05.06.2022
In Karakol kamen wir im Hotel „Sweethouse“ unter, ganz O.K. und mit kostenlosem WLAN. Nur das Navi ließ uns die Adresse nicht finden und verfranste sich in Parallelstraßen, die sich immer als Sackgassen erwiesen. Nun kenne ich den Fußballplatz, einige Gewerbebetriebe und die Plattenbauten von Karakol (kein Foto). Letztere sahen zwar ziemlich vergammelt, aber lebendig und friedlich, aus. Kein Vergleich zu den Pariser Banlieus und vergleichbaren Un-Orten.
Das muss ich noch vom Abend des 04.06. nachtragen – wir waren ja noch auswärts essen. Da die Fahrerin Samira von der langen Tagesetappe erschöpft war, fuhren wir mit dem Taxi in die Stadt. Wieder mal mit der Taxiapp, wo man in Sekundenschnelle einen Fahrer, den Preis und die minutengenaue Ankunftszeit genannt bekommt. Meine Begleiterinnen hatten sich sofort mit dem Taxifahrer angefreundet und sich seine Nummer geben lassen – den haben wir des Öfteren an diesem Abend in Beschlag genommen.
Als erstes wollten wir landestypisches Schaschlik. Der Taxifahrer ließ sich etwas einfallen und ließ uns bei einem etwas besseren Restaurant aussteigen. Wir hörten, dass ab 20 Uhr ein DJ kommt und die Tanzfläche des Lokals beschallt. Das erklärte den ganzen Schwung junger Frauen im Club. Da gab es klare Trennlinien zwischen 2 Gruppen, auch räumlich. Hinter uns saß die Fraktion der „Milchweißen“, d.h. Russinnen um die 20 mit Schleifchen, tiefem Dekolleté, Rüschen und Haarspray sowie links von uns ein Treffen kirgisischer Elfen im knielangen, weißen Baumwollkleid. Von den Jungs sah man wenig.
Solche Szenen kenne ich aus der Heimat. Wir hatten mal in Dülken (ein Stadtteil von Viersen) eine ähnliche Location besucht, da in Dülken angeblich der Bär steppt (ironisch). Bei uns ein Running Gag. Was wir in Dülken wie auch in Karakol beobachteten, waren ungeschickte Annäherungsversuche von den Jungmännern (vor Schüchternheit eingesunkene Schultern) mit vorsichtigen Blicken zu den aktiveren Mädels. Ich habe meinen Eindruck meinen Begleiterinnen geschildert, und sie haben zum Bild des steppenden Bärs gelacht: “Wir Bischkeker verwenden einen ganz ähnlichen Ausdruck für das Nachtleben in Karakol!“. So klein ist die Welt! Karakol wurde übrigens von einem Deutschen, dem Baron von Kaulbars, als Garnisonstadt für den Zaren gebaut.
Aber zunächst das Schaschlik. Auf dem Handyfoto hatte ich schon die Vorspeisen hinter mir. Es war immer noch reichlich. Erwähnenswert ist das Angebot der Trinkgefäße. In Restaurants wird immer Tee gereicht, daher die Teeschale. Daneben gibt es ein Wasserglas, ein etwas kleineres Wodkaglas und ein Glas für Tomatensaft. Tomatensaft soll die Wirkung des Wodkas am nächsten Morgen abmildern.
Bedient wurden wir von einem jungen Mann der Emir hieß, welcher ausgesprochen beflissen und höflich seine Arbeit tat und auch im größten Lärm auf seinen Namen hörte (z. B. wenn wieder der Wodka alle war). Ich fragte meine Begleitung nach seinem Alter, er kam mir wie 16 vor. Moment, sagte Samira und rief: „Emir, komm mal her! Wie alt bist du eigentlich?“ Ich hatte recht, er war erst 16.
Nach dem Essen zappelten wir alle ein wenig zu den lokalen Hits, kaum anders als die Tanzmusik bei uns, höchstens etwas mehr Ethno-Elemente. Außer ein paar Handyvideos habe ich allerdings keine Dokumentation von den Tanzenden, der Musik und der Lichtshow.
Der nächste Punkt auf der Tagesordnung sollte eine Karaokebar sein. Das war ganz bestimmt nicht mein Wunsch, und ich weigerte mich schon vorab mitzusingen. Da konnte uns der altbekannte Taxifahrer aber nicht weiterhelfen. Weiß der Bär, warum an einem Samstagabend nichts Vernünftiges zu finden war. Wir waren mal kurz in einem heruntergekommenen Laden drin. Keine anderen Gäste, depressive Bedienung, schlechte Technik. Wir haben danach dem Nachtleben Tschüss gesagt und wurden am nächsten Morgen am Frühstückstisch von der Hotelinhaberin ausgelacht, weil wir schon um 11 zu Hause waren. Humor ist in diesem Land nicht selten.
Das Hotel lag am Stadtrand in Richtung Karakol Nationalpark, den wir uns auch angucken wollen. Der namensgebende Bach, der Karakol, gluckerte Tag und Nacht malerisch zum Fenster herein und die Berge grüßten mit Schnee.
