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Pflanzenwelt => Botanik => Thema gestartet von: Rib-Johannisbeere am 28. Januar 2018, 18:21:37

Titel: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: Rib-Johannisbeere am 28. Januar 2018, 18:21:37
Diese Frage stellte sich heute mir bei Youtube.

Bei einer Diskossion las ich das auf der Homepage der Baumschule Schreiber:
https://schreiber-baum.at/sortenbeschreibung/mirabelle-ringlotte-kriecherl

Nach ihr ist die Nancy eine Kriechen-pflaume.

So habe ich mal gegoogelt (ja, nur kurz) und fand nur ein mal die gleiche Aussage. Oft fand man dagegen die alte Bezeichnung der Mirabelle als Prunus insititia.

Nach meinen Infos ist die Kriechenpflaume wegen ihres Geschmacks, ganz klar von der Mirabelle zu untercheiden.

Was sagt ihr dazu? Wie ist die Erkenntnis und der Stand der Dinge?
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: Wild Obst am 30. Januar 2018, 12:20:55
Bei den Unterarten von Pflaumen und der Frage zu welcher Unterart welche Sorte gehört oder welche Unterart überhaupt gültig ist, habe ich oft eher das Gefühl es geht um eine Weltanschauung als wirklich praktische Einteilungen.

Und zur Baumschule Schreiber: Ich bin mir nicht sicher, wie weit ich einer Baumschulhomepage in diesem Fall trauen soll. Alleine schon die offensichtlichen, aber im deutschsprachigen Raum doch recht häufigen (Abschreib-?)Fehler bei der Reineclaude d'Oullins (bei Schreiber falsch mit Q, Quillins oder grottenfalsch Reineclaude d'Quillins, geschrieben) sind für mich eher das Zeichen, dass die Informationen auf der Seite eher einfach nur von anderen Seiten oder Büchern zusammenkopiert oder zusammengeschrieben wurde, ohne den Inhalt zu hinterfragen. Entsprechend viel würde ich auch den anderen Informationen trauen.

Außerdem kommen mir die Früchte der abgebildeten Oullins Reneklode viel zu klein vor, die sind dort ja nur so klein wie die Blätter breit sind und auch die Blätter insgesamt sehen irgendwie klein aus! Ich kenne die als deutlich größer in allem als die meisten anderen Pflaumen, große Blätter vielleicht 8-12-x5-6 cm, Früchte mit >5 cm, Jahrestriebe 1cm oder mehr.
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: mybee am 28. März 2018, 11:33:01
Jahrestriebe 1cm oder mehr.

eher mehr.
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: mybee am 28. März 2018, 14:24:29
Wie sagt ein süddeutscher Kollege: "Kriachal, oft weans mid de Ringlo und de  MIrabelln vawechsld."
Bitte um Entschuldigung, wenn ich nicht richtig zitiere. ich spreche sonst moselfränkisch und etwas deutsch.
Die Kriechen-Pflaume wurde Mitte des 18.Jh. von Carl von Linné als Prunus insititia beschrieben, heute
wird sie in Deutschland unter Punus domestica ssp. insititia Bonnier et Layens geführt.
Die Mirabelle wird in Deutschland zu Prunus domestica ssp. syriaca gezählt. In Frankreich findet man sie als eigene Art Prunus insititia.
Da es die Kriechen-Pflaume auch als gelbe Frucht gibt, kann dies zu Verwechslungen führen, da mit den
Sorten auch das Wissen darüber ausstirbt.
Im übrigen verweise ich gerne auf die schöne Arbeit von Peter Schlottmann,die man als PDF "Bestimmung wichtiger Sippen der Gattung Prunus, Sektion Prunus" suchen kann.
Edit: http://www.ag-geobotanik.de/Kieler_Notizen/KN_39/KN39_054-065_(2013)_Schlottmann_Prunus.pdf
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: b-hoernchen am 11. April 2018, 22:58:41
Eigentlich müsste man Mirabellen und Kirschpflaumen schon als zwei eindeutig unterschiedliche Arten auseinanderhalten.
Die Kirschpflaume soll ja diploid sein, die Mirabelle müsste als eine prunus domestica doch eigentlich hexaploid sein - oder etwas nicht?!
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: mybee am 12. April 2018, 10:51:38
Wenn man Mirabellen kennt und gegessen hat, dann ist es fast unmöglich, die beiden nicht auseinander halten zu können
Die Diskussion gehört auch ins Obstforum oder wollen wir versuchen wissenschaftlich zu disputieren.

