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Garten- und Umwelt => Gartenjahr => Thema gestartet von: Silvia am 20. Dezember 2003, 23:01:10

Titel: Wintersonnenwende - Fakten und Glauben
Beitrag von: Silvia am 20. Dezember 2003, 23:01:10
Die Wintersonnenwende

Am 21./22. Dezember haben wir Wintersonnenwende, (lat. bruma).

Für unsere Breitengrade bedeutet dies: Wir haben am 21.12.03 den kürzesten Tag und darauf folgend die längste Nacht im Jahresverlauf. Die Wintersonnenwende markiert den Tag des Winteranfangs und findet am Morgen des 22.12.03 statt.

Daten für den 52. Breitengrad Nord und den 10. Längengrad Ost:

Phase21.12.2003 - 22.12.2003
Einsetzen der Morgendämmerung:6.45 Uhr6.45 Uhr
Sonnenaufgang:7.26 Uhr7.26 Uhr
Sonnenhöchststand:11.18 Uhr11.18 Uhr
Einsetzen der Abenddämmerung:15.10 Uhr15.11 Uhr
Sonnenuntergang:15.51 Uhr15.52 Uhr

Damit ergibt sich eine Tagesdauer von 8 h 25 min für den 21.12.03 und 8 h 26 min für den 22.12.03 von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.


Bedeutung der Breitengrade

Die Erde ist in so genannte Breitengrade unterteilt. Vom Äquator zu den Polen sind es dabei jeweils 90°, also ein Viertelkreis. Für die Sonnenwende wichtig sind dabei der nördliche und südliche Wendekreis. Eine Bedeutung haben ebenfalls die Polarkreise.

Die Polarkreise (66°30' nördlicher bzw. südlicher Breite) trennen die Polarzonen von den gemäßigten Zonen. Ab dieser Grenze geht in den Sommer- und Wintermonaten die Sonne nicht mehr unter bzw. auf.

Der nördliche und der südliche Wendekreis (23°20' nördlicher bzw. südlicher Breite) markieren die beiden Breitengrade auf der Erde, an denen die Sonne auf der Nord- bzw. Südhalbkugel noch den Zenit erreicht, und zwar auf der Südhalbkugel am 21. Dezember und auf der Nordhalbkugel am 21. Juni. Wir haben am Mittag dieser Tage also den Sonnentiefst- bzw. Höchststand und die Bewegungsrichtung der Sonne kehrt sich scheinbar wieder um.

Das heißt also, die Sonne steht am 21. Dezember gegen 12 Uhr Mittag am südlichen Wendekreis im Zenit. Dieser Breitengrad verläuft etwa durch Brasiliens Hauptstadt Sao Paulo. Auf der Südhalbkugel haben wir heute die kürzeste Nacht, und ab dem südlichen Polarkreis bis zum Südpol geht die Sonne nicht mehr unter.

Auf der Nordhalbkugel erleben wir dagegen den tiefsten Stand der Sonne um die Mittagszeit im Jahresverlauf und schon am nördlichen Polarkreis geht die Sonne in dieser Nacht nicht mehr auf. Je weiter nördlich man Richtung Pol kommt, desto länger dauert der Zeitraum vor und nach dem 21. Dezember, in dem die Sonne nicht mehr erscheint und ständige Dunkelheit herrscht.

 Noch in der Antike fiel die Wintersonnenwende in das Sternbild des Steinbocks. Durch die so genannte Präzession jedoch, einer sehr langsamen Kreiselbewegung der Erde, verschieben sich im Laufe der Jahrtausende die Sternbilder allmählich. Eine Rotation dauert dabei etwa 25800 Jahre bzw. ein Platonisches Jahr.
Heute findet die Sonnenwende im Sternbild des Schützen statt.


Geschichtliches und Kulturelles

Die Germanen feierten zur Zeit der Wintersonnenwende das Julfest. Es wird auch Mittwinter genannt. An diesem Tag sollen die Hexen das Kommen des Sommers gefeiert haben. Es soll auch ein Fruchtbarkeitsfest gewesen sein. Historikern zufolge ist es besonders im vorchristlichen Skandinavien gefeiert worden.

'Jul' bedeutet eigentlich 'Rad' und soll die Sonne symbolisieren. Die Germanen haben strohumwickelte Räder angezündet und den Berg hinuntergerollt in der Hoffnung, dies würde die Felder fruchtbar machen. Heute existiert so ein Brauch z.B. noch in Lügde in der Nähe von Hameln zum Osterfest. Diese Sonnenräder hatten jedoch auch bei den Kelten eine wichtige Bedeutung und die Ursprünge liegen lange zurück.

Die große Bedeutung des Feuers war auch an anderen Festtagen der Germanen zu erkennen. Feuer wurden nicht nur im Winter oder Frühling, sondern auch im Sommer zur Sommersonnenwende angezündet. Im Laufe der Christianisierung Nordeuropas sind die Sonnenwendfeiern jedoch oft in christliche Bräuche umgewidmet worden. So werden Feuer nicht am 21. Juni, sondern häufig erst am 24. Juni, dem Johannistag (nach Johannes dem Täufer), angezündet und die Johannisfeuer stellen somit eine Vermischung von heidnischen und christlichen Bräuchen dar.

Die Festlegung des Julfestes in die Wintermonate Dezember und Januar geht auf den Mönch und Gelehrten Beda Venerabilis (673/674 bis 735) zurück. Die Zusammenlegung mit der Geburt Jesu erfolgte dem altisländischen Schriftsteller und Politiker Snorri Sturluson (1179 - 1241) nach im 10. Jahrhundert.

In der Zeit des Nationalsozialismus erlebten die germanischen Bräuche eine traurige Renaissance.
Sonnenwendfeiern wurden offizielle Feiertage und sie erhielten die finstere Nazi-Symbolik. Dies schadet dem Ruf teilweise noch heute, was sehr bedauerlich ist. Denn ein ausgelassenes Fest z.B. zur Sommersonnenwende ist nicht der schlechteste Anlass, sich Freunde einzuladen und ein Feuer anzuzünden.

In neuerer Zeit finden sich daher auch zunehmend wieder Anhänger, die diesen schönen Brauch ganz ohne politische Ambitionen wieder aufleben lassen.


Ursachen der Sonnenwende

Die Ursache für die Sonnenwende und die Tag-/Nachtungleichheit im Jahresverlauf sind im Wesentlichen in zwei Dingen begründet:

Ekliptik

Hier gibt es zwei Betrachtungsweisen.

