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Garten- und Umwelt => Gartenbuch => Thema gestartet von: Markus P. am 30. September 2019, 12:21:09

Titel: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Markus P. am 30. September 2019, 12:21:09
Hallo liebes Forum,

Es gibt ja immer wieder mal populärwissenschaftliche Botanikbücher, aber einige sind mit der heißen Nadel gestrickt oder beschreiten unwissenschaftliche Nebenpfade. Mich (als Naturwissenschaftler) nervt das dann immer. Aber gut geschriebene Wissenschaft ist Gold wert. Ich erinnere mich da an „Der Pilz, der John F. Kennedy zum Präsidenten machte“ von Bernard Dixon oder "Die Botanik der Begierde" von Michael Pollan. Die sind beide schon ein paar Jährchen alt. Gerade lese ich "Die Intelligenz der Pflanzen" von Mancuso.
Also, schön raffiniert und locker verpackte fundierte Wissenschaft. Gibt es Vorschläge/Meinungen? Gerne auch Englisch.

Bin gespannt Markus
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Roeschen1 am 30. September 2019, 12:29:06
Kennst du die Bücher von Jürgen Feder, ein außergewöhnlicher Botaniker, schon?
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Markus P. am 30. September 2019, 13:29:34
Die Bücher kenne ich nicht. Ich kenne ihn aus diversen TV Auftritten. Das fand ich mal ganz unterhaltsam, mal nervig. Hängt natürlich sehr vom Format ab.
Lohnen sich die Bücher?
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Roeschen1 am 30. September 2019, 13:56:10
Ich fand es interessant, weil es den Blick auf meine Umgebung geschärft hat.
https://www.amazon.de/Feders-fantastische-Stadtpflanzen-Entdeckungstouren-Extrembotaniker/dp/3499631148/ref=sr_1_4?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=2D3MXZWBJ6E36&keywords=j%C3%BCrgen+feder&qid=1569844379&s=books&sprefix=j%C3%BCrgen+f%2Cstripbooks%2C215&sr=1-4#reader_3499631148
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 00:11:19
das erste Buch von Jürgen Feder habe ich gekauft. Dann ließ meine Begeisterung für den Typ spontan nach.

Die von Markus P. erwähnten Bücher kenne ich alle nicht.

Gerade habe ich angefangen Torben Halbe, Das wahre Leben der Bäume, zu lesen. Sehr empfehlenswert.
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 00:22:54
Botanik der Begierde ist von Michael Pollan übersetzt. Autoren Übersetzer sind Martina Tichy, Christine Buchner und es geht um vier Pflanzen, die die Welt betrachten.

Erinnerte mich an Fünf Pflanzen verändern die Welt von Henry Hobhouse. Mochte ich, wahrscheinlich steht es immer noch im Bücherregal.

Torben Halbe und Henry Hobhouse kommen beim Schreiben über Pflanzen ohne "Begierde" und "Intelligenz" aus. Das schätze ich, bekanntermaßen.

edit: Markus P verlinkt am 9. Oktober 2019 das englische Original.

Hier das Original: https://www.amazon.com/gp/product/0375760393/ref=dbs_a_def_rwt_bibl_vppi_i4
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: thuja thujon am 01. Oktober 2019, 08:18:31
Das schätze ich, bekanntermaßen.
Ich bin da auch sehr empfindlich und habe mich deshalb noch an keines dieser Bücher herangetraut. Sind die wirklich ohne Schreikrampf zu lesen?
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 11:08:07
Torben Halbe und Henry Hobhouse? Ja, sicher, ohne Schreikrampf und mit Gewinn! Ich mag diese Kategorie books that don't suck.  ;D
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Kasbek am 01. Oktober 2019, 13:05:30
Weil gerade Humboldtjahr ist: „Pflanzenjäger“ von Kej Hielscher und Renate Hücking. Acht biographische Porträts von Botanikern bzw. sonstigen Forschern, die Markantes für die Einführung von Pflanzen in europäische Kultivierung getan haben (Siebold, Dietrich, Micholitz …). Curt Backeberg ist da auch dabei, und mit dessen eigenen Büchern über seine Kakteen-Sammelreisen kannst Du dann gleich weitermachen (mit der gebotenen Vorsicht, was seine Nomenklatur betrifft).

