Im zweiten Halbjahr 2015 sollte es eine große Veränderung vor dem Haus geben: Die Verbandsgemeindeverwaltung hatte uns angeschrieben, dass eine Komplettsanierung der Straße anstehe, samt neuem Kanal, neuer Wasserleitung, ggf. Austausch der Zuleitungen zum Haus, neue Gehwege, eine neue Straßenbeleuchtung sowie Vorbereitungen zum Breitbandausbau. Glasfaserkabel wollte die Telekom nach einer entsprechenden Anfrage der Gemeinde keine verlegen, aber der Bürgermeister entschied sich, zumindest ein Leerrohr zu verlegen. Ein paar Jahre später wurden dann zumindest alle Verteilerkästen im Ort ans Glasfasernetz angeschlossen (mit Schrägbohrungen unter Straßen und Bürgersteigen hinweg). Da die Straße vor dem Haus eine Kreisstraße ist, wurden die Anliegerbeiträge "nur" für den Bürgersteig fällig, aber es gab einen Haken.
Das Vermessungsamt stellte fest, dass der halbe Vorgarten von diesem sowie von den Nachbargrundstücken auf Gemeindegrund liegt, offenbar waren dort irgendwann in den 60er-Jahren einmal Parkbuchten o. ä. vorgesehen, die aber nie realisiert wurden, und womöglich zog irgendein Anlieger irgendwann mal einen Zaun, an dem sich alle anderen orientierten. Jedenfalls gab es zwei Optionen: Die Anlieger trennen sich von der Hälfte ihres Vorgartens, oder sie kaufen die entsprechende Fläche der Gemeinde ab. Zunächst wurde ein viel zu hoher Preis angesetzt, irgendwann wurde selbiger zwar ermäßigt, aber für meinen Vorgarten fiel dennoch ein hübsches Sümmchen von ca. 6.000 EUR zzgl. Nebenkosten an. Auch die anderen Anlieger entschieden sich für den Kauf, sicher zähneknirschend, aber wer will schon mal eben so ein paar Dutzend Quadratmeter Grundstücksfläche aufgeben, nur weil das so im Katasterplan vermerkt war?
Pünktlich nach dem Sommerferien rückten die Bagger an, der Bau sollte sich schließlich bis Weihnachten hinziehen. Zum Glück war das Wetter in der zweiten Jahreshälfte ausnehmend gut, und so schritten die Bauarbeiten gut voran. Die Kommunikation mit der Baufirma war sehr gut, es gab keine Probleme während der Bauarbeiten, abgesehen davon, dass man sein Auto in der Nachbarstraße abstellen und etliche Meter durch Schotter und Staub laufen musste. Paketboten fanden mich in dieser Zeit grundsätzlich nicht, nur die Postbotin von DHL schaffte es fast jeden Tag, sich einen Weg durch das Chaos zu bahnen. Aufgrund einer beruflichen Veränderung war ich während dieser Zeit meistens zu Hause und konnte so die Bauarbeiten stets verfolgen, und so ergab es sich, dass ich auch viel Zeit für den Garten hatte.
Nachdem die sommerliche Hitze einigermaßen abgeklungen war und ein paar Regenfälle den Boden wieder einigermaßen bearbeitbar gemacht hatten, ging ich daran, den Goldfelberich im Vorgarten in die Schranken zu verweisen. Tag für Tag buddelte ich mich durch den harten Lehm und beförderte die dichten Rhizome Kubikmeterweise ans Tageslicht. Ich grub die dicken Horste der Osterglocken und Dichternarzissen aus und lagerte die Zwiebeln in Eimern, rodete eine wilde Brombeere, wobei ich mir beinahe die gute alte Grabegabel von meiner Oma ruinierte. Der Stiel bekam einen Knacks, welchen ich mit einem Kabelbinder fixierte, mit Erfolg, denn ich verwende die reparierte Grabegabel noch immer. Aber auch meinen Fuß hätte ich beinahe ruiniert, nach zwei oder drei Wochen hatte ich fürchterliche Schmerzen am rechten Fußballen, so dass ich kaum noch auftreten konnte, und so erstmal eine Zwangspause einlegen musste. Seitdem teile ich mir meine Kräfte besser ein und versuche, einseitige Belastungen über Stunden hinweg zu vermeiden.