Die Erste dient der Positionierung von Himmelskörpern und entstammt dem geozentrischen Weltbild.
Zunächst einmal sollte man sich das Himmelsgewölbe über der Erde als Kugel vorstellen. Erweitert man nun die Lage des Erdäquators auf einen Äquator in dieser Kugel, so erhält man den Himmelsäquator auf der Innenseite der Himmelskugel.

Dem Betrachter auf der Erde nun stellt sich die Ekliptik als Bahn der Sonne um die Erde dar, der sie im Laufe des Jahres folgt. Dabei ist die Ekliptik in einem Winkel von ca. 23,5° zum Himmelsäquator geneigt. Diese Neigung bezeichnet man auch als Schiefe der Ekliptik.

Am Tag der Frühlings- oder Herbstsonnenwende schneidet die Ekliptik den Himmelsäquator.
Am Tag der Sommersonnenwende steht die Sonne für die Menschen auf der Nordhalbkugel mittags am höchsten, am Tag der Wintersonnenwende erreicht sie mittags den niedrigsten Punkt im Vergleich zu allen anderen Tagen. Diese der Ekliptik fernsten Punkte nennt man auch Solistiden oder Solistialpunkte.

Andersherum gedacht ist die Ekliptik die Ebene durch die Sonne, auf der die Erde ihre Bahn zieht. Die Erdachse steht auf der Umlaufbahn jedoch nicht senkrecht, also in einem 90°-Winkel, sondern sie ist um ca. 66,5° geneigt.

Diese Neigung auf der Ekliptik ist immer konstant, d.h. die Erdachse behält ihre Schräglage bei, es ändert sich dadurch aber im Laufe des Jahres ihre Position im Verhältnis zur Sonne.

Man stelle es sich so vor, dass ein Männchen auf dem Rand einer Scheibe mit dem Körper leicht nach Norden kippt. Nun dreht es sich in dieser Schräglage einmal um die Körperachse und zieht zusätzlich auf dem Scheibenrand um den Scheibenmittelpunkt (Sonne) seine Bahn, aber der Kopf zeigt immer nach Norden, egal, an welcher Stelle der Scheibe es ist.

Die Pole weisen je nach Verlauf eines Jahres also jeweils zur Sonne hin oder von der Sonne weg und es entstehen durch den sich ändernden Einfallswinkel der Sonnenstrahlen die Jahreszeiten. Bei der Frühlings- und Herbstsonnenwende ist Tag- und Nachtgleiche, denn sowohl Nord- als auch Südpol haben den selben Einfallswinkel der Sonnenstrahlen. Durch die Schrägstellung der Erde allerdings beginnt nun für die jeweiligen Erdhalbkugeln eine andere Jahreszeit, je nachdem, ob der Nord- oder der Südpol zur Sonne zeigt.


Deklination

Die Deklination kann zunächst als Übertragung der Breitenkreise auf die gedachte Himmelskugel gesehen werden, entsprechend dazu ist die Rektaszension die Übertragung der Längenkreise. Als Nullpunkt der Rektaszension dient dabei der Frühlingspunkt.

Der Himmelsäquator vom Erdstandpunkt aus gesehen steht, wie gesagt, in einem Winkel von ca. 23,5° zur Ekliptik. Die Sonne befindet sich daher von diesem Standpunkt aus ein halbes Jahr über und ein halbes Jahr unter dem Himmelsäquator. Diesen Winkel, den die Sonne vom Himmelsäquator entfernt ist, bezeichnet man als Deklination.
Oberhalb des Himmelsäquators ist die Deklination positiv, unterhalb negativ.

Astronomisch gesehen findet eine Sonnenwende nun immer dann statt, wenn es einen Deklinationswechsel bzw. eine Deklinationsumkehr der Sonne gibt.

Für uns werden die Tage einfach nur kürzer oder länger. Und ab heute werden sie erfreulicherweise wieder länger.


Viele Grüße
Silvia
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Louise am 20. Dezember 2003, 23:04:17
Danke Silvia - die Tage werden wieder länger ... :D
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Nina am 22. Dezember 2004, 17:42:51
Ja, endlich werden die Tage länger!!!! :D

Da hole ich doch diesen "topaktuellen" und ausführlichen Beitrag von Silvia vom letzten Jahr wieder hoch. ;)
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Silvia am 22. Dezember 2004, 18:16:17
Das sind die aktuellen Sonnenaufgangs- und Untergangszeiten für die Linie Berlin-Passau über Weihnachten.
Man muss also schauen, wo man wohnt.
Zur Linie Leipzig-München rechnet 5 Minuten dazu,
Lübeck-Augsburg 10 Minuten,
Hamburg-Ulm 15 Minuten,
Bremen-Frankfurt 20 Minuten
Emden-Aachen 20 Minuten.

Zu bedenken ist auch, dass es eine Dämmerungsphase gibt, so dass man vielleicht denkt, es wird schon früher hell bzw. die Dunkelheit setzt eher sein.

WochentagDatumSonnenaufgangSonnenuntergangDauer
Mittwoch22.12.0408:15 Uhr15:54 Uhr07 Std. 39 Min.
Donnerstag23.12.0408:15 Uhr15:55 Uhr07 Std. 40 Min.
Freitag24.12.0408:16 Uhr15:56 Uhr07 Std. 40 Min.
Samstag25.12.0408:16 Uhr15:56 Uhr07 Std. 40 Min.
Sonntag25.12.0408:16 Uhr15:57 Uhr07 Std. 41 Min.

Die Sonnenaufgangszeit ist vom 26.12.04 bis 2.1.05 übrigens noch eine Minute später, also 8.17 Uhr. Sie geht erst ab dem 3. Januar wieder zurück. Dann sind wir aber wirklich über den Berg. ;)

LG Silvia
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Katrin am 22. Dezember 2004, 18:23:58
Bei uns ging die Sonne gestern um 14:24 Uhr unter :-\ - Berg vor ;)
Und auf erst um 10:30 Uhr oder so :)
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Silvia am 22. Dezember 2004, 18:29:00
Da lohnt sich das Aufstehen ja kaum. ;)