Heute gibt es ganz normales Sightseeing, wie es jeder Tourist macht. Warum auch nicht, wenn es interessant und oder schön ist!
Nach einem üppigen Gemüseomelett fuhren wir morgens zuerst zur dunganischen Moschee. Dieses Bauwerk soll ohne einen einzigen Nagel aus dem Holz der Tien-Shan-Fichten erbaut worden sein. Dunganen sind muslimische Flüchtlinge aus China (Fluchtbewegungen im 19.Jahrhundert). Es sind keine Uiguren, sondern es ist eine chinesischsprachige Minderheit, vielfach von den Hui abstammend. Das erklärt den Baustil.
Bitte verzeiht, dass ich gleich ein Dutzend Bilder von diesem friedlichen Ort einstelle.
Ja, das Minarett steht etwas schief…..
….. hat aber Brandschutzeinrichtungen:
Stillleben:
Spendenbox:
Wir machten uns dann auf den Weg Richtung Viehmarkt. Am Straßenrand fotografierte noch schnell dieses urbane Kunstwerk. Ich mag das wirklich, keine Ironie, nichts!
Die Kioske für Kunstblumen fand ich weniger hübsch:
Das Timing für den legendären Viehmarkt war schlecht, denn es war um 11 schon fast alles vorbei.
Später habe ich dann im Reiseführer den entsprechenden Ratschlag gelesen, am besten vor 10 Uhr zu kommen. Schade, denn ich wollte endlich mal Hausyaks sehen. Ich hatte einer Tante schon 2 Stück für ihren Garten versprochen. Sie nahm es mit Fassung.
Yaks sind sehr wärmeempfindlich und mussten den Markt frühzeitig, vor der Mittagshitze, verlassen. Wer sich große zottige Tiere vorstellt, liegt allerdings falsch. Ich habe auf einer Tour in den tieferen Bereichen unter 2500 m später 2 der domestizierten Tiere beim Almauftrieb gesehen (aber nicht fotografiert). Sie sind ein gutes Stück kleiner wie Kühe und nur ein wenig stärker behaart, eigentlich ganz niedlich.
Schafe waren hingegen noch verfügbar. Meist sind es Fettsteiß-Schafe, so nenne ich sie mal. Sie haben große Fettspeicher im Hintern, was dem menschlichen Allerwertesten ähneln kann.
Einige Marktszenen:
Mobiler Getränkeverkauf, sehr pfiffig!
Vor der Fahrt in den Nationalpark haben wir uns kurz die Kirche der Hl. Dreifaltigkeit angeschaut. Im Innenraum war das Fotografieren nicht gestattet. An das Bild meines Namensgebers, dem Erzengel Michael, kann ich mich noch gut erinnern. So schlank war ich auch mal.
Lost Onion:
Auf zum Karakol-Nationalpark!
Das Gelände war leider umzäunt. Eine unglaubliche Wiese voller Jakobsleiter, vermutlich Polemonium caucasicum.
Diese Tulpenbilder gehörten eigentlich in den Vorgängerthread zur nicht durchgeführten Tulpenexpedition. Ich habe gar nicht mit einer Blüte zu dieser Jahreszeit gerechnet. Vielleicht sollte man doch mal im Frühling wieder in Kirgistan reinschauen…..
Eine kleine Iris:
Picknick! Die halbe Stadt war im Park, sonntags ist das halt so. Auch wenn man die Picknicker nur nach dem Weg oder der Uhrzeit fragt, wird man gastfreundlich eingeladen. Das ist zwar sehr nett, aber man käme nicht vom Fleck, allein für die Zeit, die es braucht, eine Einladung auszuschlagen.
Sanfte Hänge, Wanderwege:
Das müsste Pulsatilla campanella sein:
Wiesenstück:
Ein rotes Geheimnis:
Läusekrautwiese:
Und dieses Mädel wollte unbedingt ein Foto von sich, hat genaue Anweisungen gegeben, was alles draufsoll. Ich habe ihr dann ein paar Bilder auf Telegram geschickt, d.h. ohne ihre Bitte wäre ich nie zu dieser App gekommen. Was Kirgistan einem alles abverlangt (aber auch gibt)! Inzwischen habe ich schon 4 Kontakte auf Telegram, darunter nach Jahren wieder einen mit meiner liebsten halbjemenitischen Feministin (Deviant Green weiß, wen ich meine).
Eindrücke aus dem Wald mit Anemonen, Riesenblättern und Birken:
Kein Gebirgsland ohne Edelweiß! Ist ziemlich häufig in Kirgistan.
Landschaft, Erosion, Insektenbehausungen:
Und schließlich wieder im Hotel zurück. Alpenglühen vom Fenster aus:
Übrigens verschicke ich gerne größere Fotos, wenn jemand einen schönen Hintergrund oder sowas haben möchte.
Im nächsten Bericht gibt es fantastische Felsformationen und das traumhafte, bizarre Skaska-Tal zu sehen.
😊
Michael