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Garten- und Umwelt => Quer durch den Garten => Thema gestartet von: Kasbek am 22. Dezember 2015, 12:37:39

Titel: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 22. Dezember 2015, 12:37:39
Anfang Dezember haben ein Freund und ich die italienische Band Vexillum live gesehen. Die Jungs (musikalisch äußerst fit) hatten etwas seltsame Bühnengewänder angelegt, und der Sänger hatte sich u.a. mit einer Art Kunstblumengirlande behängt. Schaut Euch bitte mal das anhängige Foto an: Sind das pure Phantasieblätter, oder könnte es da ein reales Vorbild geben? (So ein bißchen Ähnlichkeit mit Efeu scheint es ja zu haben …)

Fürs Mitdenken dankt wie immer

Kasbek
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Cryptomeria am 22. Dezember 2015, 12:42:35
Im unteren Bereich sind das auf jeden Fall Efeu-Blätter (-Imitationen ).

VG Wolfgang
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Gartenplaner am 22. Dezember 2015, 13:06:27
Ja, würd ich auch sagen, daß es Efeu darstellen soll und daß der gemeint ist.
Auf der HP der Band fasst eine reale Efeugirlande zu beiden Seiten den Seiteninhalt.
Da die Band sich keltisch angehaucht gibt und Efeu kulturgeschichtlich schon lange eine Bedeutung hatte, passt das gut zusammen.
(Auch wenn "Vexillum" ein römisches Feldzeichen war...)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Wühlmaus am 22. Dezember 2015, 13:09:12
Mir fällt wegen der Färbung dazu auch der Acer buergerianum oder der Acer monspessulanum (Dreilappige Ahorn), eventuell auch ein Amberbaum ein.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 22. Dezember 2015, 18:51:06
Ja, würd ich auch sagen, daß es Efeu darstellen soll und daß der gemeint ist.
Auf der HP der Band fasst eine reale Efeugirlande zu beiden Seiten den Seiteninhalt.
Da die Band sich keltisch angehaucht gibt und Efeu kulturgeschichtlich schon lange eine Bedeutung hatte, passt das gut zusammen.

Klingt plausibel. Danke!
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Krokosmian am 30. Oktober 2016, 15:52:16
Erlaube mir mal diesen Faden zu verwenden...

Hat jemand eine Ahnung, ob in diesem Brueghel die dunkle Iris im linken oberen Viertel ein reales Vorbild haben könnte?

Möglicherweise die "Dame in Trauer", Iris susiana? Was zeitmäßig gerade so knapp möglich gewesen wäre...
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Dunkleborus am 30. Oktober 2016, 16:40:06
Ich denke schon - wenn man im Netz nach Brueghel und mourning iris sucht, findet man was.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Krokosmian am 30. Oktober 2016, 17:58:26
Auf die mit dem englischen Namen tiefer zu suchen bin ich natürlich nicht gekommen ::), unterschiedliche Vasen, aber wohl dieselbe Iris! Danke!
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 30. Oktober 2016, 18:00:26
Das heißt, Iris susiana müßte schon im frühen 17. Jahrhundert in Mitteleuropa in Kultur gewesen sein?
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Krokosmian am 30. Oktober 2016, 18:07:53
Ja anscheinend! Die beiden "Freilandschmuckstauden" die ich habe sagen zwar sinngemäß "ca. 1650", hier (hoffe der Link funktioniert) im Jahre 1821 wird aber von "mehr als 200 Jahren", also ca. 1600 gesprochen. Wenn ich es jetzt richtig zusammenbringe...

Beide Brueghel-Werke (von Jan d. Ä.) entstanden 1608 bzw. 1609, was eventuell knapp, aber möglich gewesen wäre.

Edit: kennst Du sie live?
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: RosaRot am 30. Oktober 2016, 18:44:50
Iris susiana gab es bereits 1583 in Belgien. Clusius beschrieb diese Pflanze, die ja im Orient schon lange als Gartenpflanze gehalten wurde, 1583. 1613 ist sie im Hortus Eystetensis abgebildet.
Nachlesen lässt sich diese Geschichte noch viel genauer im Buch: "Kaiserkron und Paeonienrot", über Googlebooks hier:

Link
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Krokosmian am 30. Oktober 2016, 19:07:32
Was es dann noch sicherer, eigentlich wahrscheinlich macht, dass er sie kannte.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: RosaRot am 30. Oktober 2016, 19:13:35
Was es dann noch sicherer, eigentlich wahrscheinlich macht, dass er sie kannte.

