Anne drehte hinter der Bar eine kleine Pirouette, „da könnt ihr mich brauchen, soviel ihr wollt.“
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„Anne, wir machen ’ne Jugendjagd.“
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„Einmal im Leben ’ne Jagd mitgeritten...“ begann Anne sarkastisch. „Hast wohl Blut geleckt?“
.
„Verschon’ mich. Das hör’ ich schon dauernd von Birte.“
.
Anne fand die Sache klasse. Immerhin hing ihr Lebensunterhalt vom weiteren Bestehen des Reitinstituts ab.  „Aber nicht am 14. Oder ohne mich.“
.
„Wir müssen sowieso erst mal schauen, ob wir die zwei Hunde bekommen und wann“, meinte Birte.
.
Aber erst einmal mußten wir Elviras Zustimmung bekommen. „Die Stimme ihres Herrn“ wurde sie oft genannt. Aber wer so sprach, lag komplett daneben – sie hielt sich nämlich für den Chef vons Janze, mehr als der Betriebsleiter, und je weniger der Alte sich blicken ließ, umso überzeugter.
.
Die Sekretärin seiner Majestät war wider Erwarten entzückt, obwohl der Plan nicht von ihr stammte, stellte aber eine Bedingung: van Krachten hatte im Rahmen der Veranstaltung öffentlich ausgezeichnet zu werden, und zwar durch den Hessischen Reit- und Fahrverband. Ohne Ehrung keine Jugendjagd.
.
„Der wird in diesem Jahr siebzig, der Stall besteht seit vierzig Jahren, und wir haben hier schon fünfunddreißig Lehrlinge ausgebildet“, meinte Elvira kämpferisch.
.
Schön und gut, wir hatten ja auch nichts dagegen, aber Birtes und mein Einfluß auf den HRFV war bislang doch eher gering gewesen...
.
Elvira preßte das Kinn in Falten: „Und dann muß natürlich noch ein Fotograf von ‚Unser Pferd’ dabei sein.“ Unser Pferd, die bekannteste Fachzeitschrift?! Wie sollten wir die denn rumkriegen? Zu einer Schnitzeljagd für Jugendliche?! Die würden uns einen Vogel zeigen, und das zu recht.
.
Ohweh, ohweh, worauf hatte ich mich da eingelassen?
.
Mir fiel auch wieder mal auf, daß der Urheber der schönen Idee niemals mehr zu sehen war. Also nicht ab dem späteren Vormittag.
.
Nun ja. Was auch immer wir da für Hirngespinste hatten – das wichtigste, Fachmagazin hin, Ehrung her, waren die Pferde. Also mußte erstmal mit van Krachten gesprochen werden. „Dann mach du mal“, sagte Birte feige, „du hast doch gesagt, das bringst du dem bei.“ „Wir“ hatte ich zwar gesagt, aber nein, ich sollte.

« Letzte Änderung: 28. September 2021, 21:02:40 von Tara »
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #369 am: 28. September 2021, 20:33:27 »

Am nächsten Morgen um zehn – auf die Sekunde, ich wußte, wie der tickte! - stand ich also zum ersten Mal in all diesen Jahren in van Krachtens Büro im Herrenhaus. Van Krachten -  klein, vierschrötig, ohne Hals, kalt blickend wie stets - saß hinter seinem Schreibtisch und blieb dort genau so lange sitzen, bis er wußte, daß ich wußte, daß er hier der Herr und ich bestenfalls ein Bittsteller war. Dann erhob er sich, schritt um den Schreibtisch herum und bot mir einen Sessel an, einen kleinen, woraufhin er in einem großen Platz nahm.
.
Das tat er mit jedem, auch wenn er mich besonders nicht ausstehen konnte (kurze Haare, Trekkingsattel, Hackamore, außerdem hatte ich ja schon lange meinen eigenen Stall und war keine Kundin von ihm mehr, ja, buchte nicht einmal Hallenbenutzung, obwohl ich quasi auf seinem Hof lebte). Zumindest war mir das berichtet worden, wobei mich sehr wunderte, daß er mich überhaupt kannte, denn er kam ja nur noch sehr selten auf den Hof, „wir“ hatten ja den Betriebsleiter und zur Kontrolle noch van Krachtens Adlatus Schweinsberger, auch der kam nur selten.
.
