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Pflanzenwelt => Botanik => Thema gestartet von: troll13 am 07. September 2015, 21:55:30

Titel: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: troll13 am 07. September 2015, 21:55:30
Hallo zusammen,

gibt es hier im Forum, der mir die Notizen zu diesemhistorischem Herbarblatt erklären kann.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass es sich hier um eine Pflanze handelt, die auf die Japanreisen von Franz von Siebold zurückzuführen ist und die später (wo?) neu bestimmt wurde?

Hintergrundinformationen zu den genannten Herbarien würden mir bei meinen Recherchen sehr helfen, um dieses Herbarblatt als Original zeitlich einordnen zu können.

Vielen Dank im Voraus

troll 
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: Gartenplaner am 07. September 2015, 22:23:36
Oh, das ist ja spannend....
Also, anhand der Beschriftung gehörte das Blatt zur Botanischen Staatssammlung München
Die Beschriftung "Herb Zuccarinii" weist auf Joseph Gerhard Zuccarini, dessen privates Herbar von der Universität München 1849 aufgekauft wurde und das Aufsammlungen einer Vielzahl zeitgenössischer Botaniker enthielt, unter anderem von einem J. Bürger Aufsammlungen aus Japan und von P.F. v. Siebold aus Malaya und Japan.
Hier unter Zuccarini nachzulesen.
Und dann ist es 1857 nach England gegangen?
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: troll13 am 07. September 2015, 22:32:03
Ich meine hier den Namen "Bürger" zu erkennen. mag dies auf den Naturforscher Heinrich Bürger hinweisen, der Franz von Siebold auf seiner Japanreise in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begleitete?
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: troll13 am 07. September 2015, 22:38:45
Gartenplaner,

was mag die handschriftliche Anmerkung "A. thunbergii" (?) rechts von dem gedruckten Aufkleber bedeuten?
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: Hortus am 07. September 2015, 22:55:01
Siehe auch hier;    http://apps.kew.org/herbcat/getImage.do?imageBarcode=K000396202
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: Hortus am 07. September 2015, 23:00:38
Gartenplaner,

was mag die handschriftliche Anmerkung "A. thunbergii" (?) rechts von dem gedruckten Aufkleber bedeuten?

Vermutlich gab es einst Zweifel an der Richtigkeit der Bestimmung, wobei  Astilbe thunbergii in Betracht gezogen wurde.
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: *Falk* am 07. September 2015, 23:22:22
vor A .thunbergii steht wahrscheinlich Takoe als Fundort.
edit -Link entfernt
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: Gartenplaner am 07. September 2015, 23:27:05
Bürger und Siebold sind ja auf jeden Fall auf dem Blatt aufgeführt,  und in dem Link über die Zusammensetzung der Zuccarini-Sammlung wird ein J. (mit Fragezeichen) Bürger aufgelistet, der in Japan gesammelt hat und Philipp Franz von Siebold, der in Malaya und Japan gesammelt hat - vielleicht ist das ja eigentlich H. Bürger und nicht J. Bürger, aber das dürfte schwer rauszufinden sein....

Leider kann ich schlecht Handschriften lesen, die Beschreibung scheint mir zu lauten:
"Hoteia japonica
(Exclus Spiraea Aruncus L. Thb.,
quae aeque in Japonia invessitur)
Thb. plant. ???obus??? p. 363 n. 92"

Soweit ich das verstehe, weist die Anmerkung in der Kartusche darauf hin, dass abzuklären ist, ob die gesammelte Pflanze nicht Aruncus dioicus ist, der damals Spiraea aruncus genannt wurde, und auch in Japan vorkommt...
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: Argo am 07. September 2015, 23:48:33
Gibt man den Barcode ein, erscheint dies...

http://apps.kew.org/herbcat/getSearchPageResults.do?typeSpecimen=false&imageSpecimen=false&currentName=true&typeOfCollection=all_collection&familySel=&family=&collector=&collectingNumber=&genus=&country=&species=&barcode=K000396202&infraspecificName=&x=51&y=8&nameOfSearchPage=search_page
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: lerchenzorn am 08. September 2015, 07:56:04
Das ist der Dateneintrag zu dem von Hortus verlinkten Herbarblatt, das offenbar das (oder: ein?) Typus-Exemplar von Astilbe japonica enthält.

