Ja! Wir benötigen die alten Pfitzer-Kataloge aus der Zeit der Einführung dieser Sorte. Aufzeichnungen von Pfitzer zu seinen/ihren Phloxen sind mir nicht bekannt. Wäre aber toll, wenn man in den Archiven etwas finden könnte. Was man weiß, ist, dass Graf von Schwerin die Umbenennung der Sorte in 'Württembergia' in seinem Katalog von 1931 kritisiert hat.
Aber hier Beschreibungen von Phlox p. 'Baron van Heeckeren' (Ruys, 1919):
Kat. Kayser&Seibert 1927: sehr großblumig, salmrosa, 80
Kat. Schädlich 1940: herrliche, grosse, lachsrosa Blütendolden
Auch sonst ist von "Lachsrosa" oder "Karminrosa" die Rede, ein weißer Spiegel wird nirgends erwähnt.
In den Ruys-Katalogen ab 1950 ist diese Sorte nicht mehr enthalten.
Es gibt leider sehr wenige Überlieferungen aus Pfitzers Zeit. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den Folgejahren der erste WK ausbrach, danach kam in den 20er Jahren die Weltwirtschaftskrise und gleich darauf der zweite WK. Dass in dieser Zeit viele Unterlagen in Deutschland verloren gegangen sind, ist nicht verwunderlich. Aus dieser Zeit dürften bei den Holländern, Franzosen, Engländern und nicht zuletzt in Russland wesentlich mehr schriftliche Aufzeichnungen erhalten geblieben sein.
Außerdem müssen wir uns vor Augen halten, dass aus der Zeit bis zum ersten Weltkrieg nurmehr ein Dutzend (oder wenig mehr) Sorten erhalten geblieben sind und dass der vorwiegende Teil davon keine deutschen Züchtungen sind. Daher bewegt mich die Frage, was Pfitzer veranlasst haben sollte, die Sortenbezeichnung 'Jules Sandeau' zu ändern
Was waren seine Beweggründe, bzw. welche Motive könnte er gehabt haben?
(*ich komme mir schon vor, wie Hercule Poirot*) 1) War die Konkurrenz der anderen europäischen Neueinführungen der damaligen Zeit zu groß und er fühlte sich genötigt, schnell etwas deutsch-klingendes auf den Markt zu bringen, hatte aber selbst keine geeignete Züchtung parat? Seine 'Europa' ist ja auch nicht ein eigener Sämling von ihm...
2) Hat er die alte Lemoine-Sorte aus einem dreißigjährigen Schlummerschlaf wieder erweckt und die verschütt Gegangene neu eingeführt?
- Wenn ja, warum unter neuem Namen? War das "schick" zu der Zeit? Andere, ähnlich gelagerte Fälle, könnten weiterhelfen, gibts aber meines Wissens nicht, außer einem:
'Triomphe de Twickel' (Van Houtte, 1857), eine Sorte, die angeblich von Herrn van Wassenaar (Obergärtner bei Baron Van Heeckeren! sic!) eingeführt und über Van Houtte vertrieben wurde. Alte Abbildungen zeigen einen 'Triomphe de Twickel', der unübersehbare Ähnlichkeiten mit 'Schwerins Flagge' aufweist, die ihrerseits von 'Peppermint Twist' kaum zu unterscheiden ist. Frage: Ist 'Schwerins Flagge' ein umbenannter 'Triomphe de Twickel' ?
- ebenso reanimiert wie 'Jules Sandeau'?
Ich meine... wir sprechen hier über die ältesten Sorten überhaupt, die es noch auf dem Markt gibt, Sachen aus dem vorletzten Jahrhundert!
3) Kann es sein, dass Walter Pfitzer, als er in Lehre bei Louis Van Houtte in Gent ging, Vermehrungsmaterial von dort nach Stuttgart in den Betrieb seines Vaters Wilhelm brachte und es eine Verwechselung mit Jules Sandeau (1877) gab, die er fälschlicherweise als eigenen Sämling ansah? Schließlich hatte der Betrieb Pfitzer in Stuttgart kurz vor dem Jahrhundertwechsel bereits hunderte von Phlox-Sorten auf den Markt gebracht! Ein Jahr vor der Einführung von 'Württembergia' expandierte der Betrieb Pfitzer und zog von Stuttgart nach Fellbach. Bis zum ersten WK hat der Betrieb über 500 Sorten Phlox auf den Markt gebracht! Da war Foerster ein Waisenkind dagegen. Walter Pfitzer starb kurz vor dem Ausbruch des zweiten WK und hinterließ trotz Rückschläge während der Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren einen florierenden Betrieb. Während des zweiten WK und nach dem Krieg wurde der Betrieb Pfitzer in Fellbach wegen seiner Größe gezwungen, Obst und Gemüse anzubauen und zu vertreiben, für Zierpflanzen war in Deutschland damals kein Bedarf mehr. In dieser Zeit ist viel verloren gegangen, vermutlich auch die Aufzeichnungen Walter Pfitzers. Der Betrieb lief nur noch mit Kriegsgefangenen, die eigenen Mitarbeiter mit Erfahrung und Phlox-Wissen waren an der Front und kamen nie zurück. Nach dem Krieg musste der Betrieb extrem verkleinert werden, die Phlox-Zucht wurde komplett aufgegeben, Pflanzenmaterial ging schon während des Krieges verloren.
Vor diesem Hintergrund eine lückenlose Aufklärung der Jules Sandeau/Württembergia-Problematik zu versuchen, erscheint mir etwas schwierig.
Der Betrieb war in der fraglichen Zeit zu groß und vielfältig ausgerichtet (Cannas, Gladiolen, etc. als Schwerpunkt der Zuchtarbeit) und danach kam die erzwungene Schrumpfung zu schnell und zu drastisch. Da sind viele schriftliche Nachlässe für immer verloren, besonders aus solchen Betrieben.