Zur Taxonomie hochinteressant: auf arche-noah .at nach "Tagung Zwetschken" suchen. Der Tagungsband ist als
download verfügbar.
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: mybee am 12. April 2018, 11:02:23
Hallo Rib,

da Du dieses theme angezettelt hast, sei bitte so freundlich, einen link auf den "Tagungsband" zu setzen. Danke im vorraus. :D
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: Rib-Johannisbeere am 12. April 2018, 11:08:11
Danke erstmal an alle für eure Beiträge.

@b-hörnchen:

sorry, ich glaube du verwechselst hier etwas. :)

mybee sprach über die hexaploide Kriechenpflaume, einer Wildpflaume, die zu Prunus domestica gehört.

Die Kirschpflaume (P. cerasifera) ist diploid, Es gibt schon deutliche Unterscheidungsmerkmale zwischen diesen Arten, die man aber erst erkennen lernen muss. Diese Art wurde aber hier nicht erwähnt. :)

In Norddeutschland wird die Kirschplaume gerne als Mirabelle bezeichnet, was aber mehr als sprachliche Ungenauigkeit zu deuten ist. Diese Unart scheint sich leider zu verbreiten. Ich will nicht damit sagen, dass im Norden nicht zwischen Mirabelle und Kirschpflaume unterschieden wird, es ist eben sprachlich so gebräuchlich.

Wenn aber diese Ungeflogenheit mit Wissenslücken zusammen trifft, dann kann es passieren, das Pflanzen unter falschen Namen verkauft und/oder verschenkt werden.

 Oder habe ich dich missvertanden?


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Offtopic:
Siehst du Helgaimmer, das ist Höflichkeit. Fragen stellen und den anderen zuhören. Nicht die Leute beschimpfen, dass sie für dies o. jenes zu doof seien. Das sind sie nicht. Caps sind auch unhöflich, da sie für Schreien stehen.
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: Rib-Johannisbeere am 12. April 2018, 11:09:15
Hallo Rib,

da Du dieses theme angezettelt hast, sei bitte so freundlich, einen link auf den "Tagungsband" zu setzen. Danke im vorraus. :D

was für ein Tagungsband?
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: Rib-Johannisbeere am 12. April 2018, 11:12:33
Ahh, ich hab's. Sorry, habe erst jetzt gesehen dass du zwei Posts gemacht hast.

hier der Link zur Tagung:

Zwetschkentagung
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: mybee am 12. April 2018, 11:18:36
Bei dem burdianischen Huftier S.6 habe ich auch an Dich gedacht.
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: Rib-Johannisbeere am 12. April 2018, 11:24:17
Kann es gerade nicht nachvollziehen. Am Handy, über WLAN, bricht der Download des PDFs andauernd ab. Egal ob Chrome oder Firefox. Muss es später über den Rechner machen.

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Edit:
Bei dem burdianischen Huftier S.6 habe ich auch an Dich gedacht.
Wegen meines alten Nicks (Rib-Esel), oder wegen des Fragezeichens, verbunden mit meiner andauernden Verwirrung?
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: michaelbasso am 15. April 2018, 14:42:30
Mal eine etwas damit weitläufig zusammenhängende Frage, fallen die genannten Varietäten oder gar Unterarten samenecht?
Entsteht aus einer Mirabelle (z.B. eine Nancy Mirabelle) mit einer Mirabelle bestäubt  wieder eine Mirabelle und aus einem Spilling wieder ein Spilling (immer vorausgesetzt das keine unterartefremde Bestäubung stattgefunden hat)?
Eigentlich müsste dies ja so sein, wären es nur Zuchtsorten dürfte man die botanischen Kategorien wie subspec.  für Pflaumen nicht anwenden.
Mir scheint damit beschäftigt sich so recht keiner oder ist das so klar? Auf die Frage der Samenechtheit hat mir Herr Schlottmann mal geantwortet "Natürlich nicht", tja was nun?
Hat es jemand schon einmal ausprobiert?