Und überhaupt: Historische Reiseberichte sind oft Fundgruben in dieser Richtung. Ich hab' als Student vor Jahrzehnten in der Deutschen Bücherei Leipzig den dreibändigen Bericht von Martius und Spix über ihre Brasilien-Expedition 1817–1820 gelesen, wenn ich grade nix anderes zu tun hatte – hochinteressant!  :D Da tun sich dann unendliche Felder auf. Wenn Du explizit populärwissenschaftliche Editionen suchst, schau mal, ob Du antiquarisch an die von Herbert Scurla herausgegebene „Reisen deutscher Forscher“-Buchserie aus dem Verlag der Nation herankommst (die meisten Bände sind für relativ kleines Geld beschaffbar). Den Band „Im Lande der Kariben“ (Humboldt, die Schomburgk-Brüder, Appun) habe ich noch als Kind förmlich verschlungen und etliche Male gelesen, auch wenn ich damals logischerweise noch nicht alles in seiner kompletten Tragweite verstanden habe, was da stand. Die Bände enthalten jeweils eine grundlegende Einführung ins behandelte Gebiet (von Scurla selbst – bestimmte Aspekte muß man vor dem politischen Hintergrund der Erscheinungszeit, die letzten drei Jahrzehnte der DDR, einordnen können) und dann Auszüge aus den Reisetagebüchern oder anderen Veröffentlichungen der Reisenden, gekürzt und sprachlich behutsam geglättet, aber generell sehr stark orientiert, einen authentischen Eindruck zu hinterlassen. Eine Liste der von Scurla herausgegebenen Bände, kopiert aus seinem Wikipedia-Artikel:
*****
Entdeckungen auf vier Kontinenten (anlässlich des 100. Todestags von Alexander von Humboldt), Berlin 1959; Reisen im Orient, Berlin 1961; Jenseits des Steinernen Tores, Berlin 1963; Im Lande der Kariben, Berlin 1964; Reisen in Nippon, Berlin 1968 (neu zuletzt 1990); Im Banne der Anden, Berlin 1971; Zwischen Kap und Kilimandscharo, Berlin 1973; Im Reich des Königs der Könige, Berlin 1976; Auf Kreuzfahrt durch die Südsee, Berlin 1977; Durch das Land der Azteken, Berlin 1978 (neu zuletzt 1987)
*****
Es sind in der Reihe auch noch nach Scurlas Tod einzelne Bände erschienen (u.a. „Zwischen Hudson und Mississippi“ über das östliche Nordamerika und einer namens „Nördlich von Europa“ über Grönland).

Wenn wir einmal bei der DDR-Literatur sind, die antiquarisch zumeist noch auftreibbar ist (und oft für kleines Geld), machen wir doch gleich dort weiter: „Pflanzenwelt – von uns erlebt“ von Roland Naumann ist eher für Kinder und Jugendliche geschrieben, kann man aber auch als Erwachsener noch mit Genuß lesen. (Es gibt von Manfred Bürger auch das – zuerst dagewesene – Pendant „Tierwelt – von uns erlebt“.) Als Klassiker gilt „Thüringen – Kreuzweg der Blumen“ von Otto Schwarz, das auch in meinem Regal steht, aber noch ungelesen ist  :-[ „Blühende Bergheimat“ von Horst Heynert lohnt sich auch, und er hat auch noch weitere Bücher verfaßt, die ich aber noch nicht gelesen habe.

Und noch was in eine ganz andere Richtung: „What If – Was wäre wenn? Wirklich wissenschaftliche Antworten auf absurde hypothetische Fragen“ von Randall Munroe ist das beste populärwissenschaftliche Buch der letzten Jahre – der Fokus liegt hier auf Physik, Chemie, Astronomie, aber Botanik wird zumindest mal randständig gestreift (Kastaniensterben in Nordamerika, phototoxische Reaktion der Pastinake …). Hab' ich zwischenzeitlich sicher bald zehnmal gelesen (obwohl ich eigentlich keine Zeit dafür habe  :-[) und lache immer noch Tränen  :D
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Waldgärtner am 01. Oktober 2019, 13:49:35

Gerade habe ich angefangen Torben Halbe, Das wahre Leben der Bäume, zu lesen. Sehr empfehlenswert.

