Eine Orchidee Namens Vanda
Blaue Orchideen sind selten. Doch nicht nur die blaue Vanda gehört zu den gesuchten Pflanzen dieser Gattung. Hochpreisig und eigenwillig, hat sich so mancher Blumenfreund an einer Vanda die Zähne ausgebissen.
Es waren nicht nur Fische, die mich als Kind begeisterten. Doch Aquarien waren mein erster Zugang zur Natur, noch bevor die Gartenleidenschaft erwachte. Früh schon begeisterten mich allerdings auch Orchideen. Vorerst in Büchern. Und eines dieser Bücher, das ich schon als Volksschüler besaß, war „Wunderwelt der Orchideen“ von Max Hirmer aus dem Jahre 1974. Darin gab es unter Anderem ein Bild einer Vanda coerulea in wunderbarem Azurblau. Damals war mir klar: Wenn ich groß bin, dann will ich auch so eine Orchidee haben. Überhaupt waren es Vanda, Dendrobium und Cattleya, die es mir den Photos nach angetan hatten.
Vanda tricolor
Nun war ich als Volksschüler das jüngste Mitglied eines österreichischen Aquarienvereins und durfte als neunjähriger erstmals zum „Internationalen Symposion für Vivaristik“ des Wiener Volksbildungswerkes auf das Hochkar fahren, wo ich als jüngster Aquarianer Österreichs gemeinsam mit dem ältesten geehrt wurde. Als autolose Menschen wurde meine Familie von einem Verbandskollegen mitgenommen, der den Orchideen mehr verfallen war als der Aquaristik. Sein Garten – natürlich mit Orchideengewächshaus – befand sich auf der Strecke, also hielten wir dort und besichtigten. Mein Vater war begeistert und bekam drei Pflanzen geschenkt. Eine davon war eine getopfte Vanda tricolor, die ich schon aus dem o. g. Buch kannte. Wie begeistert ich war, mag man daran ermessen, dass ich ganz vergessen habe was die beiden anderen für Arten waren. Leider erwies sich die Vanda als untauglich für die getopfte Fensterbankkultur über der Zentralheizung und verschied innert eines Jahres.
Vanda tricolor ist eine der drei bekanntesten und die am drittmeisten für Kreuzungen verwendete Art der Gattung. Die auf Java heimische Pflanze hat weiße bis gelbe, rot bis rotbraun getupfte Blüten mit violetter Lippe.
Pralle Sonne!
Jahre vergingen, ehe ich wieder hautnah mit Vanda in Berührung kam. Ich war Gymnasiast in der Oberstufe und Mitglied der Österreichischen Orchideengesellschaft (ÖOG) geworden. Die erste Vanda, die ich mir leisten konnte, war Vanda denisoniana. Es war ein kleines, verhungertes Exemplar, nicht im Topf, sondern aufgebunden an einem Stück Holz, aber noch nicht festgewachsen. An meinem Nordfenster in Zentralheizungsnähe musste es zwangsläufig eingehen, noch dazu wo ich noch nie ungetopfte Orchideen kultiviert hatte und wohl zu sparsam tauchte.
Doch dann bekam ich von einem anderen Mitglied ein Geschenk: Vanda teres, heute Papilionanthe teres. Es handelt sich dabei um eine der Arten, die nicht im Querschnitt v-förmige, sondern zylindrische (terete), also im Querschnitt kreisrunde Blätter besitzen. Die Pflanze war bei ihm in zehn Jahren viele Meter weit gewachsen und hatte noch nie geblüht. Sie wurde alle Jahre eingekürzt, die Kopfstecklinge getopft. Vanda also doch getopft kultivieren? Auch bei mir wuchs das Ungetüm rasch. Trotz Freilandaufenthaltes an prallsonniger Stelle im Sommer gab es allerdings keine Blüten. Sonne sei der Schlüssel zum Erfolg, erfuhr ich alsdann. Bei allen Vanda-Arten. Doch die großen „zylindrischen“ Arten, die jetzt die Gattung Papilionanthe gehören, benötigten davon mehr als es bei uns gibt. Auf Blüten warte man hier vergebens. Auch könnten die zylindrischen Vandas in Blumenerde wachsen. Die Hybride der beiden großen zylindrischen Ex-Vandas ist übrigens die Nationalblume von Singapur: Papilionanthe Miss Joaquim. Meine Papilionanthe gab ich jedenfalls weiter ...
Die verzweifelte Suche nach dem Azurblau
Wie ich eingangs schrieb, ich wollte eine blaue Vanda haben, wenn ich doch erst erwachsen wäre. Nun, ich habe eine, wenn auch eine Hybride, doch mein Traum vom einheitlichen Azurblau zerplatzte wie eine Seifenblase. Denn V. coerulea blüht meist nicht einfarbig, sondern zeigt ein blaues oder blauviolettes Gitternetz über hellerem Grund. Einfarbige Formen sind meist viel heller und/oder rotstichig. Ja selbst in der Natur findet man innerhalb einer Population kaum einmal zwei farbgleiche Exemplare. Eine Vanda wie ich sie wollte, hatte zu meiner Zeit in der ÖOG noch niemand gesehen. Das Bild im Buch ist der einzige Hinweis ihrer Existenz. Die Angabe Bildquelle, H. Krause, Hannover, war auch keine große Hilfe. Für weitere zweckdienliche Hinweise bin ich jedoch dankbar ….
Entdeckt und beschrieben wurde V. coerulea bereits 1837 von dem in Indien lebenden Arzt William Griffith in den Hochlagen der Khasi Hills in Assam auf Gordonia in Eichen- und Kiefernwäldern. Der bekannte Sammler Thomas Lobb brachte sie nach England, wo sie 1850 erstmals erblühte und zu einer der begehrtesten Orchideen wurde.