Klar kannte er die,  so wie er ziemlich sicher die Gärten seiner Auftraggeber kannte.
Auch darüber gibt es Literatur:

Link

Eine neuere Arbeit zu Carolus Clusius bietet ein reichhaltiges Literaturverzeichnis zu "hortikulturellen" Themen dieser Zeit:

Link
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Scabiosa am 30. Oktober 2016, 19:16:51
Der 'Wiener Irisstrauß' entstand als Auftragsarbeit für den habsburgischen Erzherzog Albrecht VII, der in Brüssel residierte.
Jan Brueghel reiste wohl öfters von Antwerpen nach Brüssel um im Hofgarten des Erzherzogs Notizen der seltenen Pflanzen, die dieser sammelte, anzufertigen. (Das konnte ich kurz recherchieren)
Sehr interessantes Thema, Krokosmian.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: zwerggarten am 30. Oktober 2016, 19:24:36
pur bildet mal wieder ungemein und ich bin starr vor ehrfurcht über das spezialwissen einiger hier. ganz wunderbar! :D
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: RosaRot am 30. Oktober 2016, 19:30:58
Hier lässt sich kompakt zusammengefasst nachlesen, wie Jan Brueghel d.Ä. seine Blumenbilder vorbereitete und malte.
Ohne eine gewisse 'Gartenmanie' in Sonderheit belgischer und niederländischer (betuchter) Bürger und Adliger wären diese Bilder vermutlich nicht denkbar.

Link
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Krokosmian am 30. Oktober 2016, 20:21:38
...Sehr interessantes Thema...

Definitiv! Dabei muss ich zugeben, dass mein Interesse eigentlich eher Zufall und erst beiläufig war. Den Brueghel mit der blauen Vase gab es hier früher als 1500-Teile-Puzzle, welches aber vor Jahren in einem Bühnenschrank verschwand. Seit ein paar Tagen schwirrt mir das Motiv aber im Kopf rum, weswegen ich ihn heute rauskramte und mir sofort die alte Frage nach dieser Iris, welche mich schon vor fünfzehn Jahre beschäftigte, wieder einfiel. Ein weiteres ähnliches Bild desselben Meisters hing indes als Druck, bei meiner Mutter...

Interessant auch dann, wenn noch ein Habsburger mit im Spiel ist... Man reduziert sie allzu schnell auf Sissi & F-J, dabei haben sie einige Geschichte geschrieben. Wesentlich länger als ein österreichischer Gefreiter.


pur bildet mal wieder ungemein und ich bin starr vor ehrfurcht über das spezialwissen einiger hier. ganz wunderbar! :D

Ja!
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 03. November 2016, 18:49:12
kennst Du sie [Iris susiana] live?

Leider nein, weder in eigenem Besitz noch irgendwo anders, soweit ich mich erinnere. An Oncos wage ich mich erst langsam heran, an Iris sari bin ich beispielsweise gescheitert, und nur eine kleine aus dem Umfeld von Iris acutiloba habe ich längerfristig stabil erhalten können.

PS: Danke, RosaRot, für die ganzen Literaturtips! "Kaiserkron' und Päonien rot" steht eigentlich auch schon lange auf der "Müßte man eigentlich mal lesen"-Liste  :-[
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 01. Dezember 2016, 13:07:58
Ein neues künstlerisches Problem: Die brasilianische Band Orquídea Negra arbeitet als optisches Gestaltungselement (naheliegenderweise) bisweilen mit einer schwarzen Orchidee. Ich hänge hier mal das Cover ihrer ersten Platte an und werfe die Frage in die Runde: Die Farbe wird ja wahrscheinlich reine Phantasie sein – aber läßt sich anhand der Form irgendeine konkrete Gattung als Vorbild benennen? (Der Bandname scheint übrigens auf dem Titellied der 1983er Platte von Zé Ramalho zu beruhen, das Orquídea Negra auch in ihr eigenes Repertoire übernommen haben – aber der Text ist leider in Portugiesisch gehalten und damit für meinereiner komplett unverständlich …)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 01. Dezember 2016, 13:08:28
Hier auch noch das Cover der zweiten Platte, wo die Pflanze etwas größer zu sehen ist.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Gartenplaner am 01. Dezember 2016, 13:20:49
Cattleya fallen mir als erstes als mögliches Vorbild ein, aber auch Laelia, und ich glaube, noch die eine oder andere südamerikanische Gattungen haben dieses Blütenform
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Gartenplaner am 01. Dezember 2016, 13:32:45
...
 Die Farbe wird ja wahrscheinlich reine Phantasie sein...

