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Pflanzenwelt => Botanik => Thema gestartet von: fars am 03. Februar 2006, 11:59:18

Titel: Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: fars am 03. Februar 2006, 11:59:18
Hier wohl besser angesiedelt.
Ab wann spricht man von einem Baum?
Ist eine Palme auch ein "Baum"?
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Phalaina am 03. Februar 2006, 12:04:02
Nach Wikipedia sind die Palmen keine echten Bäume, sondern "baumförmige Lebensformen".
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Crocus am 03. Februar 2006, 13:23:20
Dann schreibt Wikipedia - wie manchmal - Blödsinn!
Bäume sind verholzte Pflanzen mit klarer Differenzierung in Stamm und Äste (falls vorhanden). Strittig ist, ob eine Mindesthöhe bzw. aufrechter Wuchs erforderlich ist (nach Karrer ist Salix serpyllifolia ein Zwergspalierbaum), weiters, ob mehrstämmige Gehölze auch als Bäume bezeichnet werden dürfen oder Sträucher sind. Ob sekundäres Dickenwachstum auftritt oder nicht ist nicht Teil der baumdefinition. Palmen sind Schopfbäume.
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Phalaina am 03. Februar 2006, 13:30:32
BTW, Crocus, weil's mich schon immer interessiert hat: Wer oder welche Institution im deutschen Sprachraum legt eigentlich die exakte wissenschaftliche Definition des Begriffs "Baum" fest?
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Wolfgang am 03. Februar 2006, 13:58:18
Es ist wahrscheinlich dieseslbe, die die exakte Definition des Wortes "Hustenbonbon" festlegt.

"Baum" ist ein Gehölz, dem die Fähigkeit innewohnt, Freundschaft zu schließen, wissen wir seit Doris Nefedow.
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: fars am 03. Februar 2006, 14:10:49
Meinst du so im Sinn von Alexandra: "Mein Freund der Baum..."? :P
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Otto25 am 03. Februar 2006, 14:32:37
Hallo!

Ich habe gelesen, Salix herbacea sei die kleinste Baumart der Welt.


Ich habe danach gegoogelt. Er sieht aber so ganz überhaupt nicht wie ein Baum aus ??? ??? ???

Hier mal ein Bild(bei Google Bildsuche gefunden):

http://www.funet.fi/pub/sci/bio/life/plants/magnoliophyta/magnoliophytina/magnoliopsida/salicaceae/salix/herbacea.jpg


Wieso ist das ein Baum ???
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: sarastro am 03. Februar 2006, 14:46:27
Als Baum würde ich ohne Wikipedia eine Pflanze bezeichnen, deren Jahrestrieb verholzt und oberirdisch erhalten bleibt. Dies würde auf Palmen, auf Zwergsalix und div. Kriechbrombeeren, nicht aber auf Bambus zutreffen. Dieser bleibt zwar oberirdisch erhalten, verholzt jedoch nicht.

Wer von den deutschen Begriffsfetischisten hat was dagegen einzuwenden?
Dachte immer, heutzutage nimmt man eh alles etwas lockerer und cooler. :o;D
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Thomas am 03. Februar 2006, 14:46:49
Mal ganz altmodisch: Blick ins Lexikon. Und um es noch altmodischer zu machen: Großer Herder von 1952, Sp. 1084.

"Baum, ausdauerndes, bis 100 m hohes Holzgewächs mit längerem, festen Stamm und 'Baumkrone' ohne (Schopf-B.: Palme, Farn-B.) od. mit Zweigen (Wipfel-B.: die meisten Bäume).
...
Die Baumform entsteht durch Absterben der unteren Seitentriebe. Durch Zufall od. künstlich kann diese Wirkung auch bei Sträuchern auftreten ("verbaumt"). ... "

Demnach wäre Größe kein Kriterium, sondern lediglich die Baumform: Ausdauerndes Holzgewächs mit längerem Stamm plus Krone - oder?