Hier ist der Eintrag zu dem von troll13 eingangs verlinkten Bogen, der nach aktueller Bestimmung Astilbe thunbergii enthält. Gesammelt von Siebold. Ohne Datumsangabe. Kein Typus-Beleg (der liegt im Herbarium Florenz)

(Hoteia thunbergii wurde 1845 beschrieben, Hoteia japonica schon 1834 (1, 2, 3). Mag sein, dass A.-thunbergii-Belege so lange unter H. japonica erfasst wurden und dieser spezielle Beleg später von Siebold und Zuccarini selbst nicht mehr revidiert worden ist. Ich weiß es nicht.
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: troll13 am 08. September 2015, 21:14:45
Vielen dank an alle, die mir hier weiter geholfen haben.

Habe eben noch zwei Puzzleteile gefunden.

Auf Siebold und Zuccarini ist offenbar wirklich eine "Hoteia" thunbergii zurückzuführen. Auf der Kew-Seite habe ich über Umwege den selben Quellenverweis wie Lerchenzorn gefunden: "Abh. Math.-Phys.. Cl. Königl. Bayer. Akad. Wiss. 4 (2): 191 1845".

Der Artname "Astilbe" thubergii scheint jedoch erst 1867 durch F. A. Miquel vergeben worden zu sein. (Quellenverweis: "Ann. Mus. Bot. Lugduno-Batavi 3: 96 1867)

Das passt auch zu den Herbarblättern bei Kew, die aus Petersburg von Maximovicz von 1860 stammen und die auch noch als "Hoteia" japonica" und "Hoteia" chinensis bezeichnet sind.

Was ich nicht ganz verstehe, ist die Sache mit dem Typus-Beleg, der erst auf das Jahr 1904 datiert ist. Ist das nun das Datum der endgültigen Bestimmung von Astilbe thunbergii?

Wie kann dann dann Victor Lemoine schon um 1895 herum ersten die A. x lemonei-Sorten (A. astilboides x A. thunbergii) gekreuzt haben? A. thunbergii müsste unter diesem Namen zumindestens in botanischen Sammlungen unter diesem Namen schon Jahrzehnte kultiviert worden sein.

Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: lerchenzorn am 08. September 2015, 22:04:32
Die Art Hoteia thunbergii ist im Jahr 1845 von Siebold & Zuccarini gültig beschrieben worden und wurde 1867 durch Miquel "umkombiniert", so dass sie ab da zur Gattung Astilbe gehört, die 1825 von Buchanan-Hamilton mit der Beschreibung von Astilbe rivularis "aufgestellt" wurde. Da die Gattung Hoteia (mit der nordamerikanischen Art biternata und der asiatischen japonica) erst 1834 beschrieben wurde und diese Arten von Miquel später mit Astilbe rivularis als zur selben Gattung gehörig erkannt wurden, hat der Name Astilbe Priorität.

Zum Typus: Vermutlich wurde zur Erstbeschreibung von Siebold und Zuccarini kein Typus hinterlegt oder er ist verschollen. Es wird dann ein der Beschreibung bestmöglich entsprechender, anderer Beleg gesucht, der als Typus dienen soll (so genannter Lectotypus). Dieser muss nicht unbedingt von den Autoren der Sippe gesammelt worden sein, sondern nach Auffassung dessen, der den Typus auswählt, die Beschreibung bestmöglich treffen. Wie die Dinge hier liegen, wäre mit mühseligem Quellenstudium vielleicht zu klären, aber ob es Dir viel geben würde?  ;)

Nomenklatur und Taxonomie sind fitzelige Angelegenheiten und ich verstehe davon nicht viel. Ich weiß in dieser Sache hier zum Beispiel nicht, ob Hoteia thunbergii und Astilbe thunbergii nach den nomenklatorischen Regeln einen jeweils eigenen Typusbeleg brauchen oder ob nur der Namen Astilbe thunbergii mit einem Typus zu belegen ist. Ich vermute Letzteres. Was ich im Moment auch nicht erklären kann, ist, dass der Name üblicherweise mit der Autor-Kombination "(Siebold & Zucc.) Miq." aufgeführt, bei TROPICOS aber nur Miquel zugeschrieben wird.
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: troll13 am 08. September 2015, 22:21:05
Danke dir. :D

Also scheint die Zeitreihe der historischen Einführungen der asiatischen Wildformen einigermaßen sicher zu sein. Zuerst A. rivularis aus dem nördlichen China, dann A. japonica und A. thunbergii aus Japan und danach erst unter dem Namen A. rubra die ersten Astilben aus dem " A. Chinensis-Komplex", die allerdings aus Nordost-Indien stammen dürften, für deren erfolgreiche Gartenkultur in Europa es jedoch Belege zu geben scheint.
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: lerchenzorn am 08. September 2015, 22:29:27
 8) Da weißt Du viel mehr als ich.