Heute gibt es zahlreiche Vanda-Hybriden in viele Farben, wobei vor allem Blau sehr beliebt ist – V. coerulea ist die am zweithäufigsten zur Hybridzüchtung verwendete Art. Da sich innerhalb der Gruppe der Vandeen fast alle Arten kreuzen lassen, gibt es auch viele Gattungshybriden. Mit den kleinwüchsigen Ascocentrum entstand xAscocenda mit vielen kompakten Sorten, die auch im Topf kultivierbar sind, wobei vor allem das Orangegelb der Artengruppe um Ascocentrum miniatum neue Farbakzente setzte.
Vanda sanderiana
Die häufigste Verwendung zu Kreuzungen erfuhr eine Vanda, die durch ihre besonders großen, flachen Blüten und eine interessante Zweifarbigkeit auffällt: Die Blüten von V. sanderiana sind rotviolett, die unter Blütenhälfte wird jedoch von einem braunvioletten Fleck überlagert.
Diese Art ist auf den Phillippinen, genauer gesagt im Süden Mindanaos, endemisch, also nur dort heimisch. Entdeckt wurde sie 1880 von Carl Roebelin, einem von Henry Frederick Conrad Sander, einem Gärtner aus St. Albans, England, angeheuerten Pflanzensammler. Ein starkes Erdbeben, das seine Ausrüstung vernichtete, überlebte er in einem Baumhaus, in dem er die Nacht verbrachte. Durch das zerstörte Dach sah er im Morgenlicht über sich die Pflanze blühen. Er konnte nur einige konservierte Blüten nach England bringen. Sander drohte ihm daraufhin mit Kündigung, wenn er die Pflanze nicht lebend nach Europa brächte, was ihm Ende 1881/Anfang 1882 gelang.
Wegen der flachen, spornlosen Lippe wurde diese Art oft in eine eigene Gattung Euanthe gestellt, die aber heute wenig Anerkennung findet.
Erfolg im Wintergarten
Nach meinen jugendlichen Mißerfolgen habe ich Vandas lange keine Sammelleidenschaft mehr entgegengebracht. Der Bau eines südseitigen Wintergartens jedoch ließ den alten Wunsch wieder aufkeimen. So versuchte ich es wieder mit Vandas. Diesmal nach einer Panne mit einer rosafarbenen Hybride mit Erfolg. Meine namenlose blaue Vanda ähnelt der V. Rothschildiana, einer künstlichen Hybride aus V. coerulea x V. sanderiana. Meine zweite erfolgreich gepflegte „Vanda“ ist eine xAscocenda in dunkelblau. Und es sollten noch mehr werden. Auf der Wunschliste stehen neben ein paar Typen der V. coerulea noch V. tricolor und die Hybriden First and Last, Patricia Low ‘Lydia’ und Thonglor. Leider darf ich aufgrund von Umzugsplänen nicht zu euphorisch sein. Denn ob sich wieder ein Wintergarten oder ein südseitiges Fenster in einem geheizten Raum ohne Heizkörper darunter ergibt, steht noch in den Sternen.
Erfolgreiche Kultur
Vandas verlangen mehr als nur Helligkeit. Vandas wachsen entweder mit ihren Wurzeln an Holz fest oder werden frei hängend kultiviert. Dem muss auch beim Gießen Rechnung getragen werden. Es gibt zwei verbreitete Methoden, Vandas zu bewässern: sprühen oder tauchen. Beim Sprühen ruiniert man sich das Blumenfenster, also ist tauchen die bessere Methode. Die Pflanze wird dafür für ca. fünf Minuten komplett ins Wasser gelegt. Die Wurzeln saugen sich voll. Von einem Gärtner aus dem Tiroler Ort Inzing lernte ich eine weitere Methode kennen: Phiolen, in denen üblicherweise geschnittene Orchideenblüten stecken, können mit Wasser gefüllt an einige Wurzelspitzen gehängt werden. Wichtig ist es, möglichst kalkfreies Wasser, etwa Regenwasser, zu verwenden. Gedüngt wird spärlich.
Recht erfolgreich ist auch das Setzen in einen substratfreien Tontopf: Die Wurzeln verwachsen mit der Innenwand des Topfes und man sprüht nur in den Topf. Der Ton hält etwas Wasser, was sich auf die Versorgung der Pflanze positiv auswirkt.
Vanda – quo vadis?
Wie viele Orchideengattungen ist auch Vanda nicht mehr das, was sie einmal war. Ob der Artenfülle (20000 bis 35000 Arten) sind die Orchideen bis heute nicht befriedigend bearbeitet. Auch DNA-Untersuchungen bringen nur nach und nach etwas Licht ins Dunkel. Was die Gattungsgrenzen betrifft, besteht erheblicher Forschungsbedarf – auch bei Vanda.
Relativ unumstritten sind die Gattungen Holcoglossum und Papilionanthe, die einige früher zu Vanda oder Aerides gestellte sowie neu beschriebene Arten vereinigen. Unklar ist, ob die kleinblütigen Gebirgsarten von Vanda als eigene Gattung Trudelia abzugrenzen sind. Sicher nicht als eigenständig zu betrachten ist die frühere Euanthe.
Die Vandeen als Gattungsgruppe – hierzu gehören auch so gute Zimmerpflanzen wie Phalaenopsis und gern bestaunte Schönheiten wie Aerides – sind allerdings eine gut abgrenzbare Verwandtschaft, deren Arten auch zwischen den Gattungen leicht zu kreuzen sind.
© Mag. Gregor Dietrich
stark gekürzt erschienen in: Garten+Haus 1-2/06