Lernbegierige Grüße
Thomas
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Phalaina am 03. Februar 2006, 14:56:59
Wer von den deutschen Begriffsfetischisten hat was dagegen einzuwenden?
Dachte immer, heutzutage nimmt man eh alles etwas lockerer und cooler. :o;D

Aber irgendwo in einer deutschen Uni (oder alternativ auch in A oder CH-Land) sitzt bestimmt ein in akademischen Ehren ergrauter C4ler, der sich ob der in diesem Forum zutage tretenden Begriffsungenauigkeiten zu einem längeren Leserbrief veranlasst sähe ... ;D
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Crocus am 03. Februar 2006, 15:28:19
Saklix herbacea ist auch so in Zwergspalierbaum.

Wenn es um Baum als botanischen Fachbegriff geht wird der in der Botanik, und hier von den Mos (den MorphologInnen) diskutiert.
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: fars am 05. Februar 2006, 07:10:46
Der Irrtum, dass Palmen keine Bäume sind, scheint aber weit verbreitet zu sein. So auch hier mit Quellenangaben:

http://www.treeland.de/Baeume/Baumarten.htm

Gibt es hierzu unterschiedliche Lehrmeinungen oder ist die Definition inzwischen "definitiv"?
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: kyukazan am 05. Februar 2006, 08:02:53

Aber irgendwo in einer deutschen Uni (oder alternativ auch in A oder CH-Land) sitzt bestimmt ein in akademischen Ehren ergrauter C4ler, der sich ob der in diesem Forum zutage tretenden Begriffsungenauigkeiten zu einem längeren Leserbrief veranlasst sähe ... ;D

Nun mal abgesehen vo CV, C4, C14 oder ... :-X
Die Therminologie ist wohl ein ständig wachsendes Wissensgebiet, auch Sprachübergreifend.
Siehe auch Übersetzungen von Betriebsanleitungen etc.( bagpipe=rucksackrohr :P)

Aber Spaß beiseite:
Strasburger, Lehrbuch der Botanik,S166f: ....hier sind im Gegensatz zu den Verhältnissen bei Sträuchern die Terminalknospen und die ihnen nächststehenden oberen bzw. äußeren Seitensprosse am stärksten gefördert..... Der jährliche Zuwachs erfolgt überwiegend in den periphären Bereichen der Krone, die von einem einheitlichen Stamm getragen wird.....

Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: fars am 05. Februar 2006, 08:55:49
Demnach also Palme nicht, weil nicht überwiegend im periphären Bereich...? Oder? :P ::)
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Crocus am 05. Februar 2006, 09:42:50
Bei Strasburger ist auch immer die Frage welche Ausgabe, da diese mitunter kräftig divergieren. Das Zitat dürfte aus der 34. stammen, die ich auch besitze. Aktuell ist AFAIk die 35. Die hab ich nicht gekauft, weil sie in der Gefäßpflanzensystematik deutliche Rückschritte hat - Umstellung von Ehrendorfer auf Kadereit, der nichts mehr erklärt, keine Probleme diskutiert, sondern nur das Konsenssystem wiedergibt. Da aber inzwische eh Peter Stevens die beste Quelle für Angiosperm Phylogeny ist, könnt ich mir den neuen für andere Probleme der Botanik abseits meines Fachgebiets zulegen. Die 34. klärt nämlich nicht, ob Palmen nun einer derzeitigen Konsens-Baumdefinition entsprechen.

Problematisch im Zitat sind die ..., ist also die Kürzung. Da ist nämlich ein Absatz dazwischen. Der Zuwachs im peripheren Bereich bezieht sich nämlich ausschließlich auf den Unterschied zwischen Nadelbäumen und Dikotyledonenbäumen und klammert somit andere Bäume definitiv aus.

Die Frage ist nur: Wenn ich sekundäres DW als Voraussetzung nehme, was sind dann Palmen? Der Strauchdefinition widersprechen sie. Stauden? Da sie verholzen: nein! Also was? Üblicherweise nennt man diesen Typ Schopfbäume (da gibts übrigens auch Dicots, etwa Lobelien, die von den üblichen Verhältnissen abweichen). Sind nun Schopfbäume keine Bäume?