Noch was doofes, das Deine Erkenntnis von eben aber zum Glück nicht weiter stört: Hier gibt es einen anderen Lectotypus von Astilbe thunbergii, in München.
Ich habe keine Ahnung, was von dem Eintrag bei TROPICOS zu halten ist, nur, dass auch mehrere Typen zu einem Namen gewählt werden können.
Titel: Re: Historischer Herbarbelg
Beitrag von: troll13 am 09. September 2015, 20:53:26
Folgt man der "Flora of China" ist die im südwestlichen China und angrenzenden Regionen verbreitete Astilbe rubra Hook. f & Thomson eine eigenständige Spezies. Diese Astilbe wurde 1850 auf einer Expedition in Nordosten Indiens entdeckt und mit relativ großer Sicherheit als lebende Pflanze nach Europa eingeführt. Dafür spricht nicht nur die Illustration eine blühenden Pflanze im Curtis's Botanical Magazine 1857 sonder auch in einem Sortimentskatalog des belgischen Gärtners Louis van Houtte. Interessant ist dabei, dass es sich offenbar um dieselbe Zeichnung handelt, die jeweils nur seitenverkehrt abgedruckt ist.

Sowohl diese Illustrationen als auch die Orginal-Herbarbelege in Kew zeigen für mich eine Pflanze, die ich ohne den Namen "Astilbe rubra" zu kennen, in den "Astilbe Chinensis-Komplex" einordnen würde.

Die Systematik in "The Plant List" gibt dieser Astilbe auch den Status der Artnamen gebenden Erstbeschreibung des gesamten "Astilbe Chinensis-Komplexes".

Wie groß mögen die genetischen Unterschiede zwischen Astilbe rubra Hook. f. & Thomson  und Astilbe chinensis (Maxim.) Franch. & Sav. bzw. der Varietät Astilbe chin. var davidii wirklich sein? Sind morphologische Abweichungen bei einer Spezies , die in einen derart großen Verbreitungsgebiet wie die chinesischen Astilben zu finden sind, nicht einfach nur "normal"?

Wenn ich bedenke, wie groß die morphologische Variabilität von mir gesammelter Molinia caerulea und Dryopteris filix-mas sein kann... ::)

Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: troll13 am 27. September 2015, 14:07:48
Egal, was wir hier auch herumgerätselt haben und was immer es auch mit diesem Herbarbeleg auf sich hat..

Auch wenn die Pflanze für diesen Herbarbeleg tatsächlich Astilbe thunbergii sein sollte, ist fraglich, ob sie je als lebendes Exemplar nach Europa eingeführt wurde. In späteren Jahren ist jedenfalls nichts darüber in der Literatur zu finden.

Die Astilbe thunbergii, die als Züchtungsgrundlage für die Hybriden von Lemoine, Arends und Ruys dienen sollte, wurde nach mehrenen blegbaren Quellen erst um 1880 herum von der Firma Veitch & Sons nach Europa eingeführt.

Trotzdem danke für eure Hilfe. ;D
Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: troll13 am 26. Dezember 2015, 10:17:37
Frohe botanische Weihnachten zusammen. ;D

Über die Feiertage beschäftige ich mir wieder mit der Zuordnung eines Herbarbelegs, den ich zeitlich nicht unterbringen kann.

Er wurde offenbar erst 2008 in China (?) als Astilbe microphylla Knoll bestimmt.

Die Erstbeschreibung dieser Art stammt von dem östereichischen Botaniker Fritz Knoll Anfang des 20. Jahrhunderts und basiert u. a. auf diesem anderen Herbarbeleg, der schon 1864 in Japan gesammelt wurde.

Hintergrund meines Interesses ist eine "Astilbe chinensis Hort.", die um die Jahrhundertwende in GB kultiviert wurde, die aber nicht als die "echte" A. chinensis angesehen wurde, da sie vermutlich aus Japan stammte.

Woher diese Pflanze wirklich stammt, wer sie und wann genau nach Europa eingeführt hat bleibt jedoch unklar. Für A. microphylla ist übrigens auch das Synonym A. chinensis var. japonica zu finden.