LG Silvia
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Wolfgang am 29. Dezember 2004, 17:35:58
Sorry, ich muss es sagen:
Im Blick auf Geschichte und Kultur stimmt fast alles. Nur nicht, dass die Germanen zur Zeit der Wintersonnenwende ein Julfest feierten. Und dass es auch Mittwinter genannt wurde. Und dass an diesem Tag Hexen das Kommen des Sommers gefeiert haben sollen. Und dass es auch ein Fruchtbarkeitsfest gewesen sein soll. Usw.
Und es stimmt auch nicht, dass der Mönch Beda Venerabilis und vor allem Snorri Sturluson nur annähernd Zuverlässiges über Zusammenhänge zwischen einem angeblich vorchristlichen Julfest und Weihnachten berichteten. Und es ist auch nicht gesichert, dass Erscheinungen wie der Brauch der Feuerräder von Lügde mit Jul/Weihnachten zu tun haben (wobei das zusätzliche Erklärungsproblem entsteht, warum die Feuerräder von Weihnachten nach Ostern gerollt sind).
Tatsächlich wissen wir fast nichts über die Zusammenhänge. Wir wissen nicht einmal sicher, ob es überhaupt ein heidnisches Fest mit Namen Jul gab.
Das meiste, was man darüber aus dem Netz fischt, ist übrigens verblüffend identisch, bis in die Sinnbrüche und Schreibfehler hinein. Das meiste ist nichts weiter als fleißige „Copyandpastology“.

Zu den Ursprüngen und Zielen solcher Legenden zwei Hinweise aus nachprüfbaren Quellen:

"Die Quellenlage nicht achtend, wurde (...) in den dreißiger und vierziger Jahren von offiziellen Stellen die Existenz eines germanischen Weihnachtsfestes verbreitet. Das geschah in einer derartigen Vehemenz, dass wir (=Volkskundler) immer wieder davon eingeholt werden, denn die Handbücher und Lexika, die damals entstanden und bis heute verwendet werden, und viele Bücher und Artikel sind voll von dieser Interpretation."
(Die Regensburger Volkskundlerin Esther Gajek in: Richard Faber und Esther Gajek (Hrsg.): Politische Weihnacht in Antike und Moderne – Zur ideologischen Durchdringung des Fests der Feste, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 1997)


"Schon vor Jahren haben Neonazistrategen entdeckt, dass eine kulturelle Unterwanderung viel effektiver ist als das Verteilen von Parteiprogrammen und Flugblättern. (...) Besonders angesagt in der Szene sind heidnische Sonnenwendfeiern, statt Weihnachten begeht man das Julfest. (...) Ausgiebig bedienen sich Neonazis im Fundus nordischer Mystik, germanischer Runen und heidnischer Riten. Weil es keine gesicherte Überlieferung ihrer tatsächlichen Bedeutung gibt, lässt sich alles freihändig mit Inhalten füllen.
(Toralf Staud in der „Zeit“ vom 31.1.2002)

Deshalb habe ich ein Problem mit Feiern, deren Bestandteile vom Hauptkulturamt in der Reichspropagandaleitung der NSDAP stammen, auch wenn sie noch so harmlos daherkommen.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Raphaela am 29. Dezember 2004, 17:45:49
Aber da am 21.12 auch unser Hochzeitstag ist, hoffe ich, du bist nicht allzu böse, wenn ich trotzdem an diesem Datum weiter ein bißchen feier? ;)
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Günther am 29. Dezember 2004, 19:21:24
Deshalb habe ich ein Problem mit Feiern, deren Bestandteile vom Hauptkulturamt in der Reichspropagandaleitung der NSDAP stammen, auch wenn sie noch so harmlos daherkommen.

Nana, die Kirche im Dorf lassen. Diese Darstellung ist genauso extrem wie die darin verurteilte.
Das Internet liefert momentan zwei Extreme - die ultragermanischen Julfeierer und die Antifa-Antigermanen.
Über die christliche Seite des Weihnachtsfestes läßt sich trefflich streiten, nichtsdestotrotz hat es schon lange vorher um den Zeitpunkt der Wintersonnenwende - ein für frühe Gesellschaften nicht so leicht exakt zu bestimmendes Datum - Bräuche und Feierlichkeiten gegeben. Auch in Nord- und Mitteleuropa, obs jetzt bei Germanen oder Kelten war, um gebräuchliche Begriffe zu wählen, waren Bräuche vorhanden. Die bronzezeitliche "Himmelsscheibe von Nebra" kannte angeblich bereits die Sonnwenddaten, und Grimms "Mythologie" erwähnt etliche Bräuche um diesen Zeitpunkt.
Da nur von einem quasi von der NSDAP erfundenen Julfest zu reden, ist zumindest stark übertrieben.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Silvia am 29. Dezember 2004, 21:28:42
Das Thema hatten wir ja schon mal zu Ostern. ;)

Der Brauch, zu bestimmten Jahreszeiten ein Feuer anzuzünden, ist mit Sicherheit viel älter als die NSDAP, z.B. die oben bereits erwähnten Osterräder zu Lügde. Dass Hitler die Germanen für seine Zwecke missbraucht hat und das eine oder andere dazu erfunden hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.

LG Silvia
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Wolfgang am 31. Dezember 2004, 12:21:55
Ja, ich erinnere mich ;)
Ich hab ja auch nichts gegen das Feuermachen, sondern gegen den Versuch, mit solchen Riten und einer Pseudo-Begründung ein paar sehr grundlegende Werte zu demontieren und andere zu etablieren, wie es die rechte Szene ganz offen tut, und dabei unwissend mitzumachen. Hört sich vielleicht etwas hergeholt an. Aber wir verwenden ja mit Bedacht auch keine Hakenkreuze als Schmuck o.ä., weil sie für etwas stehen, abgesehen davon, dass es verboten ist.
Deshalb plädiere ich nur für Genauigkeit. Wir wissen tatsächlich ganz wenig über vorchristliche religiöse Bräuche in unseren Breiten. Es ist offen, ob ein "germanischer" Bandkeramiker oder ein christlicher Bauer das erste Lügder Feuerrad den Hang hinunterrollte. Das meiste "Wissen" darüber stammt tatsächlich aus NS-Schriften zwischen 1936 und 1944 (ich gebe gern eine Literaturliste ab) und diente dem erklärten Zweck, dem durch Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe "verweichlichten" Weihnachtsfest die Riten der Herrenmenschen und die Bindung an Blut und Boden entgegenzusetzen. Man sollte wissen, in welchem Kontext solche Bräuche und Behauptungen gestanden haben.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Wolfgang am 31. Dezember 2004, 12:26:54
Und, Rapha, Hochzeit - ist das nicht das germanische Ritual, wo der Mann mit einer Rinderherde eine Frau kauft und die ihm eine Waffe schenken muss? Sehr bedenklich ;D
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Günther am 31. Dezember 2004, 12:29:40
Ursprünglich war der Brautraub, Handel ist schon eine spätere Entartung ;D
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Eva am 31. Dezember 2004, 13:46:44
Ich find es schon relativ wahrscheinlich, dass es vorchristliche Bräuche zur Wintersonnwende gegeben hat. Und da diese Kultur keine schriftliche Tradition hatte, ist es recht schwierig, heute noch Belege dafür aufzutun, oder?

Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Günther am 31. Dezember 2004, 13:57:47
Das meiste "Wissen" darüber stammt tatsächlich aus NS-Schriften zwischen 1936 und 1944

Je nun, auch vorher gibts relativ viele, allerdings meist unbekanntere Quellen. Bräuche um die Wintersonnenwende - ich sag bewußt NICHT Weihnachtszeit - existieren schon lange. Ich müßte mal Tacitus oder die Edda oder den Hexenhammer, um nur ein paar Stücke querfeldein zu nennen, durchackern, und dazu bin ich zu faul (und bei Tacitus bin ich nicht ganz sicher ;D)
Die Leute zwische 1936 und 1944 haben sich schließlich auch nicht alles aus den Fingern gesogen, schließlich haben sie das Hakenkreuz (eine heraldisch falsche Bezeichnung 8)) auch nicht erfunden...
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Silvia am 31. Dezember 2004, 14:10:35
Deshalb plädiere ich nur für Genauigkeit.

Wolfgang, das hört sich so an, als hätten sich die Nazis das alles ausgedacht oder die Christen hätten diese ganzen Bräuche erfunden. Das kann einfach nicht sein. Schon zur Bronzezeit pflegten die Menschen in Germanien einen Sonnenkult, wie Funde belegen, z.B. der Sonnenwagen von Trundholm oder Felsenmalereien aus dieser Zeit in Schweden. Leider wissen wir über die Germanen nur das, was die Römer aufschrieben. Später kam die Edda, aber da hatte die Zwangschristianisierung schon stattgefunden.

Meinst du jetzt, diese ganzen beschriebenen Bräuche sind alle erst mit dem Christentum entstanden, die 'Heiden' hätten ihre ganze Geschichte beiseite gepackt und nur noch so genannte christliche Werte angenommen oder sich etwas Neues ausgedacht und vorher war gar nichts? Das kann ich mir nicht vorstellen. Es waren doch eine lange Zeit die selben Menschen, die zum Großteil noch nicht einmal freiwillig einen anderen Glauben annehmen mussten. Warum gab es denn so lange Hexenprozesse? Auch in den christlichen Ländern haben sich bis heute immer noch heidnische Bräuche und Aberglauben erhalten, auch wenn das den Kirchenvertretern nicht gefällt, z.B. Kartenlesen, Handlesen, Horoskope etc.

Es kam die Tage auf Arte eine interessante Sendung über Weihnachten und auch über die Raunächte und die Julbräuche. Das Wort Jul kommt wahrscheinlich aus dem Altnordischen von jol und bezeichnet den Ort, an dem die Feier zur Wintersonnenwende stattfindet. Das ist interessant. Bisher fand ich nur die Übersetzung 'Rad'. Auch dort wurde ein Zusammenhang vom Zeitpunkt des Weihnachtsfestes zu den Bräuchen von Germanen und Kelten hergestellt. Dass die Redakteure sich nun auf NS-Schriften gestützt haben, wage ich doch zu bezeifeln, da es zum Großteil Franzosen sind. ;)

Hier einmal etwas Interessantes zu den Raunächten.

Aber sei es drum: Was die Genauigkeit von Überlieferungen angeht, gerade auch die Frage nach 'Henne und Ei' werden wir wohl nie richtig beantworten können. Man sollte jedenfalls die Rolle der Nazis nicht überbewerten. Alte Oster- und Weihnachtsbräuche sind in Stadtgeschichten schnell herauszufinden. Die Osterräder in Lügde gibt es laut Stadtchronik jedenfalls schon ziemlich lange. Das hat mit den Nazis nichts zu tun und eine Entstehung aus dem Christentum ist ebenfalls nicht belegt. Mir verschlösse sich auch der christliche Sinn, muss ich zugeben. Aber das heißt natürlich nichts. ;)