Vielleicht kommen wir, wenn jede Wuchsform ausgeschlossen ist, zu dem Schluß, daß Palmen eben Palmen sind und Schopfbäume nicht existieren sondern auch Palmen sind, womit die vielzitierte Yuccapalme endlich kein Schwachsinn mehr ist sondern legalisiert - dann sind Lobelien und vielleicht gar Drachenbäume auch Palmen, Tillandsien sind dann Orchideen und Stapelien Kakteen und dann freuen wir uns alle :-X
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: kyukazan am 05. Februar 2006, 09:59:25
Zitat mit.....aus der 35. Ausgabe

.... sind immer ein Problem- aber das Texterkennungsprogramm spinnt wieder mal- sorry
Und die nichtexistenten aber in der Literatur allgegenwärtigen "Schopfbäume" sind ein eigenes Kapitel- könnte ja hier entstehen ;D
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: sarastro am 05. Februar 2006, 10:24:19
Diese unzähligen albernen Begriffsdefinitionen begleiten mich von Schülerbeinen an bis ins hohe Alter! Diese wie aus der Pistole geschossen auf Abruf wiedergegeben macht anscheinend heutzutage den scheinbar gebildeten Mensch aus. Ich sah früher immer rot, wenn man nicht genau wiedergeben konnte, was der Herr Steisstrommler vorkaute. :'(
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: fars am 05. Februar 2006, 10:44:52
Diese unzähligen albernen Begriffsdefinitionen begleiten mich von Schülerbeinen an bis ins hohe Alter! Diese wie aus der Pistole geschossen auf Abruf wiedergegeben macht anscheinend heutzutage den scheinbar gebildeten Mensch aus. Ich sah früher immer rot, wenn man nicht genau wiedergeben konnte, was der Herr Steisstrommler vorkaute. :'(

 ???

Aber von bzw. mit diesen "albernen Begriffsdefinitionen" lebt doch jeder anspruchsvollere Angebotskatalog von Staudenzüchtern. Namen sind nun mal dazu da, um zu definieren.
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Crocus am 05. Februar 2006, 10:45:48
Das Problem is halt, daß exakte Definitionen nicht einfach sind. Ich verweise wieder mal auf: http://www.planten.de/pflanzen/botanik/lebensformen/ und
http://forum.planten.de/archiv/index.php?board=24;action=display;threadid=14233;start=0
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: sarastro am 05. Februar 2006, 11:14:59
Fars, möchtest du vielleicht behaupten, dass mein Pflanzenkatalog zu wenig anspruchsvoll ist? ;)

Nein, ich meine, man kann Begriffe jederzeit auch individuell und persönlich unterschiedlich definieren, ohne das sie sich inhaltlich wesentlich unterscheiden. Dass viele als Geistesstütze eine Orientierung benötigen, ist wohl selbstredend.

Aber ihr seht hier live, wie mühsam es offenbar ist, einen simplen Baum von einem Gehölz zu unterscheiden und festzulegen. Und zum Glück ist dies nicht einfach. Die Natur ist eben nicht immer statisch mathematisch.
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Crocus am 05. Februar 2006, 11:46:28
Aber ihr seht hier live, wie mühsam es offenbar ist, einen simplen Baum von einem Gehölz zu unterscheiden und festzulegen.

Das istz deswegen nicht einfach, weil Bäume ja gehölze sind ;)
Und die Natur ist sehr mathematisch.