Van Krachten blickte mich feindselig an. Allerdings taute er merklich auf, als ich bewundernd von der riesigen Tapisserie sprach, die die Wand hinter dem Schreibtisch schmückte. „Frau Laube hat mich schon aufgeklärt. Wir wollen nur noch auf Herrn Rodenleit warten“, sprach der Allmächtige.
.
Wir warteten eine ganze Weile, die Zeit mit einer vor allem auf meiner Seite etwas arg angestrengten Plauderei über die flämische Bildwirkerei und deren Einfluß auf die gesamteuropäische Kunst füllend, ehe Rodenleit erschien, nicht ganz sicher auf den Beinen – morgens um viertel nach zehn - und umschwebt von einer kräftigen Jägermeister-Wolke. Ihm wurde herablassend ebenfalls ein kleiner Sessel angeboten.
.
Da tat er mir leid, und ich vergaß nicht, hervorzuheben, daß die Idee von Rodenleit stammte. Der nickte mir dankbar zu und achtete sorgsam darauf, immer nur in meine Richtung auszuatmen. Weiter tat er nichts. Aber gut, er war ja in die Sache auch gar nicht mehr eingebunden, denn von ihm hatte nur die ursprüngliche Idee gestammt.
.
Also ließ sich van Krachten von mir alles erklären. Und zwar mehrmals; so richtig gesund konnte er wirklich nicht mehr sein. Abschließend tat er sehr von oben herab seine großmütige Billigung unserer Pläne kund, die ja, bitteschön, SEIN Institut retten helfen sollten – und machte deutlich, daß er gedachte, die Jagd per Kutsche zu begleiten. Er hatte übrigens keine Kutsche. Und für’s Organisatorische fühlte er sich natürlich in keiner Weise zuständig. Fingerschnipp, Kutsche da.
.
O Gott, dachte ich, und der Verbandsheini und der Fotograf – da muß eine zweite Kutsche her, da muß ich Obermann zu überreden, vielleicht brauchen wir sogar noch eine dritte, und dabei habe ich noch nicht mal Speichenrieder für den Chefredakteur gefragt...
.
„Wären sie mir freundlicherweise behilflich, den Brief an ihren Herrn Chefredakteur aufzusetzen?“ fragte der Alte, nachdem er Rodenleit verabschiedet hatte, der kräftigen Jägermeisterduft hinterließ.
.
„Heute ging es doch mit ihm, nicht?“ nickte van Krachten, auf einmal vertraulich geworden,  hinter seinem Betriebsleiter her. Er hatte also nicht mal was gemerkt. Ich gab ihm gleisnerisch recht und kam mir vor wie im falschen Film, als ich Elvira für ihren Chef den Brief an meinen Chef in die Schreibmaschine diktierte. Nur bei den „freundlichen Grüßen“ verweigerte seine Majestät: „Mit vorzüglicher Hochachtung, Frau Tara! Denken sie immer daran: Mit vorzüglicher Hochachtung.“ Ich denke immer daran, Herr van Krachten, jawohl, und vielleicht antworte ich demnächst mal so, wenn mich wieder mal ein Fremder formlos mit „Hallo Frau Tara“ anspricht.
.
Elvira war in Hochstimmung; sie hatte angeblich schon zwei Stunden lang, und zwar erfolgreich, mit dem hessischen Verband telefoniert. Gertrud, der zweiten Sekretärin, die sich wieder mal den Anschein gab, in allerlei Papierkram zu ertrinken – nicht ein persönliches Wort konnte man ihr mehr hervorlocken, seitdem sie hier arbeitete, es war geradezu albern -, drückte ich schnell noch die VIP-Betreuung aufs Auge.
.
„Ich?! Nee. Ich hab’ keine Zeit.“ Trudi, Stirn in Falten, wieselte zum nächsten Aktenschrank, um ihre Zeitnot bildlich darzustellen.
.
„Machen wir die Schnitzeljagd eigentlich für mich oder für euch?! Und außerdem ist mein Chefredakteur ein hochwichtiger Mann. Der muß bedient und betreut werden. Und du hast die besten Manieren von uns allen.“ Das stimmte tatsächlich – Gertrud kam aus gutem Hause, sie hatten in der Familie sogar einen „Schwarzen Opa“, der in Berlin als Denkmal stand --, und das zog.