Wie liest sich das im Vergleich zum fast gleichnamigen von P. Wohlleben?
Ist das eine Art wissenschaftlicher Korrektur, wie der Name nahelegt?
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 18:32:31
exakt! Es ist ein überaus vernünftiges Buch und im Vorwort geben forstwissenschaftliche Professoren ihrem Frust Ausdruck über diese unsäglichen Bücher von du weißt schon wem.  ;) ;D Man sei einfach sprachlos gewesen, bis dieser junge Biologe, der sich in populärwissenschaftlichem Journalismus ausbilden lassen wird, diesen Text verfasst hatte.
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 18:44:01
gerade in meinen Bücherstapeln gekrost, es ist Nikolaus Amrhein, - ein Name, der mir als Rheinländerin super sympathisch ist - der geschrieben hat: "Die meisten meiner Kollegen, wenn sie das Buch überhaupt gelesen haben sollten, halten Wohllebens Thesen für so offenkundig unwissenschaftlich und unhaltbar, dass sie es gar nicht für nötig befinden, sich öffentlich kritisch dazu zu äußern. "Ich habe das Buch nie in der Hand gehabt und nur schreckliche Dinge darüber gehört", schrieb mir ein namhafter Kollege. Angesichts der Popularität des Buches muss auch ich mir den Vorwurf machen, es erst dann gelesen und seine gefährliche Tragweite erkannt zu haben, als mir Torben Halbe das Manuskript seines Buches "Das wahre Leben der Bäume geschickt hatte. ... "

Forstwirtschaftler mögen ja auch forstwirtschaftliche Interessen vertreten, aber auch für Biologen ist das, was du weißt schon wer, schreibt völlig durchgeknallt. Biologen wie Torben Halbe und ich gruselts einfach nur und Torben Halbe kann das sehr sachlich und sehr lesenswert und ohne zu verletzen oder einem auf den Nerv zu gehen, rüber bringen.
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Gartenplaner am 01. Oktober 2019, 18:56:41
"Was Pflanzen wissen: Wie sie hören, schmecken und sich erinnern" von Daniel Chamovitz, die völlig überarbeitete Ausgabe von 2019.
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Waldgärtner am 01. Oktober 2019, 20:18:58
exakt! Es ist ein überaus vernünftiges Buch und im Vorwort geben forstwissenschaftliche Professoren ihrem Frust Ausdruck über diese unsäglichen Bücher von du weißt schon wem.  ;) ;D Man sei einfach sprachlos gewesen, bis dieser junge Biologe, der sich in populärwissenschaftlichem Journalismus ausbilden lassen wird, diesen Text verfasst hatte.

Sehr gut, das besorge ich mir direkt!
Hoffentlich spricht sich das rum und Peter wird nicht mehr in jede Sendung mit entfernt forstwissenschaftlichem Bezug gezerrt!
Beim anderen Buch hatte ich schon nach wenigen Seiten Nackenschmerzen vom vielen Kopfschütteln und Sorge, dass die Augen stehenbleiben vom permanenten Rollen...
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Floris am 01. Oktober 2019, 20:31:06
Ich las eben "Ein Stück Land" von John Lewis-Stempel.

Betrachtungen durch das Jahr eines Engländers, der ländlich lebt mit kleiner Landwirtschaft.
In zwölf Kapiteln nach den Monaten aufgeteilt.
Alltägliche Beobachtungen, die vielen geläufig sein dürften, angereichert mit sachlichen Details (wie berechnet man das Alter eines Wiesenameisennestes?) philosophischen Betrachtungen und Fundstücken aus der englischen Literatur.

Ein sehr angenehmes Buch
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 20:37:34
"Was Pflanzen wissen: Wie sie hören, schmecken und sich erinnern" von Daniel Chamovitz, die völlig überarbeitete Ausgabe von 2019.

 ;D

Re: Peter Wohllebens Phantasien über Pflanzen, Tiere und überhaupt alles

 ;D
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 20:51:57
Ich las eben "Ein Stück Land" von John Lewis-Stempel.

Betrachtungen durch das Jahr eines Engländers, der ländlich lebt mit kleiner Landwirtschaft.
In zwölf Kapiteln nach den Monaten aufgeteilt.
Alltägliche Beobachtungen, die vielen geläufig sein dürften, angereichert mit sachlichen Details (wie berechnet man das Alter eines Wiesenameisennestes?) philosophischen Betrachtungen und Fundstücken aus der englischen Literatur.

Ein sehr angenehmes Buch

 :D ich bin gerade begeistert von den Büchern des Schäfers des Lake Districts. James Rebanks. Er hat ziemlich viel mitzuteilen über die Jahrtausende in denen Niemande Kulturlandschaften gestaltet haben. Die Sozialkultur der Almende. Es gibt da auch eine, die erste Frau, Nobelpreisträgerin der Wirtschaftswissenschaften, Elinor Ostrom, die über gemeinschaftlich genutzte Ressourcen Feldforschung betrieben hat. Ein zukunftweisendes Thema!

