Ich habe das Buch "Rebschnitt" von Becker u.a. gelesen und möchte hier ein kurzes Resümee geben.
Es werden unterschiedliche Schnitt- bzw. Erziehungsformen etwas detaillierter als z.B. in "Wein im Garten" beschrieben und es wird auch zwischen verschiedenen Wuchsstärken und Sorteneigenschaften unterschieden, allerdings nur für Keltertrauben. Breiten Raum nehmen Probleme von Profiwinzern ein inklusive Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsbetrachtungen, was für uns nicht von Interesse ist. Der Kauf lohnt nicht unbedingt, wenn man schon andere Bücher hat, aber die Ausleihe in einer Bibliothek ist sinnvoll, um die wenigen wichtigen Seiten zu lesen.
Für "normale" europäische Sorten auf SO4 reichen Rebschnittemphehlungen in z.B. "Wein im Garten".
Nur leider sind diese Schnittempfehlungen für viele osteuropäische Sorten nicht geeignet. Viele osteuropäische Sorten sind sehr viel wuchsfreudiger als hiesige Sorten (genetisch bedingt, wüchsigere Unterlagen als in D, z.B. 125AA statt SO4) und als die Keltertrauben. Am ehensten ist die Wuchskraft noch mit Dornfelder zu vergleichen.
Was ist die konventionelle Vorschrift für den Bogrebenschnitt im Ertragsstadium? Bei einer Bogrebe sollen 6 (bis max.
Augen angeschnitten werden. Bei dem "normalen" Abstand der Knospen auf der Bogrebe ergibt sich ein Abstand der Reben in der Reihe von ca. 1,2 m.
Osteuropäische Sorten haben jedoch oft größere Knospenabstände und das vegetative (Ruten und Blätter) und das generative Wachstum (Trauben) sind um vieles höher als bei hiesigen Keltertrauben, von denen man bei den Rebschnittempfehlungen ausgeht.
Wenn man diese osteuropäische Sorten "normal" anschneidet, dann bilden sich Fruchtruten von bis zu 4-6 m Länge, weil sich die Wuchskraft der Rebe auf nur wenige Ruten konzentriert. Wenn man die osteuropäischen Reben gifpelt, dann neigen diese dazu, ihre Wuchskraft in Geiztriebe auszuleben. Dadurch entsteht ein enormer "Busch" und das Gleichgewicht zwischen vegetativer und generativer Wuchskraft wird zugunsten der vegetativer Wuchskraft verschoben. Das führt zu einer mehrwöchigen Reifeverzögerung und niedrigem Zuckergehalt der Beeren sowie wegen fehlender Durchlüftung zu größerer Pilzanfälligkeit.
Was sollte man stattdessen machen? Jakob hat schon empfohlen, die Fruchtruten nicht mehr zu gipfeln und stattdessen oben waagerecht weiter zu ziehen. Das Problem dabei ist, dass sich dann im oberen Bereich des Spaliers viele waagerechte Fruchtruten konzentrieren. Wenn man nicht gipfelt, dann ist die Neigung zu Geiztrieben deutlich geringer.
Wenn ich die Empfehlungen aus "Rebschnitt" für starkwüchsige Sorten (z.B. für Dornfelder) auf die osteuropäischen Sorten übertrage, die noch deutlich wüchsiger als Dornfelder sind, dann müsste man wie folgt bei Bogrebenerziehung schneiden:
- statt 6 bis max. 8 Knospen auf Bogrebe 10 bis 12 Knospen (oder noch mehr) anschneiden. Die vegetative Wuchskraft verteilt sich dann auf mehr Fruchtruten, so dass diese nicht so extrem lang werden. Grob über dem Daumen: Die Summe der Länge aller Fruchtruten ist sortenspezifisch.
- Da der Abstand der Knospen bei osteuropäischen Sorten größer ist, z.B. 15 cm, müsste der Abstand der Reben in der Reihe z.B. 1,6 bis 1,7 m betragen (oder mehr), damit die Bogrebe(n) mit mehr Knospen Platz hat. Bei 2 Bogreben würde jede Bogrebe die halbe Länge haben.
- nach Möglichkeit nicht gipfeln
-
jeden Geiztrieb schon im Zweiblattstadium ausbrechen, außer wenn diese nach Spätfrost- oder Hagelschäden unbedingt gebraucht werden.
- 50 % der Gescheine entfernen, damit der Rest der Trauben süß wird.
- im Bereich der Trauben entblättern, wenn Beeren sich verfärben beginnen oder kurz vorher.
- nicht oder sehr sparsam mit N düngen, es sei denn, eine Bodenprobe zeigt Stickstoffmangel, wenn Düngen mit N, dann nur im Frühjahr, nicht später
- Die Stammhöhe sollte bei 60 bis 70 cm liegen.
- unter Reben mit kurz wachsenden Gras begrünen - mindert das vegetative Wachstum
- Im Frühjahr Dünger mit Spurenelementen gießen, Schwerpunkt Eisen und Bor.
- Magnesiumdünger ist sinnvoll.
- Kalium und Phosphor, wenn Mangel, Kalium insbesondere im September bzw. August für bessere Holzreife.
- 2 mal im Jahr mit Eisensulfat gießen (Lösung nicht überkonzentrieren)
Im Jungstadium sollten die osteuropäischen Sorten viel kürzer angeschnitten werden, z.B. nur 3 bis 4 Knospen, damit die Rebe nicht überlastet wird, denn in diesem Stadium sind die Wurzeln noch nicht so entwickelt, um mehr Fruchtruten zu ernähren.