P.S. mit samenecht meine ich nicht das die selbe Sorte wieder entsteht, aber doch botanisch gesehen eine Mirabelle aus einer Mirabelle und z.B. keine Reneklode.
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: mybee am 16. April 2018, 11:05:03
@Rib
Selbstverständlich aufgrund des alten Namens: Kreuzworträtsel - Huftier mit 4 Buchstaben, vorne E, hinten L
und weil ich selbst ein alter bin.
Rib sagen wir zu Rübe, umgangssprachlich auch für Kopf. ;D

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Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: mybee am 16. April 2018, 11:44:54
@michaelbasso
Zu den praktischen Aspekten Deiner Frage
- "Samenecht" geht natürlich nie. Das war Dir auch klar. Die Sämlinge haben immer andere Eigenschaften als die Elternsorten.

- Bei der Aussaat von selbstfruchtbaren (autofertilen) Sorten können die Sämlingspflanzen manchmal ähnliche  Eigenschaften haben wie die Mutterpflanze. Man spricht dann von "kernechten" Sorten. 'Mirabelle von Nancy' und 'Mirabelle von Metz', aber auch 'Hauszwetsche', 'Große Grüne Reineclaude' und wohl auch der 'Rotbunte Spilling' sind z.B. solche Sorten, die früher auch teilweise durch Aussaat vermehrt wurden, was die Typenvielfalt, teils mit schlechteren Eigenschaften, erklärt. Die brauchbaren wurden oft weitervermehrt durch Veredelung oder aus Wurzelbrut.

- Bei Kreuzungen, auch innerhalb der Unterarten, ist die Chance etwas Gleichartiges zu bekommen noch geringer. Also 2 Mirabellen miteinder gekreuzt ergibt eher etwas "Pflaumenartiges" als eine Mirabelle oder gar eine Reineclaude. Doch ist einiges möglich. So gibt es im lothringischen Hattonville einen Sortenerhaltungsgarten, den "verger conservatoire prunes et mirabelles de Lorraine". Dort hat man eine natürliche Kreuzung aus einer 'Mirabelle von Nancy' und einer 'Mirabelle von Metz' mit guten Eigenschaften ausgelesen.
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: Rib-Johannisbeere am 16. April 2018, 12:40:59
@Mybee: alt bin ich nicht aber dennoch oft verwirrt ;D

@michaelbasso:

Die Aussaat von europäischen ist immer eine Sache für sich. Es liegt eine hexaploider Chromosomensatz vor. D.h. überstürzt, dass jede Eigenschaft sechsfach vorliegt, wovon aber nicht alle Eigenschaften aktiv sind.

Mal ein ganz grob vereinfachtes Beispiel: Die Schalenfarbe von einer Mirabellensorte wird von den folgenden sechs "Genen" vorgegeben: 1: gelb 2: gelb 3: gelb 4: rot 5: gelb 6: rot

In der Mirabelle sind nur gelbe "Gene" aktiv. Sät man nun einen Samen aus, der die gleichen "Gene" in sich trägt, so kann der Sämling auch die roten "Gene" aktiviert bekommen, so dass man dann eine rote Mirabelle bekommen kann.

Stell dir das jetzt mit vielen anderen Eigenschaften vor. Das ist oft ein reines Glücksspiel, was man heraus bekommt.

Wenn man sehr isolierte Mirabellen-populationen hat, dann ist die Varianz sehr eingeschenkt. Somit ist die Wahrscheinlichkeit dann auch höher ähnliche "Sorten" heraus zu bekommen.