Was das Problem ist, ist unser unzureichendes Kathegoriendenken. Genauso wie in allen Wissenschaften ist die Exaktheit der Begriffe auch in der Biologie wichtig, aber nicht leicht festzumachen.
Beliebigkeit der Begriffe ist überall ein Problem, auch dort wo sie exakt definierbar sind. Denk nur an Strahlen (Geomantie) und Energie (Akupunktur) in der Esoterik: Selbst wenn wir unterstellen, daß das alles stimmt, was die behaupten (was sich aufgrund fehlender theoretischer Widerlegbarkeit jeder Wissenschaftlichkeit entzieht), so können wir eines sagen: Strahlen und Energie haben damit nichts zu tun!
Das Problem in der Biologie ist, daß sie im Gegensatz zur Physik erst sehr spät ein wissenschaftliches Stadium erreicht hat und die Begriffsdefinitionen daher noch wenig exakt sind, und sich zudem noch (siehe "Staude", "Baum", etc.) von volkstümlichen Begriffen ableiten, deren Wortinhalt nicht identisch mit dem wissenschaftlichen Wortinhalt ist.
Daher gibz alle möglichen jungen Einteilungsversuche von Wuchsformen, etwa Lebensformen nach Raunkier oder Pflanzenarchitektur nach Barkman (IMO zur Vegetationsanalyse das bessere System).
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: fars am 05. Februar 2006, 12:01:38
Fars, möchtest du vielleicht behaupten, dass mein Pflanzenkatalog zu wenig anspruchsvoll ist? ;)

Ganz im Gegenteil. Er sollte sogar als Beispiel dienen, wie sehr man auf Definitionen angewiesen ist, damit jeder von demselben spricht.

In dem vorliegenden Fall geht es wohl eher um unterschiedliche Standpunkte, so dass noch keine endgültige Definition gefunden wurde.

Aber um dir zuzustimmen: Wenn zwei von Rhododendron fortunei sprechen, meinen beide die gleiche Art, zeigen aber völlig unterschiedlich aussehende Pflanzen vor und haben dennoch beide Recht.

Gerade bei Wildarten lässt sich die Natur selten in ein Schema pressen. Aber das, glaube ich, geht etwas an dem gerade Diskutierten etwas vorbei.
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: Crocus am 05. Februar 2006, 12:06:54
Gerade bei Wildarten lässt sich die Natur selten in ein Schema pressen.

Wenn die werten Kollegen die Konsensartdefinition anwenden würden, wäre die Arteinteilung eine ziemlich exakte Wissenschaft. Meiner Meinung nach sind Artabgrenzungen wie Artwerdung etwas sehr "schematisches".
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: fars am 05. Februar 2006, 12:43:44
Das mag für einige Arten zutreffen, die auch in der Natur recht "rein" bleiben.

Sobald die aber eine starke Neigung zur Hybridisierung haben, kann die Art sehr stark variieren. Ein weiterer Faktor ist der Naturstandort. Pflanzen der Gebirgsregion können je nach Höhenlage völlig unterschiedlich aussehen. Vermutlich müsste man einen genetischen Fingerabdruck nehmen und die Pflanzen mit der größten Übereinstimmung als die Art bezeichnen. Ein etwas willkürlicher Akt.

Ich bitte um Nachsicht, wenn ich hier als Beispiel wieder die Rhododendren, mit denen ich mich etwas intensiver befasst habe, anführe. Bis heute gibt es noch keine endgültige Klassifizierung. Nur eine letzte, die aber auch nicht von allen akzeptiert wird. Denn immer wieder gibt es ernst zu hemende Einwände.
Titel: Atbegriff
Beitrag von: Crocus am 05. Februar 2006, 13:58:11
Mit genetischer Variabilität hat die Artdefinition wenig zu tun. es gibt Arten, die sind derart variabel, daß, wollte man den Artbegriff genetisch sehen, wir und alle Menschenaffen eine einzige Art bildeten - oder man müßte Drosophila melanogaster in mehrere arten aufspalten und in Kauf nehmen, daß die Artgrenzen quer durch Populationen gehen. Es gibt also Arten, die sehr variabel sind, und andere, die immer gleich aussehen.