Mein Leben als Schäfer.

The Shepherd's View: Modern Photographs from an Ancient Landscape.

Der Mann ist in öffentlichem Auftrag global unterwegs und berichtet von Schafzucht in allen Gegenden der Welt.
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 20:58:15
Ein Stück Land: Mein Leben mit Pflanzen und Tieren, John Lewis-Stempel, die gebundene Ausgabe habe ich gerade bestellt. Danke Floris!
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: RosaRot am 01. Oktober 2019, 21:06:04
Mein Leben als Schäfer, Danke! Kommt auf die Merkliste und wird ein Weihnachtsgeschenk.
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Gartenplaner am 01. Oktober 2019, 21:15:25
"Was Pflanzen wissen: Wie sie hören, schmecken und sich erinnern" von Daniel Chamovitz, die völlig überarbeitete Ausgabe von 2019.

 ;D

Re: Peter Wohllebens Phantasien über Pflanzen, Tiere und überhaupt alles

 ;D
da darf sich dir so viel sträuben, wie will  ;D
Wenn du es gelesen hast, können wir drüber diskutieren - oder wahrscheinlich nicht....  ;D

"Ein Stück Land" hatte ich als Wiesenfan schonmal in meiner amazon-Liste, ich habs dann aber nach der Leseprobe wieder rausgelöscht, es erschien mir ein kleines bisschen schwülstig....
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 01. Oktober 2019, 21:17:27
Ein Stück Land: Mein Leben mit Pflanzen und Tieren, John Lewis-Stempel, die gebundene Ausgabe habe ich gerade bestellt. Danke Floris!

dann setz das noch auf die Liste:

Was mehr wird, wenn wir teilen: Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter, Elinor Ostrom,  Silke Helfrich.

Passt doch zu Weihnachten!  :D
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Markus P. am 09. Oktober 2019, 11:12:17
Hi Pearl, kurz zu "Botanik der Begierde" -> Pollan ist der Autor. Der deutsche Amazoneintrag ist falsch.

Hier das Original: https://www.amazon.com/gp/product/0375760393/ref=dbs_a_def_rwt_bibl_vppi_i4

sehr lesenswert meiner Meinung nach, da Pollan absolut sattelfest auf dem Boden der Evolutionslogik argumentiert. Ein wunderbares Gedankenexperiment.


Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Markus P. am 09. Oktober 2019, 11:23:37
Vielen Dank, Kasbek - in der Tat ist Randall Munroe eine Bank!
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 09. Oktober 2019, 12:00:58
Pollan absolut sattelfest auf dem Boden der Evolutionslogik ...

sag mal Markus, schreibt Pollan tatsächlich, dass es eine Co-Evolution des Menschen mit Kulturpflanzen gegeben hat?  ;D
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Markus P. am 09. Oktober 2019, 15:15:21
Es ist schon einige Zeit her, dass ich das Buch gelesen habe. Wenn ich mich recht erinnere, ist es eine Art philosophisches Gedankenexperiment. Pollan kehrte einfach die Perspektive um und beschrieb aus der Sicht der 4 Pflanzen (Apfel, Kartoffel, Hanf, Tulpe), wie die Möglichkeit der Ausprägung von besonderen Eigenschaften eine Bevorzugung der Vermehrung durch den Menschen bewirkt - und das über tausende Jahre mit durchschlagendem Erfolg. Raffinierter Gedankengang, wie ich finde. Ich weiß nicht mehr, wie er in diesem Zusammenhang von Co-Evolution gesprochen hat. Der Begriff wird von den Evolutionsbiologen  ja als wechselseitige Anpassung zweier Arten über wirklich lange Zeiträume definiert.