LG Silvia
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Feder am 03. Januar 2005, 15:12:58
Die Verwendung von Feuer in Zeremonien geht sicher bis in die Steinzeit zurück. Natürlich haben sich Rituale in verschiedenste Richtungen entwickelt, veränderten sich im Laufe der Jahrtausende und sind häufig auch in Religionen eingebaut worden, weil sie nicht "auszurotten" waren, wie z.B.die Osterfeuer in der katholischen Kirche.
Es wäre doch sehr schade, wenn die negativ besetzte Instrumentalisierung von Feuerriten in der jüngsten! Geschichte dazu führt, auf Feiern mit dem Element Feuer zu verzichten.
Gerade der an Naturerlebnissen verarmte Stadtmensch benötigt sehr dringend solch ursprüngliche Erlebnisse, insbesondere auch Kinder. Nicht umsonst gibt es einen starken Trend zum Kachelofen, Schwedenofen, Tischfeuer...
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Wolfgang am 04. Januar 2005, 18:16:11
Tischfeuer? Nicht -werk?
Bräuche sind in der Tat etwas Lebendiges und immer in Entwicklung. Feuersymbolik gibt es in allen mir bekannten Religionen, auch im jüdisch-christlichen Kontext (Gott spricht aus dem brennenden Busch, als Feuersäule führt er sein Volk in das gelobte Land, später zeigt sich der Heilige Geist in Feuerflammen ...). Es ergibt deshalb wenig Sinn, sie für eine bestimmte Religion zu vereinnahmen.
Bis ins 19. Jahrhundert, Silvia, kenne ich auch keine Quelle, die sie als heidnisch oder germanisch bezeichnet. Bis dahin wurden in fröhlichster christlicher Eintracht Freuden-, Ernte- und andere Feuer entzündet, übersprungen, verteilt, gerollt und wieder gelöscht. In unseren Breiten sind alle Bräuche durch eine tausendjährige christliche Waschmaschine gegangen, und es ist schwer vorstellbar, dass ein heidnisches Stöffchen da nicht ausgefärbt, eingelaufen oder aus der Form geraten wäre. Sprich: Es hätte jemand diese Bräuche samt ihrem religiösen Substrat gegen die Dominanz der Kirche behaupten müssen. Davon ist in der ganzen Neuzeit aber nichts bekannt.
Die Hexenverfolgungen lasse ich mal beiseite, sie waren fürchterlich, aber haben mit "germanischer" Religion nichts zu tun.
Erst seit der Zeit, in der auch die Wagneropern entstanden, kommt die neue Etymologie auf. Mit deutlich antijüdischen und antichristlichen Obertönen. So wurde sie auch zu einem ideologischen Quellstrom der Nazis (die haben, Günther, fleißig kompiliert, so wie Wagner, aber sehr interessegeleitet). Und wie jede totalitäre Ideologie im Kampf um die Herzen weltanschauliche Gegenkulturen entwickelte (in christlich geprägten Regionen besonders zu Weihnachten), griffen auch die Nazis zu, deuteten kräftig um und lieferten "Beweise" etwa für die Behauptung, im nordischen Begriff "Jul" für Weihnachten stecke ein vorchristlicher Ursprung (die andere Herleitung, Silvia, würde mich interessieren, insbesondere, wie weit sie sich zurückverfolgen lässt), und sie interpretierten zB die Weihnachtskerzen zu einem "germanischen" Julleuchter um und machten ihn zu einem Standard-Geschenk bei der SS (in den letzten Jahren gab es ihn übrigens im originalen Design wieder zu kaufen) und entwarfen Anleitungen zur Feier des Julfestes (die in neueren Büchern wieder nachzulesen sind, ohne Quellenangabe). Die nordische Herrenrasse brauchte eine neue, stramme Kultur, nicht diese von einem weichlichen, verschlagenen und krummnasigen Juden erdachte Lehre von Mitleid und Erbarmen.
Das in der Brauchtumsforschung bekannte Germanensyndrom blieb und trägt dazu bei, eine Alternative zum irgendwie als überlebt, repressiv, vergangen und jedenfalls nicht gerade attraktiv empfundenen „christlich“ geprägten Kult zu behaupten. Es ist deshalb auch prickelnder, in Lügde einen "heidnisch- germanischen Sonnenkult" als wahrscheinlich hinzustellen, als zu sagen, das sei schlicht ein alter Brauch. Der Rest übrigens, der da auf der Internetseite steht, ist unendlich dilettantisch.
Die einzelnen Bräuche sind harmlos, aber das Ganze ist wegen seiner Quellen halt sehr nah dran. Deshalb finde ich gut, wenn man es weiß.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Silvia am 04. Januar 2005, 19:25:21
Was hast du denn immerzu mit den Nazis? Sicher haben sie die Germanen für sich missbraucht. Das bestreitet doch keiner und das haben wir jetzt sicherlich alle verstanden! ::)
Aber dafür können doch die Germanen nichts!

Eine Erklärung zu Jul findest du auch im etymologischen Duden. Dort kommt es aus dem altgermanischen und bezeichnet die Zeit, an der das Mittwinterfest gefeiert wird. Woher die Redakteure von Arte ihre Definition herhaben, musst du sie selber fragen. Irgendwie habe ich 'isländisch' im Ohr. Wenn du aber schreibst, dass du Quellen aus dem 18. Jh. kennst, kann es zumindest nichts Nazipropagandistisches sein.

Ich halte es nicht für richtig, alle Quellen als falsch abzutun oder jetzt die Beschreibung der Lügder Stadtgeschichte als dilettantisch hinzustellen, nur weil es vielleicht nicht passt. Wenn es, wie du sagst, keine Belege dafür gibt, dass diese Bräuche aus dem Heidentum kommen, so gibt es ebenso keine Belege dafür, dass sie aus dem Christentum kommen. Vielleicht kommen diese Geschichten auch aus einem kulturellen Gedächtnis und wurden vielleicht gerade im hohen Norden, fernab vom Lesen und vom Schreiben, durch Überlieferung weitergegeben wie ein Großteil tradierter Werte überhaupt.

Dass sich zu Zeiten der Zwangschristianisierung hier im Norden die Bräuche gerade zu Beginn 'fröhlich' gemischt haben, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Dazu war unter Karl dem Großen und auch später viel zu viel Gewalt und Unfreiwilligkeit im Spiel. Und nicht ohne Grund ist sowas wie die 'kirchliche Inquisition' geschaffen worden, die gegen alles und jeden vorging, der nicht 'christlich' erschien oder der sonst irgendwie nicht passte.

Ob Kerzen nun ein heidnisches oder ein christliches Symbol sind - nun ja. Ich glaube, sie sind gar kein Symbol, sondern man hat sie deshalb angezündet, weil es dunkel war und man nichts anderes hatte; wenn schon symbolisch, dann die Farbe Rot für Christi Blut. Den ersten Adventskranz soll sich in den 20er Jahren des 20. Jh. ein Hamburger Pfarrer gebastelt haben.

Vielleicht haben hier im (hohen) Norden, weit weg von Rom und die meisten sehr wenig katholisch, im Angesicht der Brockenhexen, weiter nördlich zur Zeit der Tag in fortwährende Dunkelheit getaucht, im Stillen doch mehr Heiden überlebt als man denkt. Aber wer weiß! Ich schätze mal, niemand. Denn es heißt Glauben - und nicht Wissen! ;)

LG Silvia
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Günther am 04. Januar 2005, 19:32:57
Bis ins 19. Jahrhundert, Silvia, kenne ich auch keine Quelle, die sie als heidnisch oder germanisch bezeichnet. Bis dahin wurden in fröhlichster christlicher Eintracht Freuden-, Ernte- und andere Feuer entzündet, übersprungen, verteilt, gerollt und wieder gelöscht. In unseren Breiten sind alle Bräuche durch eine tausendjährige christliche Waschmaschine gegangen, und es ist schwer vorstellbar, dass ein heidnisches Stöffchen da nicht ausgefärbt, eingelaufen oder aus der Form geraten wäre. Sprich: Es hätte jemand diese Bräuche samt ihrem religiösen Substrat gegen die Dominanz der Kirche behaupten müssen. Davon ist in der ganzen Neuzeit aber nichts bekannt.