Soviel dazu:

Fredclarkeara After Dark 'SVO Black Diamond'

 :o :o :o

(Die 3 Gattungen, aus denen die Hybride hervorgegangen ist, kommen alle in Mittel und Südamerika vor.)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Zwiebeltom am 01. Dezember 2016, 13:49:07
Die Blütenform der beiden Phantasieorchideen ist ja nicht identisch. Auf dem ersten Cover hat die Blüte oben breitere Blütenblätter, während die Blütenblätter auf dem zweiten Cover alle schmal sind. Das erste Modell könnte Cattleya (trianae, labiata, warneri usw.) als Vorbild haben, das zweite Modell entspricht eher Laelia purpurata oder Laelia tenebrosa.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 01. Dezember 2016, 20:09:18
...
 Die Farbe wird ja wahrscheinlich reine Phantasie sein...

Soviel dazu:

Fredclarkeara After Dark 'SVO Black Diamond'

 :o :o :o


Hossa, die sieht aber finster aus  :o

Danke, Gartenplaner & Zwiebeltom, fürs Mitdenken! Also möglicherweise in der Tat reale Vorbilder in der Form und die schwarze Farbe "dazugedacht", denn der Schwarze Diamant hat ja eine deutlich andere Form.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 20. Dezember 2017, 13:07:57
Wieder eine neue künstlerische Frage, abermals zu einer brasilianischen Band, diesmal Inquisição: Auf dem Cover von deren „Next Door Hill“-CD weht Fallaub durchs Bild. Läßt sich da irgendwas erkennen, was eine nähere Bestimmung ermöglicht? (Die helleren Blätter erinnern etwas an Ahorn, aber die Gattung Acer kommt meines Wissens in Brasilien zumindest nicht natürlich vor, wobei sowieso noch die Frage ist, ob hier überhaupt ein brasilianisches Motiv dargestellt werden sollte – wenn das ganz rechts hinten im Tal Schneeflecken sein sollten, dann ja vermutlich eher nicht.)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Dunkleborus am 20. Dezember 2017, 14:11:41
Ich halte das für eine Abbildung von Spitzahorn.
In den Tropen weckt Herbstlaub wahrscheinlich nicht so schöne Assoziationen wie hier.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: zwerggarten am 20. Dezember 2017, 15:46:35
warum nicht platanus? 8) ;)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 15. März 2018, 12:54:48
Sorry, hab' die Antworten im Vorweihnachtsstreß übersehen  :-[ Also wohl keine endgültige Klarheit herstellbar, ob Acer, Platanus oder noch irgendwas anderes …

