28./29.5.2022
Die Anreise erfolgte über Istanbul, was insgesamt eine Flugzeit von fast 9 Stunden ausmachte. Schließlich sind über 6000 km zu fliegen. Alternativ könnte man über Moskau oder St. Petersburg nach Bischkek fliegen, aber das kam nicht in Frage und Direktflüge gibt es keine.
Die Fluglinie hatte im Vorfeld mehrfach Flugplanänderungen durchgeführt, sodass ich am Ende einen halben Tag Aufenthalt auf dem großen Istanbuler Flughafen mit Weiterflug um 1 Uhr nachts hatte. Wenn die neue Expressmetro in die Innenstadt fertig gewesen wäre, hätte ich noch einen Stadtbummel gemacht, auch wenn man für Kontrollen bei Rückkehr mindestens 2 Stunden einplanen sollte. Ich habe mir dann auf der Abflugebene ein bequemes Eckchen gesucht und ein Buch gelesen. Entspannung war nicht einfach, da es laut und grell war. Ich erinnere mich an die psychedelischen Lichteffekte eines haushohen Bildschirms in meinem Rücken und die beigesellten pathetischen Chöre, mit denen alle 20 Minuten für weiß was geworben wurde. Ich fand dann einen freien Liegesessel in der Nap-Zone und konnte etwas schlafen. Alternativ hätte ich auch eine Schlafkapsel buchen können, aber für den 2stelligen Betrag pro Stunde hätte ich auch ins Hotel gehen können.
Pünktlich kam ich kurz nach 6 Uhr morgens (die Zeitverschiebung beträgt 4 Stunden) in Bischkek an und wurde vom Hotel abgeholt. Dort konnte ich erstmal duschen, ausruhen und bekam ein Frühstück mit Tee.
Aufgrund der starken Regenfälle und der rutschigen Wege musste am ersten Tag der Besuch des Ala Archa-Nationalparks leider abgesagt werden. Diesen konnte ich aber kurz vor Rückflug besuchen – sehr lohnenswert! Wir haben dann eine Stadtführung bei Fisselwetter gemacht und bei dieser Gelegenheit gleich Geld getauscht. Mit den 4400 Som für meinen knitterfreien 50er kam ich locker aus, da vieles auf der Tour inklusive war, einschließlich Verpflegung. Da ich öfter nach Hause telefonieren und auf die teuren Roamingtarife verzichten wollte, habe ich im zentralen Kaufhaus TZUM (nicht zu verwechseln mit dem GUM – das war gegenüber) einen Handyvertrag über 2 Wochen mit lokaler SIM-Karte und ordentlicher Datenkapazität fürs Surfen über 5 Euro abgeschlossen. Im Kaufhaus war eine ganze Etage mit Anbietern belegt, und es zeigte sich an dieser Stelle schon, dass ein Kirgise ohne Smartphone kein richtiger Kirgise ist. O.K., da muss man sich halt anpassen. Man war auch entsetzt, dass ich weder Facebook, noch Whatsapp oder Telegram nutze. Letztere beiden habe ich notgedrungen auf mein Iphone geladen, damit ich kommunikationsfähig war.
In der Innenstadt fielen die zahlreichen Parks und Baumbestände auf, ein Erbe der Sowjetzeit. Die Stadtplaner haben genau gewusst, dass man damit das heiße Stadtklima verbesserte und den Leuten schöne Plätze bescherte. Das Betreten des Rasens ist übrigens erlaubt. Wenn alle Parkbänke belegt waren, lag man ungeniert im Gras und hat geschlafen oder geschmust. Leider beginnt man, vor allem auf dem Land, die alten Alleen für Straßenverbreiterungen zu fällen. Der Gütertransport verläuft nämlich ausschließlich über LKW, die sich auf den Landstraßen knubbeln. Es gibt praktisch nur eine durchgehende Eisenbahnlinie von Kasachstan über Bischkek nach Balyktschy (dem Eingang zum Issyk-Köl), welche fast nur touristisch genutzt wird. Die Fahrt soll schön sein.
Am ersten Tag habe ich kaum fotografiert, daher nur Bilder vom Skulpturenpark, vom Mittelaltermarkt, einem Kino und von der Wachablösung.
Der Mittelaltermarkt, so nenne ich das mal, lockte die ganze Stadt an. Von einer großen Bühne erklang extrem laute Musik einer Mischung aus treibenden Beats und traditioneller Klänge (auch Obertongesang). Vor der Bühne wurde Schwertkämpfe und ähnliches durchgeführt. Ich ging dann lieber in eine ruhigere Ecke und zupfte in einem Zelt etwas an einer Komuz, eine Langstiellaute und sah den Stelzenläufern zu.
Diese Jungs hier musste ich einfach fotografieren – die wären die Zierde eines jeden Cosplay:
Das Nationalgetränk, Schoro bzw. Maksym, habe ich an diesem Tag noch nicht kosten können, da man dafür erst Gutscheine kaufen musste. Ich habe aber im Laufe der Reise davon kosten können. Schoro besteht aus verschiedenen fermentierten Getreiden. Kalt durchaus genießbar, schmeckt etwas nach Kinderkaffee, ist aber dickflüssiger.
Wie soll man den Stil dieses Kinos nennen?
Als es wieder stärker regnete, sind wir ins Nationalmuseum gegangen. Unten die alte Geschichte, ganz oben die 80er. Auf einer Wand waren die Verknüpfungen der verschiedenen kirgisischen Stämme präsentiert, ganz schön viele, und die Stammeszugehörigkeit hat heutzutage immer noch große Bedeutung. Auch auf die Unabhängigkeit des Landes legt man großen Wert. Man war sehr interessiert, als ich von Estland berichtete, wo die Stadt Tallinn in der Burgmauer ein Porträt zu Ehren Boris Jelzin angebracht hatte, der letztlich das Land durch Zerfall der Sowjetunion befreite. Heiterkeit im Museum, als ich zu einer historischen Schlacht bemerkte, dass die Chinesen auch mal verlieren können. Da waren sie nicht die ersten und die letzten (s. Tamerlan, davon später).
Diese Skulpturengruppe nahe des TZUM greift das Thema Pferde auf. Pferde sind sehr wichtig für Kirgisen, weniger als Fleischtiere (zu besonderen Anlässen wie Beerdigungen oder Jubiläen gibt es schon mal Pferdefleisch), sondern als Milch- und Reitvieh. Überall im Land können kleine Pferdeherden frei herumlaufen und werden von einem Pferdehirten geleitet. Es ist ein schöner Anblick, wenn man aus dem Guesthouse tritt und direkt an der Veranda Stute mit Fohlen vorbeilaufen.
Zum Schluss hatten wir das Glück einer Wachablösung. Am Fotografieren, auch von Soldaten, Parlament usw., stört sich hier keiner. Dürfte bei den allgegenwärtigen Handys auch nicht durchsetzbar sein.
Michael