Deine Ausführungen hören sich so an, als ob es nur christliche Feuerbräuche gegeben habe und eine Rückführung auf "angeblich" vorchristliche Bräuche erst in der späten Neuzeit von bestimmter Seite erfolgt wäre.
Nun kennt weder das AT noch das NT irgendwelche auch nur entfernt ähnlichen Feuerbräuche, die christlichen Sitten sind also offenkundig auf vorchristlichen Usus aufgesetzt und haben den Ursprung gänzlich zugedeckt.
Daß das in den letzten, sagen wir, 150 Jahren, und vorzüglich in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sehr eindeutig mit bestimmter Absicht wieder quasi "rückgedeutet" wurde, ist kein Argument gegen vorchristlich-"heidnische" Ursprünge.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Wolfgang am 04. Januar 2005, 21:20:05
Aber was folgt daraus, wenn eine Kultur einen Brauch, den sie vielleicht schon kannte (die Missionare in Deutschland kamen aus Irland und Schottland) und entweder mitbrachte oder adaptierte oder Beides und ihn weiter entwickelte? Wer sagt, dass, wenn es so war, die "Germanen" nichts übernommen haben? Wir sind mitten in der blühendsten Spekulation.
Die tausendjährige Brauchtumspflege innerhalb der christlichen Tradition (ich bin etwas vorsichtig mit dem Begriff "christliche Bräuche") und in Übereinstimmung damit ist bestens bezeugt. Aber gerade diese Übereinstimmung wird durch die germanische Etymologie in Frage gestellt. (Bräuche in christlichen Kulturen müssen nicht im AT oder NT belegt sein; dort gibt es zB auch keine Heiligen Drei Könige, und trotzdem strotzt das Erzbistum Köln vor bestimmt nicht heidnischen Dreikönigsbräuchen). Meine Zunft nennt diese Regermanisierung deshalb eine Projektion.
Silvia, ich will Dich (fast) gar nicht weiter nerven. Aber gerade im hohen Norden war 700 Jahre lang die Kirche aktiv, die man danach katholisch nannte.
Und wenn die Lügder Stadtchronik den Brand des Lorscher Klosters zu den Vorläufern der Feuerräder zählt ...
Der Adventskranz wurde 1839 von Johann Hinrich Wichern im Rauhen Haus erdacht, indem er einen hölzernen Radleuchter mit Tannengrün umwickeln und 23 Kerzen darauf stellen ließ (klingt alles irgendwie heidnisch), aber das nur, damit die schwer erziehbaren Jungs still waren, um seiner Andacht zu lauschen.
Zur Jul-Duden-Etymologie sage ich nichts. Du müsstest es mir glauben, und das tust Du nicht. :-X
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Günther am 04. Januar 2005, 21:49:23
Die tausendjährige Brauchtumspflege innerhalb der christlichen Tradition (ich bin etwas vorsichtig mit dem Begriff "christliche Bräuche") und in Übereinstimmung damit ist bestens bezeugt. Aber gerade diese Übereinstimmung wird durch die germanische Etymologie in Frage gestellt. (Bräuche in christlichen Kulturen müssen nicht im AT oder NT belegt sein; dort gibt es zB auch keine Heiligen Drei Könige, und trotzdem strotzt das Erzbistum Köln vor bestimmt nicht heidnischen Dreikönigsbräuchen).

Wer behauptet, daß die Dreikönigsbräuche nicht ursprünglich heidnisch sind? Ursprünglich christlich sind sie doch wohl nicht.
Viele "christlichen" Bräuche sind übermäntelte unchristliche Bräuche, was folgert daraus?
Zu "Jul":
Aus dem eher nicht Nazi-verdächtigen "Websters Third New International Dictionary ...":
yule fr. OE geol; akin to OE geola December or January, ON jol heathen winter feast, yule, Christmas, ylir month ending near the winter solstice, Goth jiuleis (in fruma jiuleis November) ....
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Feder am 04. Januar 2005, 22:08:48
Aber was folgt daraus, wenn eine Kultur einen Brauch, den sie vielleicht schon kannte (die Missionare in Deutschland kamen aus Irland und Schottland) und entweder mitbrachte oder adaptierte oder Beides und ihn weiter entwickelte? Wer sagt, dass, wenn es so war, die "Germanen" nichts übernommen haben? Wir sind mitten in der blühendsten Spekulation.
Es folgt daraus, dass Bräuche sich wandeln und weiterentwickeln. Wo ist das Problem? Muss der Ursprung eines Brauches wirklich in einem gescheiten Buch verbrieft werden? Ja kann er das überhaupt? Gelegentlich vielleicht, aber sicher nicht immer.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Günther am 04. Januar 2005, 22:16:25
Dazu aus nicht-deutschen Quellen:

http://da.wikipedia.org/wiki/Jul

http://sv.wikipedia.org/wiki/Jul

http://nn.wikipedia.org/wiki/Jul

http://en.wikipedia.org/wiki/Yule

Natürlich ist wikipedia auch nicht die alleinseligmachende Bibel ;D
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Silvia am 04. Januar 2005, 22:25:05

Silvia, ich will Dich (fast) gar nicht weiter nerven. Aber gerade im hohen Norden war 700 Jahre lang die Kirche aktiv, die man danach katholisch nannte.
Und wenn die Lügder Stadtchronik den Brand des Lorscher Klosters zu den Vorläufern der Feuerräder zählt ...
Der Adventskranz wurde 1839 von Johann Hinrich Wichern im Rauhen Haus erdacht, indem er einen hölzernen Radleuchter mit Tannengrün umwickeln und 23 Kerzen darauf stellen ließ (klingt alles irgendwie heidnisch), aber das nur, damit die schwer erziehbaren Jungs still waren, um seiner Andacht zu lauschen.


Stimmt, so war das mit dem Adventskranz. Ich habe es letztes Jahr selber noch geschrieben. ;)

Die Osterräder in Lügde finden erstmals Erwähnung, als Karl der Große der Gegend einen Besuch abstattete. Meinst du, nun waren alle so begeistert, dass sie jetzt Christen sein durften, dass sie gleich die Osterräder erfanden? Hm. ::)
Leider musste aber gerade in dieser Region die Inquisition besonders aufräumen und besonders die Stadt Lemgo erreichte noch Jahrhunderte später traurige Berühmtheit unter Bürgermeister Hermann Cothmann mit dem unschönen Beinamen 'Hexenbürgermeister', der gleich in seinem 1. Amtsjahr ich glaube 37 Todesurteile aussprach.