Nein, es geht um eine natürliche Abgrenzung zur nächsten Art (Species, sp., MZ: spp.). Und das hat wieder mit Hybridisation wenig zu tun. Hybridisierung und daraus resultierende Introgression sind kein Grund an Artgrenzen zu zweifeln. Unterarten (subspecies, subspp. oder sspp., EZ: ssp. oder subsp.) sind erst dann gegeben, wenn es fließende Übergänge bei sonstiger Eigenständigkeit (Areal, Merkmale) gibt. Alles andere was innerhalb der Art abweicht kann zwar als Varietät (varietas), Form (forma) oder Spiel(art) (lusus) benannt werden, sinnvoll ist das allerdings in den wenigsten Fällen.
Beispielsweise kreutzen Crocus exiguus und C. albiflorus dort, wo sie zusammenkommen, recht häufig. C. x fritschii ist auch trotz ungerader Chromosomenzahl fertil und Rückkreutzungen sind häufig. Dennoch sind beide Arten morphologisch, ökologisch und arealmäßig gut getrennt, zudem unterschiedlicher Abstammung und die Hybriden beschränken sich auf Kontaktzonen. Anders etwa bei Pulsatilla vulgaris, wo reine subsp. vulgaris und reine subsp. grandis niemals zusammenkommen, weil sie durch eine mehr als 250 km breite Zone fließender Übergänge voneinander getrennt sind. Hier haben wir es definitionsgemäß mit Unterarten zu tun, auch wenn dies wieder das ein Extrem der Taxonomen, die Splitter, die aus jeder Abweichung eine Art machen, nicht gerne sehen.

In der Praxis gibt es leider Modeströmungen. Derzeit sind die Lumper am Ruder, die Arten als das definieren, was auf den ersten Blick unterscheidbar ist, und alles was ähnlich ist als Unterarten - selbst bei eindeutiger Abgrenzbarkeit und Intersterilität, etwa Veronica hederifolia, V. sublobata und V. triloba. Es gibt aber auch sog. Cryptospecies, die nicht kreuzbar sind, unterschiedliche Areale besetzen, oft auch von unterschiedlichen Arten abstammen (eine polyphyletische Gruppe bilden), aber optisch nicht unterscheidbar sind. Etwa Crocus vernus und C. purpureus (C. napolitanus) sowie C. discolor (C. scepusiensis) und Wiesenpopulationen von C. exiguus.

Die Varietas wird in der Praxis meist als "ich weiß nicht was soll das bedeuten"-Rangstufe verwendet. Da sind gute Arten dabei, Unterarten, echte Varietäten (im Sinne von Ökomorphen oder geographischen Varianten), einfache monoallele Formen ("var. alba", "var. aquinii" der "Orchidioten"), aber auch Übergänge zwischen Unterarten einer Art, sowie nothosubspecies (nsspp.), also hybridogene Übergänge zwischen Unterarten unterschiedlicher Arten.

Das Problem bei den Rhodos ist doch eher das, daß die meisten Arten in Asien vorkommen, von wo Einzelpflanzen zu Forschungszwecken nach Europa gelangten. Die natürlichen Artgrenzen sind aber erst dann sichtbar, wenn ich das ganze in der Natur dokumentieren kann. Und jetzt beginnen grad einal chinesische Forscher mit der Arbeit daran. Und in ihrer Überheblichkeit sind euroamerikanische Botaniker nicht sehr gewillt, deren Ergebniss anzuerkennen. Dabei halten sich die Chinesen zur Zeit mehr an Konsensdefinitionen als Europäer und Amerikaner, die sie eigentlich aufgestellt haben. Siehe auch den Paeonia delavayi-Komplex und wie ihn die Chinesen, IMO korrekt, bewerten, und was ein besonders unbelehrbares Beispiel von Einzelexemplartaxonomie, nämlich Halda, davon hält.
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: cimicifuga am 05. Februar 2006, 14:02:50
fazit: eine schubladisierung des pflanzenreiches wird nie zufriedenstellend gelingen ;)
Titel: Re:Wann darf sich eine Pflanze Baum nennen?
Beitrag von: fars am 05. Februar 2006, 14:10:47
Danke, Crocus, sehr informativ.
Ja, stimmt, bei Rh. sind zunächst halt nur Herbarexemplare oder nur Samen nach Europa gekommen. Dann wurde anhand der Aufzucht mit den Notizen der Pflanzenjäger verglichen und klassifiziert.

Daraus ergab sich dann "Wie hat ein Rh. xy auszusehen" um als solcher bezeichnet zu werden. Der pflanzenliebhaber ist dann sehr verblüfft, wenn er auf Bestellung etwas bekommt, was nicht idealtypisch ist.