Mag diese Pflanze auf dem ersten Herbarbeleg identisch mit der historisch belegbaren Gartenastilbe sein? Wer könnte sie gesammelt haben?

Vielleicht mag ja wieder jemand miträtseln und hat Ideen zu dem einzigen offenbar wirklich historischen Eintrag bzw. Aufdruck "The Bernardi Herbarium" Darunter scheint noch etwas handschriftlich hinzugefügt worden zu sein, das ich ich jedoch nicht entziffern kann.

Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: Appassionato am 26. Dezember 2015, 10:46:12
leider funktioniert der Link zum ersten Beleg bei mir auf firefox nicht ("kann nicht angezeigt werden..."). :(
Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: troll13 am 26. Dezember 2015, 11:01:23
Noch ein Versuch mit der Original-Webseite. Das Bild lässt sich vergrößern.
Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: Appassionato am 26. Dezember 2015, 11:39:19
Schön!
Klar ist jedenfalls, dass der Beleg von Johann Jakob Bernhardi gesammelt wurde, der 1850 starb. Da keine Fernreise Bernhardis genannt wird, hatte er ihn wohl aus seinem Erfurter Garten. Welche Pflanze jeweils tatsächlich vorlag, scheint mir die weit schwierigere Frage. Astilbe japonica A. Gray soll 1830 von Siebold eingeführt worden sein. Sie wurde 1834 in Gent anhand eines von Siebold eingeführten Exemplars Hoteia japonica benannt. Sie war 1837 in Berlin und bei Bernhardi in Erfurt.

Allgemeine Gartenzeitung 5.1837:288

Hilft das weiter? Von da an ist ständig von Hoteia japonica die Rede, ohne dass ich das alles nachgelesen habe.
 
Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: troll13 am 26. Dezember 2015, 12:06:59
Danke für den Hinweis,

Auf den Gedanken, ass es sich auch um eine Pflanze aus einem europäischen Garten handeln könnte, bin ich selbst nicht gekommen. ::)

Werde diesen Beleg mal mit anderen historischen herbarbelegen von A, japonica vergleichen.
Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: troll13 am 26. Dezember 2015, 16:44:28
Nochmals vielen Dank für den Schubs in die richtige Richtung. :D

Der Zeitrahmen, in dem die Sammlung Bernhardi zusammengetragen wurde, lässt eigentlich nur Astilbe japonica (alias Hoteia ...) zu. Wenn man die Blütenstellung in dem Herbarbeleg mit diesem Foto von A. japonica vergleicht kann es nicht A. microphylla sein.

Aber mein Bauchgefühl hat mich doch nicht getäuscht. Hier stimmt was nicht. ??? Es ist offensichtlich die Nachbestimmung der chinesischen Botaniker. Eigentlich etwas peinlich für das ansonsten immer korrekte Portal "Tropicos". :-\
Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: Appassionato am 26. Dezember 2015, 16:57:06
Ich wollt's ja nicht sagen, weiil ich von Astilben nichts verstehe. Befürchtet hatte ich aber schon, dass es sich hier wie üblich verhält: Die Botaniker sehen auf die Pflanze und kommen meistens nicht auf die Idee, auch geschichtliche Fakten zu berücksichtigen... :-\
Titel: Re: Historischer Herbarbeleg
Beitrag von: lerchenzorn am 01. Januar 2016, 17:05:40
Schön!
... Da keine Fernreise Bernhardis genannt wird, hatte er ihn wohl aus seinem Erfurter Garten. ...

Damalige Herbarien sind zu großen Teilen aus Tausch und Zukauf zusammengetragen worden. Bernhardi muss diese Pflanze nicht selbst gesammelt haben.
In der Tropicos-Datenbank steht zu diesem Beleg im Sammler-Feld deshalb auch ganz richtig "Anonymous".
Für Bernhardi werden in der englischsprachigen Wikipedia das Tauschen und die Zugänge aus anderen Aufsammlungen ausdrücklich erwähnt (wenn auch nicht belegt).

Zur richtigen oder falschen Bestimmung des Beleges kann ich nicht viel sagen. Ich sehe aber auch keine besondere Ähnlichkeit zu dem anderen Herbarbeleg
und zur Beschreibung von Knoll. Fehlbestimmungen von Belegen sind nicht so selten, auch nicht in namhaften Sammlungen.