Ich versuche es mit einer anderen Erklärung oder anderen Worten. Fast alle Reben hier sind Mischungen verschiedener Wildarten, von denen die allermeisten kleinbeerig sind und deren natürliche Umgebung wie etwa Auwälder mit einem Standort auf einem Weinberg oder an einer sonnigen Südwand schlicht nicht vergleichbar sind .
Die Reben, die uns hier interessieren sind zudem welche, die gezielt auf eine verhältnismäßig frühe Reife, große Beeren und teilweise riesige Trauben hin gezüchtet wurden.
Eine wüchsigere Sorte, wie die hier erwähnte nicht empfehlenswerte Souvenir wächst ohne jeden Schnitt in einem guten Boden bald mit Trieben von fünf oder sechs Meter pro Jahr.
Ich habe teilweise senkrechte Triebe so im Halbschatten mit 20 Augen, die kann ich manchmal stehen lassen, der Haupttrieb ist senkrecht und von den 20 Augen werden ohnehin nur zwei, maximal vier einen nennenswerten Trieb bilden. Das sieht aber ganz anders aus, wenn ein Trieb insbesondere waagerecht in der Sonne ist, die Augen würden bis auf ganz wenige vollständige Triebe schaffen.
Wenn man den Trieb mit den Augen nicht kürzt oder die Augen oder die Triebe nicht ausbricht, hat man dann am Ende des Jahres einen vollen im Ansatz verholzten Trieb, den man nicht mehr einfach ausbrechen kann, den kann man auch nicht wie bei Äpfeln einfach mit den schlafenden Augen rausreißen, sondern man müsste ihn schneiden und hätte dann das Problem, dass an der Stelle des Stummels im nächsten Jahr drei, vier schlafende Augen wiederum mit mickrigen Trieben austreiben. Wie soll so ein Stock nach drei Jahren aussehen?
Urmele hat die Vorschläge von Jakob gut umgesetzt, an den Bildern auch mit Trauben sieht man ja wie ursprünglich der Schnitt war. Ob dann mal fünf oder sieben Augen stehen gelassen wurden, ist Gefühlssache und auch am Anfang nicht das entscheidende.
Nochmal zur Klarheit, Trauben von über ein Kilo sind für das genetische Wuchsprogramm dieser Rankpflanze nicht vorgesehen, Sorten mit kleinen Trauben so um die 200, 300 Gramm liegen wenigstens im Ansatz viel näher bei den ursprünglichen Wildsorten und sind deswegen im Wuchsverhalten und auch beim Schnitt viel unproblematischer.
Kirschen und Äpfel entledigen sich in Grenzen selbst eines Überbehanges, das macht eine Rebe nicht. Wenn zu viel dran hängt, macht die Rebe dass aus ihrer Sicht sinnvolle, als erstes werden die Kerne zur potentiellen Vermehrung zur Ausreife gebracht.