« Letzte Änderung: 29. September 2021, 19:08:15 von Tara »
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #370 am: 28. September 2021, 20:34:14 »

Um eine Sorge leichter, bat ich um Audienz beim Chefredakteur und bekam sie tatsächlich sofort. Er sah mich ähnlich kalt an wie van Krachten (ich drehe bis heute nicht die Hand zwischen ihnen um). Ich holte tief Luft, setzte mein charmantestes Lächeln auf und blickte ihm halbtief in die Augen. „Herr Alt, ich bin nicht dienstlich hier. Ich komme sozusagen als reitender Bote...“ Alt, gesangvereinsgeschädigt, was seine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen betraf, bockte.
.
Und du kommst doch, dachte ich bei mir, diesmal machst du, was ich will. Ich versprach ihm eine Kutschfahrt vor Publikum mit dem hübschesten Haflinger-Gespann im Landkreis, und Geld für die Spendenaktion der Zeitung, die er ja immer als seine Idee verkaufte, die aber natürlich ein anderer gehabt hatte, und dann die Publicity für den Verlag: Ich redete mit Engelszungen.
.
Seine Begeisterung wuchs merklich. Schließlich stimmte er zu. Selbstverständlich wäre er sehr gern unser Jagdherr! Natürlich nur um der Jugend willen.  Dann fragte er noch, sich sichtlich überwindend: Was zog man dazu wohl an? Ich erklärte, der Landrat habe als Schirmherr der Friedrichstanner Jagd einen beigen Windblouson getragen, was allgemein als underdressed betrachtet worden sei. Was stimmte, nur hatte der Landrat natürlich niemanden besonders interessiert, was ist schon ein Landrat bei einer Jagd? Mit einem Lodenjanker oder ähnlichem könne man aber nichts falsch machen, versicherte ich dem Chefredakteur. Der würde jetzt vermutlich mit der Gattin den nächsten Frankonia-Laden stürmen.
.
So, wieder eine Hürde genommen! Sofort ging die Antwort an van Krachten raus. Alts Sekretärin, die mir gut war, legte Schmackes hinein.
.
Der Vormittag war rum, ich arbeitete wie rasend, um die verlorene Zeit aufzuholen. Und abends mußte ich auch noch früher weg – wir hatten ja noch beim Master der Meute vorzusprechen wegen der Hunde. Der betrieb in der Straße neben dem Verlagsgebäude ein großes Geschäft.
« Letzte Änderung: 28. September 2021, 21:13:08 von Tara »
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Re: Was vom Pferd
« Antwort #371 am: 28. September 2021, 20:35:19 »

Birte holte mich ab. Uns war beiden etwas mulmig. Immerhin: Heinrich Stein, M. H. (Master of Hounds). Der. Master. Der. Meute. Der allmächtig war. Den man bei Strafe nicht überholen durfte. Dem alles ehrfürchtig begegnete. Wir waren ganz klein mit Hut.
.
 Zwei gutgeschulte Verkäufer schossen auf uns zu, als wir den Laden betraten. „Wir wollen nichts kaufen, wir möchten nur mit Herrn Stein sprechen. Privat sozusagen“, erklärte ich und nannte unsere Namen. Die Verkäufer hoben die Brauen und baten um Geduld. Einer trabte ins Obergeschoß, der andere bot uns zwei Stühle an und hielt uns diskret unter Beobachtung. Beim Warten wurden wir immer kleiner.
.
Der Master erschien! Freundlich herablassend erkundigte er sich bei Birte zunächst nach van Krachtenschen Neuigkeiten – er hatte seine Pferde selbst einmal „bei uns“ stehen gehabt – und fragte nach Rodenleit, den er vor Jahrzehnten noch als vielversprechenden Lehrling kennengelernt hatte und dessen Krankheit ihm bekannt war. Offensichtlich wußte der ganze Landkreis mittlerweile bereits, dass unser im Untergang begriffener Betrieb jetzt von einem schweren Alkoholiker geleitet wurde. Beziehungsweise leider nicht geleitet wurde.
.
„Und was bringt euch her?“ fragte schließlich der Master.
.
Wir erklärten, von vielen bellenden „Ja! Ja!“ begleitet, wie sehr wir von der Jagd des Kreisreiterbundes begeistert gewesen seien. Birte wies darauf hin, daß man doch dringend was für die Jugend tun müsse. Und für einen guten Zweck. „Und wir wollen also für die Jugendlichen eine Schnit...“ „Und da wollt ihr also eine Schleppjagd veranstalten“, unterbrach der Master Birtes ungewohnten Redefluß freundlich.