Gleich eine neue Frage/Mitdenkbitte. Schaut Euch bitte mal das unter folgendem Link liegende Bild an:
https://photos.google.com/share/AF1QipMx_Kb6PLKTGN47E_0eoQqLsVCqQujZvZokBVT9EBfD1VqaycqbkF7SprXN5jXFdw/photo/AF1QipPsbXO-pETIZ_ITHjrIwFEp_NHnYwf64WoLkdM4?key=cXNDRXoydzRyTFBjWFI5S1VCSEltWHV6dUd6SjdR
Das ist ein Ausschnitt aus einem Altarbild einer Kirche in Gera; er zeigt Herodes, wie dieser gerade den Kindermord zu Bethlehem anordnet. Der Altar und seine Bilder werden entweder auf 1443 (ein angebliches Weihedatum in der Überlieferung) oder um 1500 (von einer Kunsthistorikerin anhand stilkundlicher Überlegungen) datiert. In einer Betrachtung der Bilder ist folgender Satz niedergeschrieben:
„Herodes ist in Palastkleidung abgebildet mit einem Gewand, das ein botanisches Muster, vermutlich Passionsblumen, zeigt.“ Dazu kommt eine Fußnote, die besagt: „Die an eine Kreuzform erinnernden Staubgefäße fehlen jedoch.“
Ich halte die Passionsblumen-Deutung für zweifelhaft, denn die Gattung Passiflora kommt nahezu ausschließlich in Amerika, fokussiert in Mittel- und Südamerika vor (mit einigen wenigen Ausnahmen in Australien und Südostasien), kann also vor 1492 in Europa eigentlich nicht bekannt gewesen sein. Ich habe mal kurz nachgeforscht und in verschiedenen Quellen den Arzt Nicolás Monardus als ersten europäischen „Urheber“ der Anlehnung an das Passionsgeschehen gefunden; als Publikationsort werden verschiedentlich zwei seiner Werke von 1569 bzw. 1574 genannt, und der Jesuit Jose da Acosta habe die Zuschreibung dann 1590 konkretisiert.
Für mich stellen sich jetzt drei Fragen – die ersten beiden sehr spekulativ, die dritte konkreter:
– Kennt jemand irgendwelche Quellen, die belegen, daß auch die wenigen südostasiatischen Arten der Gattung, die theoretisch schon um bzw. vor 1500 in Europa bekannt gewesen sein könnten (die australischen scheiden chronologisch von vornherein aus), schon im Mittelalter als Grundlage für eine solche theologische Deutung dienten?
– Kennt jemand irgendwelche Quellen, die belegen, daß die Wikinger bei ihren Besiedlungsversuchen Nordamerikas weit genug nach Süden gelangt sind, um auf Passiflora incarnata zu stoßen, diese mitgenommen haben und somit diese Art schon vor 1500 in Europa bekannt gewesen und theologisch gedeutet worden sein könnte?
– Hat jemand ein konkretes Pflanzenvorbild für die Darstellungen auf Herodes' Gewand vor Augen, das zudem das Kriterium erfüllt, spätestens um 1500 in Mitteleuropa bekannt gewesen zu sein?

Wie immer vielen Dank fürs Mitdenken!
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Gartenplaner am 15. März 2018, 13:15:30
Ich sehe da ehrlich gesagt eher einen Korbblütler - Margerite, rot gemalt, um sie exotischer und dem blutigen Anlass gemäß zu gestalten.
Vielleicht ja auch noch die rotblütige Wucherblume, könnte durch ihre insektizide Wirkung bei Heilkräuterkundigen in Mitteleuropa bekannt gewesen sein in der Zeit, stammte so grob aus der biblischen Gegend.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: oile am 15. März 2018, 13:27:12
Eine Passionsblume ist es auf keinen Fall. Was soll die auch ausgerechnet auf dem Gewand von Herodes? Außerdem sind die Nägel ja gerade das, was den Symbolgehalt der Passionsblume ausmacht. Die dürfen nicht fehlen. Ich denke auch an einen Korbblüter.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: lerchenzorn am 15. März 2018, 14:07:31
Erinnert unwillkürlich an die in Zentralanatolien endemische Cyanus (Centaurea) tchihatcheffii. Warum die aber ausgerechnet in Mitteleuropa als Vorlage für ein Kirchenbild gedient haben soll, wüsste ich nicht. (Ich weiß nicht, ob es in Vorderasien weitere, ähnlich leuchtend rote Korn- und Flockenblumen gibt.)