Zweifellos haben sich päpstliche Legate in den hohen Norden aufgemacht und ihre Lehre verkündet. Aber noch um 900 nach Christus war z.B. Haithabu vor allem heidnisch, um nur mal einen Ort herauszugreifen. Das ist ja nicht gerade am Ende der Welt. Erst ca. 865 n. Chr., als Erzbischof Ansgar, der die Missionierung maßgeblich mit vorantrieb, starb, war gerade mal die Grundlage in Dänemark und Skandinavien für das Christentum geschaffen. Mit einem Wusch hat sich das Christentum dann auch nicht ausgebreitet. Noch 965 beschrieb At Tartuschi, ein muslimischer Händler, die meisten Bewohner Haithabus "als Siriusanbeter", also Heiden. Da war es sogar schon Bischofssitz. ;)

Deute ich es richtig, dass du meinst, die Etymologen der Duden-Redaktion seien alle unwissende Sprachwissenschaftler? Ohoh, lass sie das mal nicht hören. ;)

LG Silvia

Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: fisalis am 05. Januar 2005, 08:18:46
Mal abgesehen von allen Traditionen und ihrer Einspannung und Beugung für ideologische Zwecke: Grad für uns Gärtner ist es doch eine besondere Freude, wenn die Tage wieder länger werden. Feiern tu ich das nicht, aber ich denk schon jedes Jahr wieder dran. "Hart" am Winter finde ich weniger die Kälte als eben die Dunkelheit.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Wolfgang am 06. Januar 2005, 14:14:37
Die Osterräder in Lügde finden erstmals Erwähnung, als Karl der Große der Gegend einen Besuch abstattete.
Du übersiehst die vielen "vielleicht". Wir wissen gar nicht, ob das Lihudi, das er besucht hat, Lügde war. Außerdem soll er zu Weihnachten dort gewesen sein, aber die Räder rollten zu Ostern. Die Internetquelle spricht übrigens auch von einem Ostara-Fest, das es nie gab, denn die Göttin Ostara ist eine Mutmaßung von Beda Venerabilis, ein Phantom mithin und ein Paradebeispiel für (bewusst?) ungenaue Schlüsse, Luftmaschen, aus denen die germanische Weste zusammengehäkelt ist. Drei Vielleicht ergeben aber kein Wahrscheinlich.

Du hast etwas gegen die Christianisierung, stimmt's?
Mit Haithabu war es übrigens bald aus, nachdem das Christentum da eingesickert war; wenn ich mich richtig erinnere 1066, und dann kam tatsächlich, wie ich sagte, nichts mehr als 700 Jahre Christentum.

Deute ich es richtig, dass du meinst, die Etymologen der Duden-Redaktion seien alle unwissende Sprachwissenschaftler? Ohoh, lass sie das mal nicht hören.
Nicht alle.

Günther: die Dreikönigsbräuche ursprünglich heidnisch? Nun ja, die Möglichkeit ist nicht die wahrscheinlichste. Denn die Gebeine der drei kamen 1163 (sagt mir jetzt mein Gedächtnis) als prominenteste Reliquien der abendländischen Kirche in Köln an, nachdem sie im Jahrzehnt davor in Mailand entdeckt und geraubt wurden. Und da musste man in Köln Heiden, die aus christlichen Reliquien heidnische Bräuche machten, mit der Lupe suchen. Aber vielleicht geht ja das Kerzenanzünden der Sternsinger auf ein steinzeitliches Ritual zurück ...
Und für Wikipedia gilt Martin Luthers Diktum über den Papst: Er/Es kann irren. Ich finde jedenfalls zur Sache nur Quellen von Ostara-Qualität.
Die Bibel behauptet übrigens nicht von sich, alleinseligmachend zu sein. Das sagt sie nur von Christus. Die katholische und die orthodoxen Kirchen nehmen es dagegen auch für sich in Anspruch, der Islam noch nachdrücklicher ...


Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: fisalis am 06. Januar 2005, 14:38:36
Also mich hat die Kirche tatsächlich seelig gemacht. Ich bin nämlich aus ihr ausgetreten... Und da steh ich nun, ich armer Tropf, und bin... Greenpeacemitglied. Jedenfalls sacken die jetzt die eingesparte Kirchensteuer ein und setzen sie bislang klaglos ein. Aber ich hab da auch eine Auge drauf. Sonst gibts wieder eine Wende. Wohin, wissen die Götter. 8)
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Wolfgang am 06. Januar 2005, 14:39:46
Und, übrigens, Silvia: Inquisition hat mit Germanen und Heiden auch nichts zu tun. Da saßen Christen über Christen zu Gericht.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Günther am 06. Januar 2005, 15:13:25
Nun, nenne zu den Dreikönigsbräuchen EINEN ursprünglich und authentisch christlichen...
Zu den Reliquien kann man eigene Überlegungen anstellen, echt christlich ist die Reliquienverehrung grad nicht.
Der Beda Venerabilis war vermutlich auch schon ein Proto-Nazi.
Das seinerzeit die Deutschtümler überall germanische Urbräuche gesucht haben, ist nicht viel anders, als wenn heute die Antifa-Schnüffler überall braune Farbe wittern.
Die Inquisition ersetzte das alte Thing durch formalisierte Anklage und Beweiserhebung, rein formal war sie ein gewisser Fortschritt. Die Ergebnisse allerdings...
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Silvia am 06. Januar 2005, 15:20:29
Und, übrigens, Silvia: Inquisition hat mit Germanen und Heiden auch nichts zu tun. Da saßen Christen über Christen zu Gericht.

Nun, Christen waren es wahrlich nicht, die richteten. Das spreche ich ihnen jetzt mal ab ... Aber verurteilt wurde alles, was nicht passte, so auch vermeintlich heidnische Bräuche. Aus heilenden Frauen wurden z.B. Hexen gemacht. Es hieß dann nicht mehr 'heidnisch' sondern 'mit dem Teufel im Bunde'. Ich sehe da jetzt keinen großen Unterschied.

Die Osterräder in Lügde finden erstmals Erwähnung, als Karl der Große der Gegend einen Besuch abstattete.
Du übersiehst die vielen "vielleicht". Wir wissen gar nicht, ob das Lihudi, das er besucht hat, Lügde war.

Es steht dort, dass er wahrscheinlich nicht in Lügde war, sondern eher in einem der umliegenden Ortschaften.

Zitat
Mit Haithabu war es übrigens bald aus, nachdem das Christentum da eingesickert war; wenn ich mich richtig erinnere 1066, und dann kam tatsächlich, wie ich sagte, nichts mehr als 700 Jahre Christentum.

Willst du jetzt sagen, die Handelsstadt Haithabu sei am Christentum zugrunde gegangen oder am Heidentum? Ich denke, es lag daran, dass die Stadt bekriegt und geplündert wurde und der Hafen versandete. Die Stadt wurde von den verbliebenen Bewohnern verlassen und man hat lieber Schleswig ausgebaut, soweit ich weiß.

Zitat
Du hast etwas gegen die Christianisierung, stimmt's?

