Bei Deinen Überlegungen zu den Standortansprüchen musst Du berücksichtigen, dass das aktuelle Erscheinungsbild der wild wachsenden Populationen und ihre verbliebenen Standorte nicht unbedingt die tatsächlichen Ansprüche der Art widerspiegeln. P. amplifolia soll oft nur individuenarm auftreten. Das könnte ein Hinweis sein, dass die für die Reproduktion und Ausbreitung der Art günstigen Bedingungen im Landnutzungswandel der letzten 2 bis 3 Jahrhunderte untergegangen sind.
Eine Parallele zu Deinen Beobachtungen an Cytisus scoparius und Calluna vulgaris, mehr aber noch zu den in Europa gefährdeten Arten offener und halboffener Standorte ist da durchaus erkennbar. Wie die heimischen Küchenschellen z. B. ist auch dieser Phlox als Individuum langlebig, was Populationen ohne Reproduktion ein langes Überleben möglich macht.
In Gartenkultur ist dagegen entscheidend, dass die Pflanze nicht erst keimen und sich etablieren muss. Sie kann eine grundsätzlich vorhandene Lang- und Zählebigkeit bei künstlich reduzierter Konkurrenz voll ausspielen.
Deine Argumentation ist für mich schon schlüssig. Trotzdem will mir einfach nicht in den Kopf, dass diese Phloxart, die auf diesen (Rest-)Standorten überlebt (hat), wesentlich schattentoleranter und wurzeldruckresistenter sein soll als P. paniculata. Amerikanische Quellen sagen darüber nichts aus. Hier wird vor allem das Potential der Mehltauresistenz für die Züchtung hervorgehoben.
Andererseits ist jedoch bekannt, dass vor allem im Osten der USA, ganze Kolonien von Phlox paniculata existieren, die (trotz Mehltaubefall?) seit vielen Jahrzehnten als Gartenflüchtling bzw. Hinterlassenschaft aufgelassener Siedlungsstellen überlebt und sogar Naturregionen erobert haben, in die die echte Wildform nicht vorgedrungen ist.
Auch hier in Europa gibt es sicher namenlose Gartenphloxe, die ohne besondere gärtnerische Pflege über viele Jahre am gleichen Standplatz gedeien, ohne an Vitalität zu verlieren (Beispiel unten aus dem eigenen Garten).
Wobei wir wieder bei dem "Phlox amplifolia" der europäischen Gärtner wären. Wurden wir hier überhaupt "echte" Phlox amplifolia eingeführt. Dazu muss man die erste Generation der Sorten untersuchen.
Bei einigen ist es aufgrund der Herkunft bereits zweifelhaft, ob es sich hier um Phlox amplifolia handeln kann.
Hofman und Molz schreiben auf ihrer Webseite zur "Wildform" im Angebot: "Unser Ursprungsmaterial (Saatgut) stammt aus der Sortimentsgärtnerei Simon, gesammelt in Maryland, USA. Es handelt sich möglicherweise um eine Naturhybride mit P. paniculata." Dies müsste dann eigentlich auch für den vegetativ vermehrten Klon 'Typ Simon' gelten, den D. Gaißmayer benannt hat.
Für Maryland wurden in den USA nie Wildfunde dokumentiert. Der Bundesstaat liegt offenbar weit außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes und von amerikanischer Seite wird immer betont, dass die Wildform P. amplifolia dort nie gärtnerisch kultiviert wurde. Wie sollen dann dort Naturhybriden entstanden sein?
Gleiches gilt für den hier für 'David' mit der Züchterangabe R. Simon/F. M. Mooberry, der nach meinen eigenen Sichtungsergebnissen hier unter der Artbezeichnung P. amplifolia von vielen rennomierten Gärtnereien verkauft wird.
Dieser Phlox stammt aus dem Nachbarstaat Pennsylvania. Die Entstehungsgeschichte dieser Sorte ist wohl dukumentiert und nach der Einschätzung amerikanischer Experten ist 'dieser 'David' eindeutig P. paniculata.
Über 'Kurpel' berichtet B. Hustedt Bendtsen (2009) eine kuriose Geschichte. Das Saatgut soll von einer Mutterpflanze stammen, die fälschlicherweise als Phlox longifolia nach Europa kam und nachträglich als P. amplifolia bestimmt wurde. Der Herkunft dieser Mutterpflanze bleibt im Dunkeln.
Bleiben 'Ashville 88' von C. Schmidt und 'Geat Smokey Mountains' von H. Fuchs, deren Ursprung man wenigstens aus dem natürlichen Verbreitungsgebiet festmachen kann. Sie stammen jedoch gerade aus dem Gebiet der Appalachen, wo P. amplifolia und P. paniculata auch kleinräumig nebeneinander vorkommen dürften. Gerade aus diesem Teil der Appalachen sind zudem auch aus amerikanischen Quellen (Zale, 2014) Wildfunde bekannt, die "intermediäre" morphologische Eigenschaften vor allem im Laub aufweisen.
Wobei wir wieder bei meinem Eingangsthread wären.