Ich bin Biologin, genauer gesagt Ökologin und war daher immer sehr gegen Pestizide eingestellt. Irgendwann erkennt man aber die Komplexizität nicht nur der Umwelt, sondern auch der Landwirtschaft. Man erkennt die enorme Hilfe, die uns Pestizide leisten. Durch ihre Hilfe stirbt hier, soweit ich weiß, keiner mehr an Mutterkornvergiftung und große Hungersnöte gab es zumindest in unseren Breiten auch schon jahrzehntelang nicht mehr. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren und Landwirten und den Pflanzenschutzmittelherstellern auch danken. Es hatte und hat seine Gründe, warum über Möglichkeiten geforscht wurde, die Ernten sicherzustellen. Das finde ich gut.
Natürlich möchte keiner die negativen Folgen für die Umwelt haben. Der eine ist in dieser Richtung aufmerksamer und sieht die Ursachen automatisch bei den anderen, also den Landwirten, während diese eine andere Meinung zu dem Thema haben. Soweit so gut. Ich kann beide Seiten verstehen. Aber mich stört das stete Herumhacken auf denjenigen, die für unsere Ernährung sorgen, immer mehr. Die einen sind frustriert, dass die anderen nicht sofort auf sie hören und die anderen sind frustriert, dass stets auf sie herumgehackt wird. Dazu für gewöhnlich von Leuten, die von Landwirtschaft nicht so wirklich viel verstehen. Landwirt zu sein ist etwas komplizierter (wenn man es gut macht), als einen kleinen Privatgarten zu bewirtschaften.
Was ich damit sagen will ist, dass dieses ewige den anderen die Schuld in die Schuhe schieben wollen nicht hilfreich ist und zu keinem Dialog führt oder würdet ihr gern geduldig jemandem zuhören, der Euch beschimpft und Euch sämtliche Kompetenzen abspricht? Das führt zu nichts.
Zur "Studie". Ja, sie hat sehr deutliche Mängel, weshalb in meinen Augen die Zahl "76 % Rückgang" an Insektenbiomasse nicht korrekt ist (man schaue nur mal auf die nur 8 Untersuchungsflächen im Jahr 1989 und noch weniger Flächen in den Jahren darauf). Aber die generelle Tendenz, weniger Insektenmasse im Verlauf der letzten Jahrzehnte stimmt und das ist erschreckend genug. Es gibt zusätzlich zu dieser Veröffentlichung einige Arbeiten zu einzelnen Insektengruppen, die zu dem gleichen Schluss kommen.
Zu überlegen, wie man sinnvoll und praktikabel der Insektenwelt und damit allgemein der Umwelt hilft, finde ich sehr wichtig und willkommen. Der in meinen Augen erste Punkt: weniger Aufräumen. Damit meinte ich nicht unterm Sofa, obwohl das durchaus auch zur Förderung der Fauna beitragen kann, sondern im eigenen Garten, in Parks, an Wegrändern, Feldrainen usw. Stetes Mähen sämtlicher Vegetation fördert nicht gerade die Vielfalt. Unsere Umwelt hat sich in dieser Hinsicht sehr deutlich verändert und gerade der Siedlungsbereich war eigentlich stets ein Hotspot der Artenvielfalt.
Wie man zu einer wieder besseren Fruchtfolge kommt und auch sonst die Landwirtschaft unterstützen könnte, sollte man im Dialog mit Landwirten herausfinden, aber nicht gegen sie. Mich stört übrigens sehr, dass wertvolle landwirtschaftliche Fläche Platz für Eigenheimsiedlungen machen muss. Das ist etwas kurzsichtig. Guter Boden ist ein wichtiges Schutzgut, welches unwiederbringlich ist.
Ist Euch eigentlich aufgefallen, dass die Autoren der hier genannten Veröffentlichung zu dem Schluss kamen, dass der Bereich 200 m um die Schutzgebiete eher etwas zur Fauna in den Gebieten beitrug als weiter entfernte Flächen? Und ist Euch aufgefallen, dass in dieser 200 m-Zone der Anteil an landwirtschaftlicher Fläche im Beobachtungszeitraum von 31,5 % auf 20 % sank? Nur mal am Rande. Vielleicht hilft das ein wenig nicht nur Schuldige zu suchen (das sind wir in meinen Augen alle), sondern nach Lösungen. Und jeder kehre bitte dabei auch vor seiner eigenen Tür.