Vielleicht müsste man zeitlich passende Bilddokumente aus dieser Region nach Kleidungsornamenten durchsehen.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: RosaRot am 15. März 2018, 14:15:08
In der mittelalterlichen Ikonografie spielen(bestimmte)Pflanzen eine große Rolle als allegorische Symbole für dahinter verborgene  Geschehnisse.
In Bezug auf die Passionsgeschichte käme eine Anemone in Frage.
Der Untermhäuser Altar ist ein Marienaltar, die verwendete Symbolik nimmt Bezug auf Maria. In Passionsdarstellungen ist sie ein Hinweis auf die "sieben Schmerzen Mariä", die Blütenblätter sind rot von Christi Blut.: entsprechend der Legende wuchsen Anemonen am Abend des Karfreitages auf dem Kalvarienberg.
Interessant ist, das auf dem Kleid des Herodes auch Ähren erscheinen, Ähren sind ein Symbol der Erlösung und werden im Zusammenhang mit "Christus als Schmerzensmann" verwendet.
Auch Mohn gilt als ein Symbol der Passion Christi(wegen der roten Blütenfarbe.)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: lerchenzorn am 15. März 2018, 14:19:00
Interessante Bezüge.
An Anemone coronaria dachte ich nur wegen ihrer Allgegenwärtigkeit auch, bevor ich das Bild gesehen hatte. Sie hat aber nie gefranste oder zerschlitzte Blütenblätter. (Man darf die Bilder aber sicher nicht zu streng interpretieren.)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: oile am 15. März 2018, 14:23:17
In der mittelalterlichen Ikonografie spielen(bestimmte)Pflanzen eine große Rolle als allegorische Symbole für dahinter verborgene  Geschehnisse.
In Bezug auf die Passionsgeschichte käme eine Anemone in Frage.
Der Untermhäuser Altar ist ein Marienaltar, die verwendete Symbolik nimmt Bezug auf Maria. In Passionsdarstellungen ist sie ein Hinweis auf die "sieben Schmerzen Mariä", die Blütenblätter sind rot von Christi Blut.: entsprechend der Legende wuchsen Anemonen am Abend des Karfreitages auf dem Kalvarienberg.
Interessant ist, das auf dem Kleid des Herodes auch Ähren erscheinen, Ähren sind ein Symbol der Erlösung und werden im Zusammenhang mit "Christus als Schmerzensmann" verwendet.
Auch Mohn gilt als ein Symbol der Passion Christi(wegen der roten Blütenfarbe.)

@ RosaRot, aber mir leuchtet nicht ein, warum Symbole der Passion auf dem Gewand von Herodes (= Mörder) erscheinen sollen. Gleiches gilt für die Ähren. Irgendetwas stimmt da nicht.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: oile am 15. März 2018, 14:25:12
Interessante Bezüge.
An Anemone coronaria dachte ich nur wegen ihrer Allgegenwärtigkeit auch, bevor ich das Bild gesehen hatte. Sie hat aber nie gefranste oder zerschlitzte Blütenblätter. (Man darf die Bilder aber sicher nicht zu streng interpretieren.)

Zunächst würde ich die Darstellungen schon ernst nehmen. Sowohl die gefransten Blütenblätter also auch die gelbe Blütenmitte passen nicht zu Anemone coronaria.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: RosaRot am 15. März 2018, 14:25:27
Nein, zu enge Interpretation ist nicht angebracht. Die Darstellungen wurden im Allgemeinen stilisiert und oft aus Musterbüchern entnommen, was nicht ausschließt, dass es berühmte Darstellungen gibt, auf denen die Pflanzen ganz naturgetreu dargestellt sind.

(Ein weiterer Punkt, der auch  immer zu beachten ist und sich nach einem Foto nicht so recht erschließt, ist, ob die gezeigte Pflanzendarstellung tatsächlich der Zeit entstammt oder evtl. eine spätere Zutat ist. Am Original würde der Fachmann dies sehen.)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Callis am 15. März 2018, 14:30:02
Gleich eine neue Frage/Mitdenkbitte. Schaut Euch bitte mal das unter folgendem Link liegende Bild an:
https://photos.google.com/share/AF1QipMx_Kb6PLKTGN47E_0eoQqLsVCqQujZvZokBVT9EBfD1VqaycqbkF7SprXN5jXFdw/photo/AF1QipPsbXO-pETIZ_ITHjrIwFEp_NHnYwf64WoLkdM4?key=cXNDRXoydzRyTFBjWFI5S1VCSEltWHV6dUd6SjdR
Das ist ein Ausschnitt aus einem Altarbild einer Kirche in Gera; er zeigt Herodes, wie dieser gerade den Kindermord zu Bethlehem anordnet. Der Altar und seine Bilder werden entweder auf 1443 (ein angebliches Weihedatum in der Überlieferung) oder um 1500 (von einer Kunsthistorikerin anhand stilkundlicher Überlegungen) datiert. In einer Betrachtung der Bilder ist folgender Satz niedergeschrieben:
„Herodes ist in Palastkleidung abgebildet mit einem Gewand, das ein botanisches Muster, vermutlich Passionsblumen, zeigt.“ Dazu kommt eine Fußnote, die besagt: „Die an eine Kreuzform erinnernden Staubgefäße fehlen jedoch.“
Ich halte die Passionsblumen-Deutung für zweifelhaft, denn die Gattung Passiflora kommt nahezu ausschließlich in Amerika, fokussiert in Mittel- und Südamerika vor (mit einigen wenigen Ausnahmen in Australien und Südostasien), kann also vor 1492 in Europa eigentlich nicht bekannt gewesen sein. ...
Ich denke, dass da das Bedürfnis der Kunsthistorikerin nach symbolischer (ikonografischer) Überhöhung der dargestellten Blüten mit ihr durchgegangen ist.  Natürlich war Herodes für die „Passion“ sehr vieler unschuldiger Kinder unter 2 Jahren und das Leid der Eltern verantwortlich, von der allerdings das Jesuskind zu diesem Zeitpunkt noch (nach Warnung durch einen Engel im Traum des Joseph) durch rechtzeitige Flucht mit Maria und Joseph ausgenommen wurde, da der erwachsene Jesus für die spätere Kreuzespassion ausersehen war.