.
Eiskalt durchfuhr es mich, ich wagte nicht, Birte anzusehen. Die schnappte hörbar nach Luft. Wir saßen beide wie gelähmt, keines Protestes fähig. Schleppjagd! Das war zehn Nummern zu groß für uns. Das war unser Untergang.
.
„Also versprechen kann ich ohne die Zustimmung der anderen nichts, aber am 14. hätten wir Zeit, weil ein Termin geplatzt ist. Wir haben heute abend sowieso eine Versammlung. Seid ihr nachher beim Krachten? Um zehn ruf’ ich an“, sagte der Master und erhob sich zum Zeichen, daß die Audienz beendet war.
.
„Aber... also Herr Stein, wir haben aber kein Geld“, stotterte ich abwehrend. So eine Meute kostet den Veranstalter ja ordentlich, denn die will wenigstens ihre nicht unerheblichen Unkosten reinbekommen.
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„Für die Jugend...“ wischte der Master den Einwand beiseite. Wir waren entlassen.
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Auf dem Weg zum Wagen sagten wir erst mal lange kein Wort. Dann meinte Birte: „Das wär’ schon toll. Bundesweit einmalig wär’ das. Lehrjagd für die Jugend.“ Ganz offensichtlich konnte sie im Geiste bereits lebhaft die Berichterstattung in sämtlichen Fachzeitschriften sehen, mit vielen Farbfotos - Hunde, rote Röcke, Kutschen, Jagdhornbläser, das komplette Paket, und mittendrin die van Krachtenschen Schulpferde.
.
„Aber... O Gott. Schleppjagd!“ brachte ich gequält hervor. „Ist dir klar, was da alles dranhängt? Das schaffen wir nie. Unmöglich…!“ Und dann auch noch gerade am 14., wo Anne nicht konnte!
.
„Na laß’ mal, vermutlich sagen seine Kollegen ja nein. Wär‘ doch Pipifax für die, sowas für Kinder, da bleiben die doch lieber zu Hause.“ Doch Birte hoffte auf was großes, das sah ich ihr deutlich an. Ich dagegen hatte Magenweh. Böses Magenweh. Aber vielleicht hatten ja wenigstens die anderen Equipagenmitglieder wirklich ihren Verstand noch beisammen und würden ablehnen.
« Letzte Änderung: 30. September 2021, 23:33:54 von Tara »
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Re: Was vom Pferd
« Antwort #372 am: 28. September 2021, 20:36:10 »

Der nächste Weg führte zum alten Egon Speichenrieder. Der saß wie jeden Abend in seinem Museum, wie ich es nannte – die schönste und sauberste Kammer mit einer großen Auswahl von Geschirren und allem möglichen, was mit dem Fahrsport zusammenhing - und wienerte an seinem Lederzeug.
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„Un, wie? Un wos bringt disch her? Du kommst doch immer nur, wenn de wos willst!“
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Das stimmte jetzt aber wirklich nicht! – wir hatten schon so manchen Abend auf Futterkisten sitzend verbracht, wo er Döneken erzählte und ich ehrfurchtsvoll lauschte, ohne irgendetwas zu wollen als seine Gesellschaft. Aber auf diesen Mann konnte man sich immer verlassen. Natürlich machte er mit! Zutiefst dankbar, fragte ich mich, warum er überall als harter Knochen verschrien war.
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Schon fünf Minuten vor zehn scharten sich Birte, Anne, Elvira und ich im Casino ums Wandtelefon. Punkt zweiundzwanzig Uhr teilte mir Heinrich Stein M. H. in dürren Worten mit, daß uns Unsere Meute mit allem, was dazugehörte, am 14. Oktober für die Schleppjagd zur Verfügung stehe. Stelldichein: elf Uhr Mainwiese.
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O Gott. O Allmächt‘! Ich dankte atemlos - die Verzweiflung schnürte mir schier die Kehle zu - und unterdrückte den starken Drang, einen Knicks zu machen. „Wer ist Schleppenbegleiter?“ fragte der Master noch.
