Hallo ihr
da ich noch keinen geeigneten Platz mich vorzustellen gefunden habe, stürz ich mich einfach so rein:
Wann ist ein Boden gestört, bzw. wann stört der Mensch?
Darüber hab ich mir im Laufe vieler Jahre ordentlich Gedanken gemacht. In Erkenntnis der gewachsenen Bodenstruktur und der natürlichen Gegebenheiten, sie gesund zu erhalten, sah ich mich als ständigen Störer, weil ich eingreife.
Ich bearbeite die Erde, wo sie in Ruhe liegen geblieben wäre, ich räume sie blank, wo sie bedeckt geblieben wäre und ich pflanze Salat, wo sie Löwenzahn hervorgebracht hätte.
Ich will von meinem Garten auf begrenzter Fläche ernten, um zu leben. Die Natur schenkt auf unbegrenzter Fläche dem Menschen Nahrung, wenn er wandert (zu Fuß, nicht mit Autos, Traktoren) um zu sammeln (Beeren, Wurzeln...).
Aber der Mensch ist sesshaft geworden, der Mensch baut in Monokultur an, vergiftet und verdichtet den Boden. Der Mensch hat an Vorkommen enorm zugelegt, ist praktisch zum Schädling geworden.
Schädlingsbefall (vermehrtes Aufkommen einer Art) beantwortet die Natur mit indirekter Reaktion: Der Schädling beraubt sich selbst der Nahrungsgrundlage, weil er komplett vertilgt. Sein großes Vorkommen zieht aber wiederum Feinde an, für die der Schädling selbst Nahrung ist. Danach ist das Gleichgewicht wieder hergestellt.
Jahrzehnte und Jahrhunderte sind lediglich Sekunden im großen Kreislauf der Natur. Ist die Bevölkerung der Erde mit Menschen also nur eine Natursekunde? Werden alle folgenden Sekunden eine regenerierte Erde sein, ohne den Schädling Mensch, der allenfalls latent vorhanden ist?
Kann ich mir als Mensch überhaupt eine längerandauernde Daseinsberechtigung erwerben, da ich ja eingreife und manipuliere, versuche, der Natur meinen Willen aufzuzwingen? Habe ich einen Platz, an dem ich nicht störe und wo ist der?
Meinen Platz habe ich in meinem Garten gefunden, hier versuche ich, möglichst nur zu lenken und nicht zu stören.
Behutsam ringe ich der Erde Ernten auf einer Fläche ab, auf der sie ohne mein Zutun nicht einen Korb voller Möhren hätte wachsen lassen.
Dafür gebe ich ihr Dünger aus ihren eigenen Zutaten zurück,
bedecke den Boden um die Möhren, so wie sie es von selbst getan hätte,
werfe die Bodenstruktur möglichst nicht mit umgraben durcheinander, sowie es in der Natur auch nur allenfalls durch einen Sturm geschieht, der einen Baum entwurzelt.
Aber noch bewege ich mich als "Eingreifer", der sich Ernten ermogelt.
In meinem Weg-Reihe-Weg-System habe ich unvermutet eine Antwort gefunden.
Die Wege sind ganzjährig gemulcht, um das Bodenleben zugunsten der Kulturen zu erhalten und ständig zu nähren.
Diese Mulchschicht wird von darunterliegenden Keimern hochgehoben und durchwachsen, das Wildkraut würde in Konkurrenz zu den Möhren treten, wenn - ja, wenn ich nicht darauf gehen würde.
Durch mein eigenes Gewicht trete ich die Mulchschicht immer wieder fest an und verwehre den darunterliegenden Samen das Keimen. Mein Antreten bewahrt dem Boden ausreichend Feuchtigkeit und dem Bodenleben ein schützendes Dunkel.
Ich bin jedoch nicht zu schwer, der Boden trägt mich mit Leichtigkeit, ohne zu verdichten, wie es bei einem Trakator geschehen würde.
So gesehen gehöre ich mit meinem Gewicht in den Garten.
Auch meine Hände, die Dinge an ihren Platz bringen (Kompost) gehören dazu.
Auch meine Schere, die Obst für meine Ernährung selektiert, gehört dazu, denn von massenhaft saurem Obst, das der Baum zur Arterhaltung produzieren würde, kann ich nicht leben. Seine Produktion zur Arterhaltung ist aber nicht gestört, sondern nur gelenkt.
Auch mein Verstand gehört dazu, der mir sagt, wie ich der Natur Ernten entlocke, ihr jedoch Genüge tue und mich gleichzeitig selbst eingliedere.
Ich bin mir bewusst, dass meine Gedanken nur für mich und meinen Garten gelten. Mir über die Menschheit an sich und die Auswirkungen ihres Tuns Gedanken zu machen, würde sich in Sorge wandeln, mein Garten jedoch kann keine sorgenvolle Gärtnerin brauchen.
Ich hoffe, das ist nicht zu lange geworden und freue mich auf Antworten.
Gisela grüßt