Die gemalten roten Blüten sind sicher von der Form her keine Passionsblumenblüten. Auch das Laub passt nicht dazu.
Dekorativ ist beides allemal, aber die Genauigkeit der Pflanzendarstellung, wie man sie in der Spätgotik z.B. schon bei der Madonna im Rosenhag – einmal von Lochner und einmal von Schongauer - findet, ist hier nicht gegeben.

Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: RosaRot am 15. März 2018, 14:31:02
@ RosaRot, aber mir leuchtet nicht ein, warum Symbole der Passion auf dem Gewand von Herodes (= Mörder) erscheinen sollen. Gleiches gilt für die Ähren. Irgendetwas stimmt da nicht.

Ja, ich finde die Darstellung auch merkwürdig und etwas unverhältnismäßig grob. Auf sämtlichen anderen Gewändern auf den Altarbildern  finden sich keine Blumendekorationen. Deswegen hätte ich gern ein besseres Foto oder das Original vor Augen, dann könnte man einordnen, wann dies Ornamente gemalt wurden(zur Entstehungszeit, also Mitte 15. Jh.) oder später(warum auch immer).
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Kasbek am 15. März 2018, 14:45:22
Gleich eine neue Frage/Mitdenkbitte. Schaut Euch bitte mal das unter folgendem Link liegende Bild an:
https://photos.google.com/share/AF1QipMx_Kb6PLKTGN47E_0eoQqLsVCqQujZvZokBVT9EBfD1VqaycqbkF7SprXN5jXFdw/photo/AF1QipPsbXO-pETIZ_ITHjrIwFEp_NHnYwf64WoLkdM4?key=cXNDRXoydzRyTFBjWFI5S1VCSEltWHV6dUd6SjdR
Das ist ein Ausschnitt aus einem Altarbild einer Kirche in Gera; er zeigt Herodes, wie dieser gerade den Kindermord zu Bethlehem anordnet. Der Altar und seine Bilder werden entweder auf 1443 (ein angebliches Weihedatum in der Überlieferung) oder um 1500 (von einer Kunsthistorikerin anhand stilkundlicher Überlegungen) datiert. In einer Betrachtung der Bilder ist folgender Satz niedergeschrieben:
„Herodes ist in Palastkleidung abgebildet mit einem Gewand, das ein botanisches Muster, vermutlich Passionsblumen, zeigt.“ Dazu kommt eine Fußnote, die besagt: „Die an eine Kreuzform erinnernden Staubgefäße fehlen jedoch.“
Ich halte die Passionsblumen-Deutung für zweifelhaft, denn die Gattung Passiflora kommt nahezu ausschließlich in Amerika, fokussiert in Mittel- und Südamerika vor (mit einigen wenigen Ausnahmen in Australien und Südostasien), kann also vor 1492 in Europa eigentlich nicht bekannt gewesen sein. ...
Ich denke, dass da das Bedürfnis der Kunsthistorikerin nach symbolischer (ikonografischer) Überhöhung der dargestellten Blüten mit ihr durchgegangen ist.

Sorry, das hatte ich nicht ganz eindeutig formuliert  :-[ : Die besagte Kunsthistorikerin, von der die Datierung stammt, ist nicht die Person, von der der besagte Passionsblumen-Satz stammt.

