Mein Bruder hatte sich vor ca. 15 Jahren auch mit einem Handwerksbetrieb selbständig gemacht, er hatte gerade seinen Meister gemacht, als der Seniorchef des Unternehmens überraschend verstarb und der Junior das Unternehmen an die Wand fuhr. Ich arbeitete damals im Büro von meinem Bruder, die Firma lief gut, wir konnten viele Altkunden übernehmen und hatten reichlich Aufträge. Schon damals ging es mit dem Bauboom los, der bis heute anhält, und schon vor 10 Jahren war es schwierig, neue Mitarbeiter zu finden. Es kündigten einige Mitarbeiter, um im Rhein-Main-Gebiet einen besser bezahlten Job anzunehmen (hier auf dem Land war es halt schwierig, entsprechende Löhne zu zahlen), und der frisch ausgelernte Azubi ging sogar gleich in die Schweiz. Letztendlich musst mein Bruder seinen Betrieb wieder schließen, weil es einfach nicht möglich war, ohne Fachkräfte alles selbst zu machen. Wir waren damals nicht unverschämt mit den Preisen, und natürlich sollte die Arbeit qualitativ hochwertig sein, trotz hohem Kostendruck aus allen Richtungen.
Von daher habe ich ein wenig Einblick in die Preisgestaltung von Handwerksbetrieben, und wenn man eigentlich schon genügend Aufträge hat, macht man die Angebote - gerade solche für Privatpersonen, aber auch Ausschreibungen - absichtlich so teuer, dass man den Auftrag eben nicht bekommt. Es ist immer aufwändig, ein wirklich angemessenes Angebot zu erstellen, und logischerweise will man seine Arbeitszeit nicht damit verschwenden, wenn man an dem Auftrag ohnehin nicht sehr interessiert ist. Im Handwerk haben wir leider seit etlichen Jahren das Problem, dass ein extremer Fachkräftemangel herrscht, aber gleichzeitig kann man - zumindest auf dem Land - auch nicht die Löhne bieten, welche die Arbeit für viele Interessenten attraktiv machen würde. Man kann sich seine Kundschaft also aussuchen, und pickt sich diejenigen heraus, die den meisten Profit beim geringstmöglichen Aufwand versprechen.
Meistens gibt es einen festen Kundenstamm, den man vorrangig bedient, im Bereich GaLaBau vermutlich Generalunternehmer, die Pflasterarbeiten und dergleichen bei Neubauten an Subunternehmer vergeben. Es ist ja leicht einzusehen, dass auf einer großen Baustelle, wo die Bagger ohnehin schon großflächig "Tabula rasa" gemacht haben, mit geringerem Aufwand gepflastert werden kann als bei privaten Interessenten, wo noch x Sonderwünsche zu beachten sind, wo man sich selbst um Entsorgung usw. kümmern muss etc. Mag sein, dass es gerade auf dem Land auch noch vorkommen kann, dass vermeintlich unbedarfte Kunden (insbesondere Kundinnen) gerne über den Tisch gezogen werden, weil sie halt niemand anderen finden, der diese Arbeiten machen kann. Mag sein, dass das manchmal Absicht ist, aber oft ist es auch einfach nur pur "Notwehr", weil die Firma solche Aufträge halt lieber erst gar nicht annehmen will.
Leider habe ich keine Erfahrungswerte, um einschätzen zu können, ob die von Dir genannten Angebote wenigstens halbwegs realistisch sind. Es ist aber Fakt, dass der Preis für Baumaterialien im Moment gerade durch die Decke geht, und dass selbst seriöse Unternehmen vermutlich nicht hinterherkommen, vernünftige Angebote zu kalkulieren. "Tagespreise" hin oder her, in der Vergangenheit konnte man die Preise für Material mit ein wenig Erfahrung recht gut abschätzen, heute funktioniert das einfach nicht mehr, auch bei vermeintlich simplen Dingen wie einer LKW-Ladung Schotter, für die ein Baustoffhändler noch nicht einmal vernünftig die Transportkosten kalkulieren kann, weil der Dieselpreis innerhalb weniger Wochen um 20 bis 30% schwanken kann. Letztendlich kann ich nur sagen, dass ich sehr froh bin, hier am Haus die meisten derartigen Arbeiten selbst in die Hand genommen zu haben, weil ich mir externe Handwerker für solche Dinge schlicht und einfach nicht leisten kann...