Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Pilzfestigkeit der osteuropäischen Sorten in D zumeist erheblich geringer ist als dort angegeben. Auch die Reifezeiten sind mit Vorsicht zu genießen. Das Reifedatum ist ohnehin nicht viel Wert, nur die Reifetage geben eine Grundtendenz wider. Diese Reifetage gelten aber nur, wenn auch der SAT-Wert stimmt. Eine frühreife Sorte mit hohem SAT-Wert wird in Gegenden mit niedrigerem SAT-Wert spätreifend oder gar nicht reif.
Das liegt einfach am kontinentalen Klima in z.B. der Ukraine. Im Sommerhalbjahr ist es trockener und heißer.
Auch spritzt man dort vielfach mit anderen Spritzmitteln als hier, oft ein Gemisch aus Kalkschlempe und Kupfersulfat. Es ist viel billiger als unsere Spritzmittel und es gibt keine Gefahr der Resistenz, d.h. man braucht auch keine teure Sammlung unterschiedlicher Spritzmittel. In D ist dieses Spritzmittel nicht mehr zugelassen. Der wichtigste Grund ist (wie in der Pharmazie), dass billige Mittel vom Markt genommen werden, weil billige Mittel das Geschäft der Chemieindustrie verderben. Auch sollen Spritzmittel und Medizin nach Möglichkeit die Krankheit nicht heilen, sondern nur die Syndrome lindern. Wenn die Rebe bzw. der Mensch zu schnell gesund werden, ist das schlecht fürs Geschäft.
Allerdings ist in Osteuropa das Umweltbewusstsein noch nicht so ausgeprägt wie in D. Ich weiß nicht, wie sich das Kupfersulfat auf den Boden (Anreicherung von Kupfer, eher geringe Gefahr), auf Nützlinge (Kupfersulfat ist für alles giftig) und für das Grundwasser ist.
Die Reifezeiten bei Jakob sind für mich weniger relevant, da völlig unterschiedliches Klima. Eher sind die Anbauerfahrungen in Stutel für mich wichtig, da ähnliches Klima, aber bei mir dauert es trotzdem länger, da im Herbst meine Pflanzung zeitweise im Schatten liegt, da der Sonnenstand niedriger und dann Nachbarhäuser und -bäume Schatten werfen, was sie im Frühjahr und im Sommer nicht tun. Außerdem ist die Tageslänge im Herbst kürzer als im Frühjahr, d.h. ein mieses Frühjahr wie 2013 kann nicht durch einen guten Herbst ausgeglichen werden.
Selbst im eigenen Garten ist die Reifezeit der gleichen Sorte sehr unterschiedlich (Mikroklima). Das macht schon mal 2 bis 3 Wochen aus.
Dazu kommen die Folgen des Klimawandels. Nicht nur in weiten Teilen Sachsens und Ostdeutschlands ist es auch in der Vegetationsperiode kälter geworden. Ich hatte vor kurzem einen umfangreichen seriösen Artikel über das Klima in den Alpen und die Auswirkungen auf die Gletscher und den Wintertourismus gelesen. In den Alpen hat sich das Klima seit 1988 durchschnittlich um 1,8 Kelvin abgekühlt. Die Gletscherschmelze ist nicht durch höhere Temperaturen, sondern geringere Niederschläge bedingt. Ein Gletscher ist auch nur ein Fluss. Wenn oben weniger Wasser auf die Berge fällt (als Schnee), dann wird der Gletscher masseärmer und schmilzt selbst bei tieferen Temperaturen schneller.
Eine relativ gute Informationsquelle für die tatsächlichen Sorteneigenschaften sind polnische Foren, weil das Klima in Polen ähnlicher zu unserem ist wie in D außerhalb der Weinberglagen. Dummerweise ist polnisch nicht gerade meine Stärke, aber aus dem Kauderwelsch des Googletranslaters kann man in etwa verstehen, was da geschrieben steht. Die osteuropäischen Sorten sind in Polen 5 - 10 Jahre eher angekommen als hier in D, so dass es dort einen Informationsvorsprung gibt.