Wenn wir auf Fremdflächen sind, dann muss ich so einen Müll auszäunen. Unsere Flächen sind mittlerweile "clean"
Über den Arbeitsaufwand darf man gar nicht nachdenken
außer in so weit, dass ich Käufern versuche zu kommunizieren, dass sie das mitbezahlen. Also die Form dieser aufwändigen Tierhaltung muss sich in Euro niederschlagen. Weil wenn man all diese Naturschutzarbeit weglassen würde, dann könnte man mehr Tiere bewegen. Gut, ich melde Zweifel an dass wir quantitativ mehr vermarkten können. Mindestens derzeit nicht. Ich hatte gerade erst wieder eine Diskussion über den Preis. Sorry. Aber wir können - oder auch wollen, weil wir eben die Natur UND die Tiere im Fokus haben - nicht "billiger". Wenn ich mit mir meinen Frieden über den Preis gemacht habe - und dem ist so -, dann leiste ich solche Arbeiten durchaus willig. Wobei man den Frust auch mal zeigen muss, weil die Arbeit uns noch über Jahre verfolgen wird. Jedes Winterhalbjahr. Weil die allermeisten Flächen im Solling mit Stacheldraht eingezäunt sind und zwar so ungefähr, seit es Stacheldraht gibt. Sprich in mehreren Lagen. Vielleicht ist das eine im besten Sinne konservative Sicht der Lage. Stacheldraht ist für das Schaf an sich und für den Kontakt mit E-Netzen nicht geeignet. Da unsere Tochter ja die Schäferei fortführen will, ist neben den ganzen Umweltaspekten (Uhu und Co, verletzte Wildtiere aller Arten, strangulierter Baumaufwuchs) auch die zukünftige Praxis des Schäfereibetriebs ein Grund der Anstrengungen. Niemand, wirklich niemand mag Schafe mit Triangeln in der Haut sehen. Das habe ich schon miterleben müssen und ich würde mich freuen, wenn Lena das erspart bliebe. Und Stromtotalverlust durch Zaunkontakt bringt die Schafe massiv in Gefahr. Wir wirtschaften im FFH Gebiet sogar mit Wildnisgebietanteil. Wolf und Luchs sind unvermeidbar. Beide lachen sich über Stacheldraht scheckig. Der Luchs kommt mit uns gut klar. Die bisherigen Durchläufer und das vor ein paar Jahren zwischenzeitlich ansässige Wolfspaar hielt sich auch an die Regeln. Aber diese Regeln gelten eben auch im Umkehrschluss für uns. Fehler - und Stromausfälle gehören dazu - dürfen uns nicht passieren.
Alles in allem sind es aber Arbeiten, wo man am Ende des Tages auch Erfolge sieht. Das ist in anderen beruflichen als auch den Naturschutz betreffenden Bereichen nicht immer gegeben. Also backstage war heute ein Tag, wo die Naturschutzbelange eigentlich auf der theoretischen Ebene Nullnummern waren. Da hätte ich mir Zeit und Einsatz sparen können. Und als Dienstleister leistet man beruflich eben und bekommt dafür Geld. Aber ein zufriedener Blick in die Runde, wenn man abends nach Hause fährt, den hat es nicht mehr. Im Gegenteil. In der Coronaära wird die berufliche Arbeit immer unerfreulicher und man ist ja wirklich schon fast erschrocken, wenn ein Tag mal überwiegend positiv verlief und man nicht quer angemotzt wurde. Da ist die Freude am Beruf mittlerweile fast komplett weg. Die bietet meist maximal noch Situationskomik, weil es immer mehr üblich ist den Arzt komplett durchs Internet zu ersetzen und man dieses tolle (im Sinne von Tollheit) Wissen auch unbedingt dem pharmazeutischem Personal noch eintrichtern will. Manchmal bin ich über die Maske ganz froh. Da muss ich mir zuckende Mundwinkel nicht verkneifen. Aber noch lieber arbeite ich gemütlich eben draußen. Ohne Maske und dennoch ohne Corona-Risiko, mit höchst soliden Schafen und meinem lieben Töchterlein. Und mit einem Tagesergebnis, das sichtbar ist. Das erdet ungeheuer und rückt die anderen Tage wieder gerade. Ohne Schäferei... das möchte ich mir nicht vorstellen müssen. Oder um es deutlich zu sagen: Für solch aussichtslose Situationen gibt es im Solling starke Eichen
Drum ist nach einem körperlich anstrengenden Tag der Körper vielleicht im Akku-leer-Modus. Aber die Seele baumelt und sagt sich zudem: Das bleibt. Der Stacheldraht wächst nicht nach
So hat man bleibende Spuren hinterlassen. Als ich jung war, hat man sich noch im Philosophieunterricht oder nach Belieben im Fach Religion den Kopf darüber zerbrochen warum man auf der Erde ist. Also man ganz persönlich. Ja gut. Wer Kinder hat, hat darauf schon mal potentielle Antworten. Aber meine Antwort liegt eben hier. Hier sollte ich hin. Um durch die Schäferei täglich im Lehrbuch der Natur zu blättern und meinen Teil dazu beizutragen sie zu erhalten. Und das fühlt sich - auch müde - richtig gut an