Schließlich war es geschafft, ein paar Quadratmeter Goldfelberich waren entfernt, ich kaufte einige Stauden im Gartencenter, und nachdem das mit den Krokussen und Holland-Iris so gut geklappt hatte, schlug ich bei ALDI und LIDL zu und kaufte jede Menge Blumenzwiebeln, welche ich oben im Vorgarten, aber auch an einigen Stellen unten im Garten verbuddelte. Die vielen, vielen nicht mehr blühfähigen Brutzwiebeln der zuvor ausgebuddelten Narzissen pflanzte ich in großen Tuffs zwischen die neu gesetzten Stauden, in der Hoffnung, dass auch sie in ein paar Jahren wieder blühen werden. Zur wieder mal im Abverkauf für wenig Geld erworbenen Kniphofie las ich, dass man sie besser im Frühjahr pflanzen sollte, weil sie vor allen unter der Winternässe leide, also baute ich kurzerhand aus einem alten Lampenschirm und einem Stück aus einem Platz-Set ein Dach, und als es im folgenden Winter sehr kalt wurde, packte ich die Konstruktion zusätzlich mit Laub und Tannenzweigen ein.
Im Zuge der Bauarbeiten offenbarte sich auch immer mehr, dass das kleine Mäuerchen, welches den Vorgarten von der Straße abgrenzte, am Ende seiner Zeit angekommen war, überall bröckelte der Beton, zusätzlich war der Jägerzaun mittlerweile völlig morsch. Ein Abriss war unumgänglich, und ich begann zu überlegen, wie man dieses Problem angehen könnte. Schließlich fragte ich den Vorarbeiter, ob der Bagger das Mäuerchen nicht einfach abreißen könnte, und wir einigten uns schließlich darauf, dass die Bauarbeiter stattdessen ein Tiefbord auf die Grundstücksgrenze setzen, so wie sie es an verschiedenen anderen Stellen ohnehin schon vorgesehen hatten. Eines Tages war es dann soweit, ein neuer Bordstein samt Entwässerung war schon gesetzt, und ich war mit meinen Gartenarbeiten soweit fertig, also entfernte ich den Zaun und bestellte den Baggerfahrer. Es dauerte noch keine drei Minuten, da war das Mäuerchen samt Torpfosten Geschichte. Ich dachte mir schon, dass es für die Arbeiter ein Klacks ist, aber dass es
so schnell ging, damit hätte ich nicht gerechnet.
Etwas später war dann auch das Tiefbord eingebaut und der Gehweg gepflastert, beides etwas höher als der ehemalige Bürgersteig, so dass unweigerlich eine Stufe zum Weg, der zum Hauseingang führt, entstand. Aber ich hatte sowieso schon geplant, diesen Weg ebenfalls neu zu bauen, da dort mit den Jahren eine tiefe Kuhle entstanden ist, offenbar wurde der Untergrund nicht ordentlich verdichtet, und so sank der Weg immer mehr ein, und überall bildeten sich Risse. Es stellte sich die Frage, was ich mit der Grundstücksgrenze machen soll, wieder einen Zaun dort bauen, oder vielleicht eine Mauer? Es sollte möglichst pflegeleicht und wartungsfrei sein, und vor allem auch eine deutliche Abgrenzung zur Straße hin darstellen, denn obwohl es eine Nebenstraße ist, fahren dort tagsüber doch sehr viele Autos, und es sind auch viele Fußgänger unterwegs. Ein Gartentor wollte ich allerdings nicht mehr, weil dieses zuvor von allen Briefträgern, Paketfahrern, Zeitungsausträgern usw. immer offen gelassen wurde.
Letztendlich sollte die Lösung auch angesichts der aufgelaufenen Anliegerbeiträge einigermaßen kostengünstig zu realisieren und in Eigenleistung zeitnah zu erbringen sein, damit niemand vom höhergelegenen Bürgersteig in den tieferen Garten stürzt, also entschied ich mich für rechteckige, rote Pflanzsteine, die - wenngleich nicht unbedingt ein optisches Meisterstück - zumindest schöner als die grauen Betonringe am Hang waren. Ich plante, sie mit Polsterstauden zu bepflanzen, so dass das Mäuerchen - gerade einmal kniehoch - zum einen eine deutliche Grenzmarkierung darstellen, zum anderen aber auch durch die Begrünung weniger massiv wirken würde. Zum Jahresende gab es eine "20% auf alles"-Aktion im örtlichen Baumarkt, und so erstand ich dort drei Paletten mit Pflanzsteinen sowie etliche Säcke mit Zementmörtel, welche ich im zeitigen Frühjahr per LKW anliefern ließ.
(Fortsetzung folgt)