Das ist bei selbsbefruchtenden Sorten von chinesischen Pflaumen und Pfirsichen weit einfacher, das sie Diploid sind, also die Eigenschaften zweifach vorliegen.

Wie gesagt, das ist ein weit vereinfachtes Beispiel. Eigenschaften werden oft von mehr als einem Gen bestimmt und die Genaktivität ist auch ein ganz anderes Lied. Es soll dir aber ein wenig helfen.

Das sollte dich nicht abhalten zu experimentieren. Säe etwas aus, vielleicht bekommst du eine tolle Sorte. Selbst gesäte Sorten schmecken oft auch besser ;)
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: michaelbasso am 16. April 2018, 18:33:44
@mybee darauf zielte meine Frage eigentlich nicht  ;)

mir geht es mehr um die botanischen Kategorien, kurz ergibt eine Saat von ssp. insitorium wieder einen ssp. insititia? Das die Aussaaten nicht Kopien, ergo sortengleich (also phänotypisch gleich) sind setze ich einmal voraus.
Ich komme darauf, weil sich Spillingskerne bereits seit mehren 1000 Jahren archäologisch nachweisen lassen.
Es sollte also eine Unterart sein, mich wundert wie es die Bäume seit solanger Zeit in Europa überleben, wenn man sie doch so selten in natura findet und noch seltener Aussaaten.
Titel: Re: Mirabelle: P domestica subsp syriaca oder insititia?kl
Beitrag von: mybee am 21. April 2018, 16:43:55
@mybee darauf zielte meine Frage eigentlich nicht  ;)
mir geht es mehr um die botanischen Kategorien.
Da bist du hier genau richtig, aber ich leider falsch. ??? Bei Fragen zur Taxonomie sind die Spezialisten sich auch noch nicht einig - siehe tagungsband. Bei der Einteilung der Obstsorten sind botanisch-systematische Gliederungen schwierig und nicht immer zielführend.
Pflaumen & Co sind sehr heterogen. Ich habe keine Idee, was bei der Aussaat heraus kommt. Bestimmt etwas Lustiges.
Mach doch einfach selbst einmal Versuche. Es müssen ja nicht wissenschaftlich nachvollziehbare und wiederholbare Experimente sein. So jetzt habe ich deine Frage wieder nicht beantwortet. ;D
Ich komme darauf, weil sich Spillingskerne bereits seit mehren 1000 Jahren archäologisch nachweisen lassen.
Es sollte also eine Unterart sein, mich wundert wie es die Bäume seit solanger Zeit in Europa überleben, wenn man sie doch so selten in natura findet und noch seltener Aussaaten.
Ich will mich auf die angesprochenen Spillinge beschränken. Diese werden als Unterart angesehen: Prunus domestica L. ssp. pomariorum (Boutigny) Werneck - siehe auch  hier  die Arbeiten von Schlottmann.
Für mich sind praktische und historische Überlegungen viel spannender, z.B. wenn bei archäologischen Grabungen Fruchtsteine von Spillingen aus der Römerzeit aufgefunden wurden, die den Steinen heutiger Sorten sehr ähnlich sind, bedeutet das Erhaltung durch Nutzung, eine meiner Lieblingsthesen.
Wie wurden die Spillinge vermehrt, wahrscheinlich wie die meisten Pflaumenartigen früher durch Verwendung von Wurzelbrut, also wurzelecht. Oder durch Auslese von Sämlingen, da wurde alles genutzt, was irgendwie brauchbar war.
Was ist mit Aussaat? Früher gab es lokal sicher weniger "Sorten". In solchen geschlossenen Populationen blieben die (Zufalls-)Sämlinge bei selbstfertilen Spillingen wie dem Rotgelben/Wohlriechenden/Gubener den Eltern zumindest ähnlich. Gezielte Kreuzungen kamen erst Anfang des 19.Jh. in Mode.
So kommt es, daß Spillinge so lange überlebt haben. Und Dank Chica  :D :-* :D bleiben sie uns hoffentlich lange erhalten.

Was war noch Deine Frage? Stelle sie lieber einem Botaniker Deines Vertrauens.
MFG