Das Buch ist ja nun schon fast 20 Jahre alt. Beispiel Hanf: Inzwischen kennen wir die menschlichen THC-Rezeptoren und die körpereigenen Cannabinoide. Ich habe in den 90ern Bio studiert, da waren wir in der Neurobiologie auf der Suche nach den körpereigenen Cannabinoiden, kannten aber schon das THC Molekül aus dem Hanf und hatten den Rezeptor beim Menschen identifiziert. Ich weiß noch, was für ein Puzzlespiel das war und wieviel Fragen sich da auftaten. Stundenlang haben wir im Seminar diskutiert, warum bei einer Pflanze so eine Art Ligand zu unserem Rezeptor existieren kann. Vergleichbares müsste auch die Phytoöstrogene betreffen. Ich persönlich hatte damals an ähnlichen Molekülen bei Meerestieren geforscht. Da kann man dann wirklich schon mal an Co-Evolution denken. Pollans Buch - wenn auch populärwissenschaftlich - kam da in einem interessanten Moment. Er hat wirklich einen Punkt gehabt, indem er mal einen Perspektivwechsel wagte, ein angenehmer Schubser, der ein bisschen aufrüttelte. Wir hängen ja alle in unseren Filterblasen...

Sorry, lange Rede , aber ich konnte als Biologe damals nichts unverschämt freches oder hahnebüchendes an Pollans Buch finden. Es ist kein Geniestreich, aber lesenswert.

Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 09. Oktober 2019, 18:09:38
warum sorry. Michael Pollan macht mich jetzt doch neugierig. Ich finde einen Wikipedia Eintrag. Pollan beackert noch zwei weitere Themen.

Tja, was soll ich sagen, der Mann ist irgendwie nicht mein Fall. Sowohl seine Sichtweise, dass rein pflanzliche Ernährung global am nachhaltigsten sei, als auch sein uraltes Hippiethema, LSD, finde ich ermüdend. Weil ich Biologe bin und auch Ethnologie studiert hatte, finde ich jetzt eine Haltung, die die Jäger- und Sammler Epoche, die Hirtenkulturen, die Tierhaltung generell und auch die aktuelle Situation, dass es überall auf der Welt Menschen gibt, die von ihren Tieren auf Weideland leben, ignoriert, etwas beschränkt.

Geobotanisch betrachtet gibt es fruchtbares klimatisch günstiges Land zum Gemüseanbau schon in unserem Klima selten. Die in den 50er Jahren geborenen wissen noch, dass es im Winter Zwiebeln, Kartoffeln, Möhren, Kohl und Sauerkraut gab. In Zentralasien sind das heute noch die Hauptnahrungsmittel neben Reis und Getreide. Traditionell wird das alles zu Fleischgerichten gereicht.

Wenn wir mit einem durch den Klimawandel höhren Meeresspiegel und wegen einer veganen Ideologie tabuisiertem Fleisch uns alle auf Gebiete zurückziehen müssten, in denen der Anbau von Gemüse das ganze Jahr über effektiv ist, also wie in Hawaii zum Beispiel oder in Thailand, dann könnte das ein ziemliches Gedränge werden. In den Hochlagen der polynesichen Inseln und von Thailand.

Nur stinkendreiche Leute können sich das leisten sich dort von jungen Thailändern verwöhnen zu lassen, für mich ist ein Flugticket in diese Gegenden schon nicht drin.

Zu dem Hippiethema noch kurz. LSD ist raus, keiner von denen damals in San Francisco hat das weiter gemacht, nicht Peter Matthiessen, nicht Issan Dorsey, nicht David Chadwick ... es gibt aktuell irgendeinen durchgeknallten, der aus dem Spirit Rock Meditation Center rausgeflogen ist. Aber sonst ist das Thema durch. Gähn!
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: Felcofan am 09. Oktober 2019, 18:46:37
ich habe durch einen Zufall Josef Reichholf (wieder-)entdeckt.

vor Jahren hab ich mal das Buch geschenkt bekommen: Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends, und dann irgendwie vergessen,

https://www.fischerverlage.de/buch/josef_h_reichholf_eine_kurze_naturgeschichte_des_letzten_jahrtausends/9783596174393

fiel vermutlich vor allem aus Platzgründen einem Umzug zu Opfer, ich habs sehr gern gelesen :-)

--

Der hat einige Bücher verfasst, scheint den Kopf am rechten Fleck zu haben (um mal ganz gemein Phrasen zu mischen),
unter anderem "warum die Menschen seßhaft wurden". Ich habs grad erst angefangen, aber bereits in den ersten 2 Kapiteln rollt er die bisherige Lehrmeinung zum Ursprung der Landwirtschaft und der neolithischen Revolution auf (aus fruchtbaren Halbmond, weil die Jagdtiere verschwanden)

und verweist auf 2 weitere Zonen der Erde - Südamerika und Reisland/ Asien- wo die Entwicklung unter anderen Rahmenbedingungen geschah, und deswegen die Schlussfolgerungen vom Euphrat/Tigris nicht unbedingt übertragbar wären usw.

