Juhu, mein Lieblingsfaden ist wieder aktiv. Da kann ich ja gleich meinen Senf dazu geben.
Zuerst mal eine interessante Veröffentlichung die belegt, dass Mykorrhiza auch ganz gut an "toten" Wurzeln wachsen können. Das heißt, wenn der Spross vom Wurzelsystem entfernt wurde:
https://www.nature.com/articles/s41598-018-28354-5"Indeed, ERM spreading from roots of intact or shootless plants showed comparable levels of viability, similar structural traits and ability to establish mycorrhizal symbioses with new plants, as long as five months after shoot removal."
Nur weil eine Wurzel kein Spross mehr hat ist sie ja noch nicht gleich tot. Zumindest hat sie noch Reservestoffe die vom Pilz abgebaut werden können. Pflanzenwurzeln wachsen übrigens auch sehr gut ohne Spross in-vitro auf zuckerhaltigem Medium. Gerade Tomatenwurzeln fühlen sich da wohl. Solange Zucker, Nährstoffe und Wurzelmeristem vorhanden ist wachsen die auch ohne Spross einfach weiter.
Deswegen macht die Empfehlung von manchen (Bio)gärtnern schon Sinn, dass man die Wurzel im Boden lassen sollte. Zumindest solange es kein Wurzelunkraut ist und man die Wurzeln nicht ernten möchte. Einfach Spross abschneiden ist besser. Auf einer Konferenz hab ich auch eine sehr schönen Vortrag gehört über tote Wurzeln und eingearbeitete Ackerstoppeln als Lebensraum für Mikroorganismen. Das hatte auch einen namen, ähnlich wie Rhizosphäre für Wurzeln. Also irgendwas mit ...sphäre, aber ich komm nicht mehr drauf.
Zum Thema Glyphosat und Mykorrhiza:
Aus dem oben verlinkten:
https://www.nature.com/articles/srep05634?origin=ppub"We found that herbicides significantly decreased root mycorrhization, soil AMF spore biomass, vesicles and propagules. Herbicide application and earthworms increased soil hyphal biomass"
Ich habe das jetzt nicht komplett durchgelesen, aber es hört sich so an, als ob eine Inokulierung des Bodens mit Regenwürmern die Mykorrhiza-aktivität bei gleichbleibendem Glyphosateinsatz erhöht. Das Regenwürmer die Mykorrhiza fördern ist schon öfters belegt worden.
Jetzt ist halt die Frage, ob Glyphosat die Mykorrhiza direkt schädigt oder eben dadurch, dass durch Glyphosat die Regenwürmer gestört werden oder die wichtigen Wirtspflanzen absterben. Ist halt immer ein sehr komplexes System. In der Praxis wird der größte Schaden allerdings dadurch entstehen, dass Glyphosat häufig mit Monokulturen einhergeht. Und natürlich der Phosphoranteil von Glyphosat ist nicht gerade förderlich für Mykorrhiza.
Abschließend mal meine eigene Meinung, ohne jetzt jede Aussage mit Artikeln zu belegen. Das maße ich mir jetzt einfach mal an, immerhin mache ich meinen Doktor über Mykorrhizapilze (Kritik und Diskussionen sind dennoch gerne erlaubt, auch die Aufforderung für Belege zu bestimmten Aussagen):
Das größte Problem für Mykorrhiza sind:
- offener Boden / keine durchgängige Vegetation
- Geringe Pflanzenbiodiversität
- Einsatz von schnell pflanzenverfügbaren Phosphordünger
- Intensive Bodenbearbeitung (Ackern am schlimmsten, Grubber weniger schlimm)
- Hohe Konzentrationen bestimmter Metalle
- Bestimmte bodenchemische Situationen wie niedriger pH (obwohl es dafür auch wieder angepasste Mykorrhiza gibt, siehe Heidelbeeren)
Für den heimischen Garten würde es bedeuten, dass man "no-dig" macht. Also den Spaten im Eck lässt. Dafür mulchen, mulchen, mulchen und vor dem Pflanzen den Boden mit einer Gabel auflockern. Lieber Unkraut als überhaupt keine Vegetation haben und ansonsten Pflanzen in Mischkultur. Anstatt Blaukorn lieber biologisch düngen.
Für die Landwirtschaft eventuell ein System mit Direktsaat und Vor-/Zwischenfrüchten, zum Beispiel in der Form hier:
https://www.youtube.com/watch?v=UtxH4CJa-jkÜbrigens: Die meisten Fungizide sind übrigens überraschend wirkungslos gegenüber Mykorrhizapilze. Ja, in der Tat. Selbst in-vitro bei relativ hohen Konzentrationen tut man sich schwer. Selbst systemische Fungizide töten die Mykorrhiza nicht komplett ab sondern stoppen lediglich das Wachstum für ein paar Tage.
In einem Versuch wurde Topsin-M verwendet um im Feld eine negative Kontrolle zu haben, also Mykorrhiza-frei. Dazu wurde es alle 2 Wochen appliziert und es hat sich "lediglich" eine Reduzierung der Wurzelkolonisation von 55% auf 17% ergeben.
Und noch etwas: Wer vor hat sich ein kommerzielles Mykorrhizapräparat zu besorgen, der....hmm ja gut...schwer zu sagen was derjenige machen sollte. Die meisten Präparate enthalten nur wenige Sporen oder inaktive Sporen durch zu lange Lagerung. Bei gesunden und biologisch betriebenen Hochbeeten (ca. 10 Jahre alt) finde ich aber immer ca. 200-500 sporen pro 100 ml Boden (ob die jetzt alle noch keimfähig sind sei mal dahin gestellt). Vielleicht lieber davon etwas Erde zum inokulieren verwenden.