Vielleicht möchte ich im Alter einfach im Schatten meines vertrauten Apfelbaumes sitzen und ein paar Äpfel für Kuchen oder Mus ernten. Dafür lohnt es sich doch einen unperfekten Baum zu erhalten.
Möglicherweise haben wir verschiedene Bilder von Bäumen vor Augen. Ganz sicher aber geht es hier nicht um 'perfekt'. Perfekt ist per definitionem sowieso kaum zu erreichen.
Meine Bäume sind auch nicht richtig geschnitten. Wahrscheinlich könnte man viele meiner Aktionen aus der Sicht von erfahrenen Obstwiesenpflegern auch als Verbrechen bezeichnen. Ich habe garantiert mehr als nur kleine Fehler gemacht und mache sie immernoch.
Aber es war mir nie egal.
Wenn ich an den Bäumen bin, dann wäge ich immer sowohl meine Wünsche ab (Obsternte) als auch einen gewissen Respekt vor dem Baum und auch die Bedürfnisse von anderen Lebewesen im Garten. Wenn ich einfach nur Ertrag wollte, dann hätte ich unser Wochenendgrundstück einfach komplett freimachen müssen, niedrig bleibende Obstgehölze in Reihen pflanzen und damit weitermachen. Aber da standen und stehen Bäume, die meine Großmutter schon als Kind kannte. Äpfel, Birnen, Pflaumen. Einen hundertjährigen Apfelbaum mit acht Meter Kronendurchmesser säge nicht um, nur weil ich auf der gleichen Fläche ein Vielfaches an Obst in besserer Qualität ernten könnte. Und dabei auch noch viel weniger Arbeit hätte.
Doch auf der anderen Seite ist letztes Jahr ein Pflaumenbaum endgültig abgestorben. Der starb schon seit ein paar Jahren. Toter Hauptast, Pilze aus dem Stamm, etc. Dazu ständig die Wurzelausläufer, die mehr Arbeit machen als ein Bambus.
Warum habe ich den nicht schon vor fünf Jahren entfernt? Das war falsche Nostalgie. Oder vor fünfzehn? Das war Unwissen über die Möglichkeiten.
Es war eh klar, dass er nicht mehr lange steht. Und so richtig prächtig oder auch nur halbwegs nett anzusehen ist eine vergreiste Pflaume, der man schon einige Äste amputieren musste auch nicht. Hätte ich ihn gleich entfernt könnte da längst ein neuer Obstbaum wachsen.
Das wäre im Sinne meiner Vorfahren gewesen die diesen Garten früher einmal bewirtschaftet haben, und nicht darauf zu warten, bis der Strunk wirklich keine Blätter mehr treibt.
Zu den Bäumen in der Kleingartenkolonie: Bäume, die einfach mal irgendwann auf einer bestimmten Höhe gekappt wurden. Arm- bis beindicke Äste einfach abgeschitten, ohne auch nur den Versuch, das irgendwie nach einer Krone aussehen zu lassen. Einfach in einer gewissen Höhe drüber. Danach wahrscheinlich wieder ein paar Jahre ohne Schnitt, und dann kommt wieder jemand mit der Motorsäge und macht eine gleichmäßige Höhenbegrenzung.
Ich habe leider auch schon Äste abgesägt, die eigentlich zu dick dafür waren. Wahrscheinlich habe ich dem einen oder anderen Baum damit ein paar Jahrzehnte seiner Lebenszeit genommen. Ich hatte keine anderen Möglichkeit gesehen, und ich habe zumindest versucht, die Schnitte irgendwie sinnvoll zu setzen. Auf einen anderen Ast ableiten. die Schnittfläche niemals waagerecht so dass Wasser drauf stehen bleiben würde etc.
Aber das was ich in den Kleingärten z.T. gesehen habe, das sah nicht so aus, als ob sich da jemand irgendwelche Gedanken gemacht hätte. Einfach nur gekappt, als ob es ein Styroporblock wäre, den man auf kleineres Maß zurecht stutzt. Ohne Rücksicht auf Gabelungen oder Astwinkel.
Ok, möglicherweise wird das hier offtopic. Es ging ja eigentlich gerade um die Baumerhaltung und daran anschließen um die Frage, ob die sich in bestimmten Fällen noch lohnt.
Auch Fragen der Ökologie und der Nostalgie kann man ökonomisch betrachten. Man kann also auch der ökologischen Rolle eines Baumes einen Wert zubilligen und dann in der Abwägung sagen "ich ernte zwar jedes Jahr nur eine Schüssel saure Schorfäpfel, aber für Vögel und Insekten ist dieser Baum ein Paradies. Und seine knorrige Form gibt der Landschaft Charakter. Das ist auch etwas wert."
Das ist ja ok.
Nur manche Bäume sehen nicht charaktervoll aus, sondern einfach nur räudig. Sind vielleicht auch gar nicht so dick, als dass es da Spechthöhlen o.ä. drin geben könnte.
Und neue Bäume würden Insekten auch Nahrung bieten. Und wenn besseres Obst dran wäre, nicht bloß für Apfelmus, sondern richtige Tafelfrüchte, vielleicht würden damit sogar ein paar andere Leute beginnen, in den Bäumen mehr zu sehen als einen Sichtschutz.
"Mir reichen ein paar Äpfel für Mus" würde mir, mit Verlaub, ein wenig dekadent erscheinen.
Grüße,
Robert