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Pflanzenwelt => Obst-Forum => Thema gestartet von: b-hoernchen am 01. Januar 2019, 17:35:07

Titel: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 01. Januar 2019, 17:35:07
Die folgenden Bilder einer Veredelung von Seestermüher Zitronenapfel auf M26 (aus dem Frühjahr 2017) zeigen ein bei mir häufiges Problem:
Die Stammverlängerung (Austrieb aus oberster Knospe des Edelreises) entwickelt sich schwächer als ein Seitentrieb darunter.

Der Baum soll eigentlich ein Buschbaum/eine Spindel werden - möglichst niedrig zu beernten . Da wäre der nach links abgehende Seitentrieb mit nur 30cm über dem Boden zwar relativ tief, aber doch annehmbar?

Meine Sorge ist, dass der gut entwickelte Seitentrieb (im Beispiel nach links abgehend) immer eine starke Konkurrenz zum Mitteltrieb (im Beispiel rechts, an den Bambusstab angelehnt) bleibt und sich letzterer nie deutlich dominant entwickelt - ist das begründet?
Würde ich nun allerdings den Mitteltrieb entfernen und den Seitentrieb als neuen Haupttrieb zu ziehen versuchen, bleibt im Baum ein hässlicher "Schlenzer" zu Seite von mindestens 15 cm, da der Seitentrieb an der Basis schon ziemlich steif geworden ist.

Wie würdet ihr vorgehen?
a1) Die jetzige Stammverlängerung zu Gunsten des Seitentriebs entfernen und - Schlenzer hin oder her - den Seitentrieb zum Haupttrieb machen? (Danach anschneiden, um Seitenäste zu erhalten).
a2) Den Seitentrieb zum Haupttrieb machen und von der jetzigen Stammverlängerung einen Stummel als Basis für einen tiefen Seitentrieb behalten.
b) Den erstarkten Seitentrieb ganz rausnehmen (auf Astring schneiden) und durch Rüchschnitt des derzeitigen Haupttriebs auf neue, weniger starke Seitentriebe hoffen?
c) Den erstarkten Seitentrieb stark zurückschneiden (auf Stummel, vielleicht 20cm lang), somit als untersten Seitenast eines zukünftigen Buschbaums erhalten und hoffen, dass ihn der Rückschnitt genügend "degradiert", um der jetzigen Stammverlängerung die erhoffte Dominanz zu geben?

Die Knospen im unteren Bereich der Stammverlängerung machen mir den Eindruck, als könnten sie schon Blütenknospen sein

Bild 1:


Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 01. Januar 2019, 17:35:43
Bild 2:
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 01. Januar 2019, 17:36:14
Bild 3:
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 01. Januar 2019, 17:36:45
Bild 4:
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: thuja thujon am 01. Januar 2019, 18:11:57
Der Seitentrieb ist schon deutlich dominanter wie die Stammverlängerung. Die ist praktisch schon abgehängt. Schau dir den Querschnitt an der Basis, dort wo die 2 Triebe rauskommen, an. Da siehst du wieviel mehr Saft der hat als die Stammverlängerung, fast doppelt so viel. Ich würde definitv den Seitentrieb weiterziehen und den Rest komplett entfernen. Das stört die Physiologie bzw den Saftfluss im Baum am wenigsten und hinterlässt auch die kleinste Wunde.
Mich würde der Knick nicht stören, der wächst sich raus.
30cm tiefe Seitenäste sind zu tief, wenn die 30cm lang sind und ein Apfel dranhängt, fault der auf dem Boden liegend. 60cm ist fast die untere Grenze dass die Früchte im höheren Baumalter nicht aufliegen, abhängig von der Intensität des Schnitts natürlich, also wie lange Seitenäste überhaupt werden dürfen.

PS: wenn du damals gepfropft hast, kannst du kurz nach dem Austrieb vom Edelreis alle unnötigen Triebe ausbrechen. Das obere Auge treibt oft recht schwach wenn man keinen kleinen Zapfen über dem Auge stehen lässt. Mindestens 1,5cm sollten bleiben, finde ich.
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: Waldgärtner am 01. Januar 2019, 19:09:55
Ich würde definitv den Seitentrieb weiterziehen und den Rest komplett entfernen.