Wenn ich den Klappentext auf der Rückseite richtig verstanden hab, ist seine Hauptthese, dass die ersten Anbauer*innen wegen ihrem Verlangen nach Bier und Brot die Lebensweise geändert haben (habs grad erst angefangen, wie gesagt...), was einerseits kurios scheint, andererseits aber glaubhaft erläutert wird.

Er stellt Bilanzen gegenüber, Arbeitszeit als Jäger und als "Frühbauer", dass die ersten Anbauer*innen es eigentlich viel schwerer als Jäger hatten usw.

demnach war zumindest der ackerbauliche Start eher der schwerere Weg.

und über den Faktor "Rausch" als Nutzen bin ich schon öfter gestolpert, das scheint einer der ganz großen Antriebe zu sein.

hier noch ein Link zum Buch beim Fischerverlag


https://www.fischerverlage.de/buch/josef_h_reichholf_warum_die_menschen_sesshaft_wurden/9783596179329

nicht ganz direkt Botanik, aber komplexer über Evolution, Ökologie usw.

Es gibt ein paar Interviews oder Vorträge mit ihm auf Youtube. Er ist halt fast Nachkriegsgeneration, aber in erster Linie Sucher und Forscher, ich mag seinen scharfen Blick und die sachliche Argumentation
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 09. Oktober 2019, 21:42:40
auch der ist an mir völlig vorbeigegangen. Ein Blick in Wikipedia sagt mir auch warum. Ich habe keine Verwendung für solche Thesen.

Was die Menschheitsgeschichte betrifft, finde ich die ökonomische Sicht von Ernest Mandell gut nachvollziehbar. Marxistische Wirtschaftstheorie Band 1 und Band 2. Die Menschheitsgeschichte ist keine Geschichte der Ideen, der Gewinner oder Verlierer von Schlachten und auch keine der Drogen. Es geht immer darum ob eine materielle Grundlage für eine neue Gesellschafts- und Wirtschaftsform vorhanden war. Das folgt bis heute Gesetzmäßigkeiten.

Die Ethnologie der Universität Heidelberg ist in der Wirtschaftsethnologie sehr marxistisch orientiert. Eine der Theorie über die Grundlage der Staatenbildung, wonach speicherfähiges Getreide staatliche Strukturen erst entstehen lassen konnte. Schließlich mussten Staatsdiener und Beamte immer von dem leben, was andere angebaut und verarbeitet haben.

Ein Ethnologe, den ich sehr schätze ist von Freunden genötigt worden seine Erkenntnisse zusammenzufassen. Marvin Harris hat daraufhin kurze Artikel, die den Leser nicht überfordern, in einem handlichen Buch zusammen gefasst, ein Buch mit dem einfachen Titel Menschen.

Mir liegt daran klare, plausible und überprüfbare Ursache/Wirkungszusammenhänge von Experten präsentiert zu bekommen und ich liebe Autoren, die von dem reden, was ich empirisch nachvollziehen kann. Ohne Nahrungsmittelüberschuss keine Zeit für Handwerk und Handel und ohne extreme Nahrungsmittelüberschüsse keine Eroberungskriege und ohne unermessliche Nahrungsmittelüberschüsse kein stabiler Staat.

Mit Hunger kein Saatgut für kommende Jahre und kein Ackerbau. Der erbitterte Kampf um die Existenz macht die Leute dumm und agressiv und das ist schlecht für eine Zivilisation.

Irgendwo muss man die Dinge verankern und ich bin für die Realität und skeptisch gegenüber Hirngespinsten.
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: pearl am 09. Oktober 2019, 21:48:30
ah, mir fällt ein sehr gutes Werk über Botanik ein!

Nutzpflanzen in Deutschland – 1. Januar 1994
von Udelgard Körber-Grohne

sehr empfehlenswert!

Auch empfehlenswert ist die Allgemeine und molekulare Botanik! Darin interessantes über die komplizierte Genetik des Weizens und auch sonst eigentlich alles was fürs erste wissenswert ist.
Titel: Re: Populärwissenschaftliche Botanikbücher
Beitrag von: thuja thujon am 09. Oktober 2019, 21:52:25
Die Genetik des Weizens ist erst vor kurzem entschlüsselt worden. Was steht im Buch von 2008 darüber?