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Der Schleppenbegleiter zeigt dem Schleppenleger der Meute den Weg. Weil wir darüber noch gar nicht nachgedacht hatten und ich dem Master auch nicht mit Ähs und Öhms und Weißnochnich kommen wollte, rutschte mir heraus „Ich!“.
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„Gut. Bis dann.“
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Also nix Schnitzel-, sondern tatsächlich Schleppjagd! Mit Hunden und roten Röcken und allem Trara! O Himmel hilf. Und ich, ich wäre nicht nur mitverantwortlich, ich sollte dem Schleppenleger auch noch den Weg weisen?! Vor den Hunden reiten?! Ich?!!! Vor den Hunden???!!! Ti würde durchdrehen.
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Wir brachen in sehr zaghaften Jubel aus, ehe wir auf den nächsten Stühlen zusammensackten.
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Schleppjagd! Nach all meiner Jagdliteratur schoß mir zuerst die Meute durch den Kopf. Was brauchte die? Wasser, zu transportieren wie? Pansen!
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„Anne, wo krieg’ ich Pansen her?“

„Du hast Probleme! Der Stein macht das ja wohl nicht zum ersten Mal! Aber wo krieg ich Erbsensuppe für hundert Leute her?“
.
Wir waren unendlich erleichtert. Das war Anne: Sie wurde gebraucht, und sofort schoß sie die Insel Djerba in den Wind, obwohl sie den Urlaub weiß Gott dringend nötig hatte.
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Mehrere Kutschen würden notwendig sein. Straßensperrungen! O Gott. Die Landwirte! Pferdehalter für die Equipage bei den Stops. Hufschmied für alle Fälle, Krankenwagen! Bläser! Man konnte doch keine Schleppjagd ohne Jagdsignale haben! Diese Jagd zog einen wahren Rattenschwanz von organisatorischen Problemen nach sich.
« Letzte Änderung: 29. September 2021, 01:12:15 von Tara »
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Tara

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Re: Was vom Pferd
« Antwort #373 am: 28. September 2021, 20:36:58 »

Klar war, daß das ohne den Verein nun nicht mehr zu schaffen war. Auf uns allein gestellt, würden wir gnadenlos absaufen.
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Wir faßten uns ein Herz und sprachen mit Klaus Obermann. Der half. Küßchen, Dank und Lobpreisungen! Ein schlechtes Gewissen hatten wir schon, denn die große und sehr liebenswerte Schwäche unseres Ersten Sitzenden war es ja, eine Bitte einfach nicht abschlagen zu können. Und Klaus Obermann mußte nicht nur für die Sache geradestehen, sondern auch seine Schwatten vor die Kutsche spannen und die Zeitungsleute und den Verbandsmenschen transportieren. Auch das sagte er zu.
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„Der Reit- und Fahrverein hatte sich der vom van Krachtenschen Bereiterteam initiierten guten Sache als Mitveranstalter angeschlossen“, schrieb ich hinterher für die Zeitung. Ganz so einfach war das allerdings nicht gewesen. Der Rest des Vorstandes war nämlich aus wesentlich härterem Holz geschnitzt als der Herr Obermann. Und das dicke Ende kam auch gleich nach: Ich wurde zur Vorstandssitzung zitiert. Ich wieder mal! Als wäre ich die Alleinschuldige!
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Wie ein armes Sünderlein stand ich vor dem Vorstand, und so sollte ich mich auch fühlen. Ein Stuhl wurde nicht angeboten. Wäre ja noch schöner, wenn jedes Mitglied einfach eine Veranstaltung organisieren wollte!
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Vor allem die Hauptmannsgattin konnte sich mit allerlei spitzen Bemerkungen gar nicht genug tun. Die Dame war vielleicht sieben Jahre älter als ich, aber ich hatte Herzklopfen und kam mir zu meinem Ärger vor wie eine Konfirmandin. Ich mußte kräftig mit mir ringen, nicht auch so auszusehen.
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In Rührt euch!-Stellung stand ich vor dem grimmig blickenden Gremium. Das heißt, Klaus Obermann und der Bastl blickten nicht unfreundlich. Albert auch nicht. Aber leider blickten sie auch nicht mich an, sondern die Zimmerdecke. Sie hielten sich also raus.