Sehe ich genauso!
Wenn du diese neue Mitte mittig fixierst, verwächst sich das schnell.
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 02. Januar 2019, 21:03:55
Hmm - bin noch nicht restlos überzeugt (auch weil ich an einem Piros sehe, wie hartnäckig hässlich sich solche Schlenzer halten).

Was wäre denn die Konsequenz von Lösung b - den Seitentrieb auf Astring entfernen? Müsste der Baum denn nicht dann die ganze Kraft in die jetzt noch schwache Stammverlängerung stecken? Oder meint ihr, der Baum würde dann nur mehr zu Kümmerwuchs neigen?
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: dmks am 02. Januar 2019, 21:14:54
Was wäre denn die Konsequenz von Lösung b - den Seitentrieb auf Astring entfernen?

Du hättest die größere Schnittfläche :-\
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 02. Januar 2019, 21:51:43
Na ja, das steckt so ein junger Baum doch mit links weg... .
Ich meinte, was wäre denn die Konsequenz für das weitere Wachstum des Baumes?
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: dmks am 02. Januar 2019, 22:05:04
Das war wegen Deiner Sorge um die zu verwachsende Schnittwunde 8)
Aber auch für die künftige Entwicklung des Baumes ist die linke Seite, also der untere Austrieb günstiger.
Die Gründe dafür wurden hier schon beschrieben.
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: thuja thujon am 02. Januar 2019, 23:01:06
Was wäre denn die Konsequenz von Lösung b - den Seitentrieb auf Astring entfernen? Müsste der Baum denn nicht dann die ganze Kraft in die jetzt noch schwache Stammverlängerung stecken?
Der Baum hat schon deutlich mehr Leitungsbahnen in den linken Ast investiert, der rechte hat den Kampf verloren, Fruchtholz, keine Stammverlängerung. Entfernt man die Triebe, die `den Wuchs aufnehmen´, provoziert sowas bei größeren Bäumen Alarmtriebe oder Wasserschosser. Es bringt unter Umständen den ganzen Aufbau durcheinander. Der rechte Ast ist also nicht gezwungen weiterzuwachsen, er wurde bereits abgehängt. Hättest du eine Unterlage die Wurzelschosse machen kann, würde ich auf jeden Fall mit welchen rechnen. Das wäre für den Baum einfacher als den Verlust seiner 3/4sen Krone.

Die Natur des Baumes spricht einfach gegen den rechten Trieb behalten. So schön der auch als Fruchtholz ist. Früchte will aber keiner im Kindergarten/Baumschule.

Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 02. Januar 2019, 23:07:57
... Früchte will aber keiner im Kindergarten/Baumschule.
Ihr seid so vernünftig und ich bin so unvernünftig... das muss ich erst mal sacken lassen. Zumal ich nicht weiß, wie lange ich noch da bin, um Äpfel zu ernten oder der rasch verlaufende Klimawandel es noch gestattet, welche anzubauen.
Hatte mich schon so auf die ersten Probierfrüchte auf M26 gefreut - das tut weh, sowas zu akzeptieren.
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: Wühlmaus am 02. Januar 2019, 23:14:22
Bin ja nur autodidaktischer schneidender Laie 8) Aber abgesehen davon, dass es mich wundert, dass dieser "Paralelwuchs" zugelassen wurde, würde ich auch den ursprünglich als Mitteltrieb gedachten Teil komplett raus nehmen.
Der wirkt auf mich wie ein falsch plazierter (junger) Tragast, den man sowieso in spätestens zwei Jahren entfernen/verjüngen müsste. Für mich sieht er so aus, als ob er wohl heuer blühen aber keine kräftigen Seitentriebe bilden will.
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: dmks am 02. Januar 2019, 23:19:25
Auf Bild 3 ist übrigens zu sehen: das identische Problem taucht weiter oben nochmals auf ;)
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: thuja thujon am 02. Januar 2019, 23:20:59
Ich habs auch lernen müssen.
Okuliere das nächste mal einen Baum extra, dann kannst du eine Probierfrucht ernten und den Baum entsorgen. Aber denke dran, Erstlingsfrüchte sind nicht typisch. Es fehlt die eingelagerte Energie im Holz und deswegen verhungern durch die zu frühen Früchte auch die Bäume.