Ich habe etwas gegen Zwang, Mord und Totschlag als 'Argumentationshilfe'. In der Beziehung haben sich die damaligen so genannten Christen, die den Norden missioniert haben, wahrlich nicht mit christlichem Ruhm bekleckert.

Zitat
und dann kam nichts mehr als 700 Jahre Christentum.

Nun ja, es war nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Der Fisch stinkt vom Kopf. Luther schoss quer und stellte den Apparat in Frage. Das wurde hier alles ziemlich schnell protestantisch und das ist es bis heute auch geblieben. Der Person des Klabautermanns hat es nicht geschadet. ;)

Ich kenne übrigens genügend alte Leute, die zwischen Weihnachten und Neujahr keine Wäsche waschen, weil es Unglück bringt. Dass sich dieser Aberglauben aber auch nicht ausrotten lässt. ::)

Es ist schon verrückt: Das ganze Christentum ist schon im Ansatz eine reine Glaubenssache, aber was diese Dinge angeht, da will man es ganz genau wissen und alles schwarz auf weiß belegt haben. 8)

LG Silvia
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Feder am 06. Januar 2005, 15:23:11

Günther: die Dreikönigsbräuche ursprünglich heidnisch? Nun ja, die Möglichkeit ist nicht die wahrscheinlichste. Denn die Gebeine der drei kamen 1163 (sagt mir jetzt mein Gedächtnis) als prominenteste Reliquien der abendländischen Kirche in Köln an, nachdem sie im Jahrzehnt davor in Mailand entdeckt und geraubt wurden.


::)Glaubst du solche Sachen? Erst kürzlich stand in der Zeitung, dass die Drei Heiligen Könige weder drei, noch heilig noch Könige waren.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Silvia am 06. Januar 2005, 15:28:09
Stimmt. Könige waren sie sicher nicht. Heute würde man wohl eher 'Gelehrte' sagen. Wahrscheinlich waren es Sterndeuter. Man weiß nicht einmal, dass es drei waren. Eigentlich weiß man gar nichts Genaues über sie. Aber bei den Katholen ist es ein Feiertag! ::)

LG Silvia
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: fisalis am 06. Januar 2005, 15:30:20
Nun, Christen waren es wahrlich nicht, die richteten. Das spreche ich ihnen jetzt mal ab ...

Doch doch, das waren Christen. Skrupellos wie eh und je ;D.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Günther am 06. Januar 2005, 15:37:24
Von den Heilgen Drei Königen weiß man sicher nur, daß sie weder heilig noch drei noch Könige ware. Und das schon lange. Der gesammelte Quak darum herum ist mehr oder minder spätere, sehr späte, oder weniger sehr späte Legende.
Vermutlich sind nicht einmal die Reliquien echt, zwar aus byzantinischer Zeit, aber die Gebeine...
Natürlich waren die Mitglieder der Inquisition Christen, damals war praktisch die ganze Bevölkerung christlich, von wenigen Juden abgesehen. Auch die Verurteilten waren Christen. In Amerika war die Inquisition z.B. nur für Christen zuständig, die Indigenas fielen prinzipiell nicht in ihre Zuständigkeit (nur SEHR wenige Ausnahmen).
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Feder am 06. Januar 2005, 15:43:54
Von den Heilgen Drei Königen weiß man sicher nur, daß sie weder heilig noch drei noch Könige ware.
Gleich schneide ich es mir aus und rahme es ein. Dass wir einmal gleicher Meinung sind hat ja Seltenheitswert. ;D

@Silvia: Die Anhänger des katholischen Glaubens heissen Katholiken. Katholen wird da eher als abwertend empfunden.
Titel: Re:Wintersonnenwende
Beitrag von: Wolfgang am 06. Januar 2005, 18:08:44
Widerspruch, Günther: Man weiß keineswegs sicher, dass es nicht drei waren. Man weiß überhaupt nichts über die Zahl. ;)
Feder: Ich habe mich oben (und auch anderweitig) um Aufklärung dieser Legende bemüht.
Die nämlichen Personen sind im Matthäusevangelium "Magoi", in heutigem Sprachgebrauch in der Tat eher Gelehrte, aus dem Morgenland, ohne Zahl, ohne Hautfarbe. Die Legendenbildung setzte aber schon in früh ein. Origenes im 3. Jahrhundert sprach von dreien, weil Matthäus drei Geschenke erwähnte, die sie mitbrachten. Die Gebeine tauchen allerdings erst im 12. Jahrhundert in Mailand auf, und wie sie dahin kamen, gehört samt und sonders ins Reich der Spekulation. Und dann kam, sah, siegte und klaute Barbarossa, und die Heiligedreikönigefrömigkeit blühte in Köln auf - oder schoss ins Kraut, je nach Blickwinkel.
Der 6. Januar, ihr Feiertag, ist in der vom Christentum geprägten Kultur Epiphanias, das Erscheinungsfest, und man feierte da ursprünglich den Beginn des Jahres, die Geburt Jesu (so die Armenische Kirche, eine der ältesten), seine Taufe (so die östlichen Orthodoxen), seine Verklärung und auch die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit in Kana. Erst allmählich etablierte sich in der römischen Kirche die Feier der allmählich zu drei heiligen Königen avancierten Personen.
Silvia, Du wirst ja heftig :D Man kann in der Tat darüber streiten, ob einer, der seine Mitmenschen mit Gewalt traktiert, ein Christ (oder auch ein Muslim) ist. Aber konfessionell ist er es nun mal. Und dass in damaligen Zeiten das Schädelzertrümmern das schlagendste Argument war, nicht nur bei (vielen) Christen, das ist nicht schön. Ich halte es zudem auch für den größten Betriebsunfall des Christentums, dass es im vierten Jahrhundert zur Staatsreligion herangezogen wurde. Aber die Geschichte lief so.
Es kam in unseren Breiten dazu, dass das Christentum den Vorteil einer schriftlichen Kultur mitbrachte und auch damit den indgenen Kulturen überlegen war. Das hat Ansiedlungen wie Haithabu nicht nur politisch und militärisch, sondern auch kulturell den Boden entzogen.
Schon sein Protektor Harry Bluetooth hinkte religiös auf beiden Seiten.
Titel: Re:Wintersonnenwende - Fakten und Glauben
Beitrag von: Silvia am 09. Januar 2005, 13:46:47
Ich habe das Thema einmal geteilt.

Über Gott und die Welt geht es jetzt bitte hier weiter. :)

LG Silvia