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Ich schwitzte. Aber da es kein Zurück gab – denn ich würde es nie wagen, die Meute nach deren großherziger Zustimmung wieder auszuladen, eher sollte mich dieser Vereinsvorstand hier bis ans Lebensende hassen -, zog ich alle Register und hob vor allem die ja tatsächlich gegebenen Vorteile für den Verein hervor. Der Vorstand machte sehr klar, daß er auf Vorteile jeglicher Art gern verzichten wolle, wenn er nicht als erster gefragt wurde.
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Man hatte sogar unseren Ehrenvorsitzenden wieder ausgegraben, den ich noch nie zu Gesicht bekommen hatte und der sich ob „meiner“ Eigenmächtigkeit so zornig gab – immerhin hatte bitteschön ja der amtierende Vereinsvorsitzende bereits zugesagt! -, daß ich am liebsten aus der Tür gewitscht wäre.
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Aber ich blieb heldenhaft stehen. Als ihm schließlich klar wurde, daß es kein Entkommen gab – der Verband und die Fachpresse waren ja leider bereits eingeladen, allerdings nicht von mir, sondern von van Krachtens Elvira -, sah der Ehrenvorsitzende dem Unabwendbaren allerdings sofort mannhaft ins Auge, löste blitzschnell einige Probleme und stellte uns sogar einen großen Lieferwagen zur Verfügung.
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Re: Was vom Pferd
« Antwort #374 am: 28. September 2021, 20:39:08 »

Es begann eine wirklich fürchterliche Zeit.
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„Die eine hat nur noch Kopfschmerzen. Die zweite hantiert wir irr mit allerlei Zettelchen, die dritte kreischt irgendwas von der Bar her dazwischen. Die vierte wankt ins Reiterstübchen und braucht erst mal einen Cognac“, erklärte Caro Seeberger abends ihrem Mann. Das stimmte zwar, aber wir hielten durch und ließen uns nicht beirren.
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„Und beim Halali muss ein Feuer brennen“, dozierte die dicke Elvira. Die übrigens noch keine Schleppjagd mitgeritten war.
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„Es heißt HaLAli! HaLAli!“ HaLAli wurde der neue Gruß im Casino, bis wir nur noch „Helau“ herausbrachten.
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Und nächtens flehten wir fast auf Knien um gutes Wetter. An dem hing alles. Es regnete seit Tagen! Zwar wurde eine Jagd bei jedem Wetter geritten, aber ganz bestimmt nicht diese. Wir wollten den Himmeln danken, wenn der Boden abtrocknete.
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Ich, Schleppenbegleiterin in spe, erwachte mehrere Nächte nacheinander schweißgebadet bei dem verzweifelten Versuch, die Meute um besonders verzwickte Ecken herumzudirigieren – immerhin hatten wir hier nicht die Schorfheide, sondern das dichtestbesiedelte Rhein-Main-Gebiet, und unsere Reitwege hatten trotz Schumis Lebensarbeit diverse Tücken, zumal es hier für mehrere Pulks Reiter vielbefahrene Straßen zu überqueren galt - , und erwog für mich selbst wie für mein Schleppenbegleiterin-Pferd in spe abwechselnd Baldrian und Vetranquil, wobei mir schon herzlich gleichgültig war, wer was einnehmen sollte. Tignous VOR den Hunden! Mir graute.
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Letztlich starteten wir dennoch beide ungedopt, was aber vielleicht doch keine so gute Idee war... Rohypnol für beide würde ich bei einer Wiederholung der Sache kaltblütig in Betracht ziehen.
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Elvira in ihrem Herrschaftswahn unternahm es – ungebeten -, weitere Ehrengäste einzuladen – unter anderem unseren früheren Betriebsleiter Siegfried Wolf, der sich im Unfrieden von van Krachten getrennt hatte -, und wir anderen überredeten die älteren Reiter im Verein zum Mitmachen, Schumi, Bastl, Albert & Co., damit neben der Equipage wenigstens auch im Feld noch einige rote Röcke zu sehen waren. Die trägt man wie gesagt traditionell nach frühestens der zehnten Jagd oder dem zehnten S-Springen, und die zehn hatte von den Schulpferdereitern noch kein einziger hinter sich, die ritten also wie ich auch allesamt schwarz-weiß. Unsere alten Herren aber – die hatten alles und konnten alles. Deren Problem war höchstens, daß der eine oder andere rote Rock mittlerweile etwas, nun, sehr körpernah saß.
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