Die Blüten von den Okulationen unten habe ich jede einzeln mit der Küchenschere entfernt.

Auf Bild 3 weiter oben denke ich hat die Spitzenknospe was abbekommen. Die beiden Nachtriebe sind auffallend oft recht gleichwüchsig. Ich habe heute einen Baum geschnitten, der war voll mit sowas.
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 03. Januar 2019, 11:40:51
Ich sag' ja nicht, dass ihr unrecht habt... !
Aber vielleicht wäre das eine Idee, die Stammverlängerung auf die äußerste Blütenknospe zurückzuschneiden und dann nach der Ernte zauf Astring zu entfernen-?
Ich würde mich nur zu sehr auf die saftigen Seestermüher Zitronenäpfel vom eigens hergestellten Baum zu ernten - egal jetzt, ob typisch oder nicht... .
 
OT: Die ganze Geschichte ist etwas länger: Das Reis stammt von einem Baum auf M9 von der Baumschule Schwerdtfeger, der an der Veredelungsstelle schlimm Krebs hat und deshalb mickert. Den Mutterbaum halte ich am Überleben durch wiederkehrende Duaxo-Spritzungen, das Reis war so schwach, dass ich ernste Bedenken hatte, ob es anwächst. Deshalb hatte ich bei Ritthaler zusätzlich noch ein Reis Seestermüher bestellt. Nun sind alle angewachsen, das schwache Reis vom eigenen Baum und die Veredelungen des Ritthaler Reises, die sich aber schon ob ihrer Blattfarbe (hellgrün), -form (stark gezähnt) und der Anfälligkeit für Marssonina eindeutig als keine Seestermüher herausstellen... .
Ja - und eigentlich müsste ich den selbst herstellten Seestermüher baldmöglichst Platz tauschen lassen mit einem Myra auf M9 im Spalier - damit er einen guten Platz hat. Das spricht natürlich wieder für eure Radikallösung!
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: carot am 08. Januar 2019, 15:12:46
Ich würde auch den stärkeren Trieb als künftigen Mitteltrieb weiter ziehen. Die hier genannten Gründe sind einfach richtig.

Es wäre aber auch keine Katastrophe, den nun schwächeren ursprünglichen Mitteltrieb etwas flacher zu stellen (evtl. an einen Pflock binden), ein weiteres Jahr im Baum zu lassen und erst ein Jahr später zu entfernen. Dann könnte auch schon eine Probierfrucht zugelassen werden  ;)

Als dauerhafter Seitentrieb ist er zu tief am Stamm entstanden, ob der aber nun noch eine Saison bleibt oder nicht, ist nicht so entscheidend. Ich würde ihn dann auch nicht anschneiden, sondern nur so wegformieren, dass er die stärkere Mitte nicht behindert (beschattet oä.). Die Blattmasse stärkt das Gesamtsystem und versorgt dann auch die Probierfrucht.

Es bleibt natürlich richtig, dass eigentlich noch keine Früchte zugelassen werden sollten. Du hast aber auch gute Argumente für eine Ausnahme genannt und letztlich willst du ja keinen verkaufsfähigen Baumschulbaum erziehen, sondern deinem Hobby nachgehen. Wenn der Trieb als Versorger für die Probierfrucht belassen wird, ist die Gefahr des Verkümmerns für den Baum nicht groß. Außerdem kennst du die Gefahr und wirst den Baum entsprechend optimal versorgen, denke ich  :)

Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: thuja thujon am 08. Januar 2019, 16:22:29
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Die Argumente für eine Probierfrucht sind wirklich gut, da lohnt das abwägen mit der Baumbelastung.

Erstaunlich wie einig man sich selbst beim Obstbaumschnitt sein kann.  ;)
Titel: Re: Frage zum Erziehungsschnitt beim Apfelbaum
Beitrag von: b-hoernchen am 08. Januar 2019, 21:08:51
Letztlich führen viele Wege nach Rom, und wenn man das Ziel nicht aus den Augen verliert, kann man sich vielleicht auch einen Abstecher zu leisten, um in einer Jausenstation einzukehren.