An einen Korbblütler hatte ich auch gedacht, aber diese quasi doppelte optische Schlitzung der Blütenblätter (einmal bis zum Kelch hinunter und dann nochmal an der Außenseite) glaube ich irgendwo schon mal in ähnlicher Form gesehen zu haben. Mir fällt nur nicht mehr ein, wo.

Über eine spätere Zutat oder Übermalung habe ich nirgendwo eine Info gefunden, also bleibt erstmal die Vermutung, daß es Originalbestand aus der Entstehungszeit ist. Der Entstehungsort ist noch nicht eindeutig nachgewiesen, als am wahrscheinlichsten gelten die großen Werkstätten jener Zeit in Erfurt, Jena, Saalfeld oder im Vogtland. Wenn man also ein konkretes Pflanzenvorbild außerhalb von Musterbüchern oder anderweitigen Vorlagen annähme, so müßte es irgendwo in diesem Raum anzusiedeln sein.

Hier mal noch ein Bild von der gesamten Szene (Vorsicht, explizite Gewaltdarstellung!):
https://photos.google.com/share/AF1QipMx_Kb6PLKTGN47E_0eoQqLsVCqQujZvZokBVT9EBfD1VqaycqbkF7SprXN5jXFdw/photo/AF1QipMpCUVGalb_jaQttAL3Gub5VKQH4wY8yQhyfeC0?key=cXNDRXoydzRyTFBjWFI5S1VCSEltWHV6dUd6SjdR
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: RosaRot am 15. März 2018, 15:00:36
Doch natürlich gibt es einen Zusammenhang. Dargestellt ist ja hier der betlehemitische Kindermord. Jesus ist diesem entgangen durch die Flucht seiner Eltern. Später wird er durch einen anderen Herodes (zur Unterscheidung bisweilen als Herodes Antipas bezeichnet), den Tetrarchen von Galiläa und also für die Gerichtsbarkeit zuständig, an Pilatus zurück überstellt, der das Urteil spricht und vollziehen lässt. Beide Herodes sind also in einem verwobenen bzw. tatsächlichen Sinn für die Passion mitverantwortlich. Der erste Herodes ist sozusagen"der Vorläufer". Die Blumen auf seinem Gewand deuten auf den zweiten. Die Vorher/Nachher -Prinzip als Vorlage für die Verwendung von Symbolen/Allegoreien/ Sprüchen etc. findet sich häufig. Für uns ist es schwierig sich in diese Darstellungsweise hineinzudenken, da uns die Symbole nicht mehr geläufig sind, den mittelalterlichen Betrachtern schon.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: RosaRot am 15. März 2018, 15:05:16
Solche ähnlichen Blumenmotive finden sich immer mal wieder als schabloniertes Muster auf den roten Rahmen von Flügelaltären dieser Zeit(15.Jh.)
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: oile am 15. März 2018, 15:23:16
Ich bleibe dabei: auf dem Gewand von Herodes hat weder Passions- noch Erlösungssymbolik etwas zu suchen.  Ich kenne diese Art von Symbolik nur so,  dass sie auf die Petson selbst hinweist. Weder erleidet Herodes Schmerzen,  noch ist mir eine besondere Erlösungsgeschichte in Bezug auf ihn bekannt.
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Gartenplaner am 15. März 2018, 15:56:15
Auch ohne Farblehre schon Rot-Grün-Komplementärkontrast  :o
Titel: Re: Reine Phantasie oder konkretes Pflanzenvorbild?
Beitrag von: Zwiebeltom am 15. März 2018, 16:13:29
Mir fallen bei den roten Blüten (die wirklich merkwürdig grob gemalt sind) noch Nelkenblüten (die haben oft diesen eingeschnittenen Rand) oder Malven (die gewellten Ränder könnten von einem mäßig talentierten Maler schon wie auf dem Gemälde dargestellt werden) ein.

Ich tippe auch darauf, dass die Blüten keine tiefere Bedeutung haben und einfach exotisch-dekorativ wirken sollten. Bezeichnend ist doch, dass keine einzige Blüte komplett zu sehen ist, sondern alle durch den Rand des Gewandes oder dessen Falten angeschnitten sind. Dabei ist auf dem Gewand genug Platz, um eine Blüte die wirklich Bedeutung haben soll, auch erkennbar und vollständig abzubilden.