Danke lerchenzorn .
Wo habe ich denn Karten zu einzelnen Wildpflanzen gesehen, die die regionalen genetischen Unterschiede zeigten? Also wie weit das Verbreitungsgebiet von z. B. Knautia arvensis mit der gleichen Genetik geht. ...
Das ist genau die Frage, um die es in Zusammenhang mit den streng erscheinenden, gesetzlichen Vorschriften geht. Und es gibt bislang keine gute Antwort darauf, weil es eben aufwändig und mühselig ist, das im Detail zu klären. Aber es wird daran gearbeitet.
Als allgemeinen Grundsatz kann die Wissenschaft bisher sagen, dass Distanzen von wenigen hundert Kilometern häufig wesentliche Veränderungen im Genom zwischen den untersuchten Populationen bewirken. Das ist schon bemerkenswert.
Für die (scheinbare) Schärfe der gesetzlichen Vorschrift sprechen folgende Annahmen:
- Arealentwicklungen von höheren Pflanzen verlaufen häufig über lange Zeiträume. (Rasante Arealentwicklungen kommen vor, sind aber nicht die Regel.) Nach der Erschließung eines neuen Arealteils gibt es eine lange Phase der Anpassung an örtliche Bedingungen. Das ist die Herausbildung der örtlichen Population. In der Regel besteht ein Genfluss zwischen benachbarten Populationen, weniger bis fast gar nicht zwischen entfernten Populationen.
- Die Summe der örtlichen Populationen einer Art über eine Region und größere geografische Einheiten hinweg umfasst eine große, regional und örtlich differenzierte, genetische Vielfalt.
- Die Ausbringung von Handelssaatgut / vermehrtem Saatgut basiert auf der Beerntung einer begrenzten Pflanzenzahl in wenigen, ausgewählten Beständen an wenigen Sammelterminen und auf der massenhaften Vermehrung dieses begrenzten Ausgangsmaterials. Es findet also eine Selektion statt. (Die Wildpflanzen-Vermehrer versuchen, mit Beachtung bestimmter Regelwerke eine möglichst große genetische Vielfalt zu "erwischen", können das aus wirtschaftlichen Gründen aber nur teilweise gewährleisten.)
- Während des Anbaus / der Vermehrung findet eine weitere Selektion statt, indem zum Beispiel nur bestimmte Genotypen innerhalb des betrieblich umsetzbaren Zeitraumes keimen und sehr spät auflaufende, in stärkerer Keimruhe verharrende Genotypen herausfallen. (Nur wenige Betriebe können es sich leisten, ihre Flächen so langzeitig und differenziert zu bewirtschaften, dass immer die volle Breite der Genotypen einer Population in der Vermehrung "mitgenommen" wird.)
- Die Ausbringung dieses genetisch selektierten, massenhaft vermehrten Saatgutes in großen Gebieten und an zahlreichen Orten führt zwangsläufig zur Präsenz genetisch verarmter Pflanzenbestände in der Landschaft. Wenn diese genetisch verarmten, aber oft individuenreichen Bestände auch noch in Kontakt mit nur noch geringen Beständen von örtlich einheimischen Populationen der gleichen Art geraten - was oft der Fall ist - können deren über lange Zeit erworbene, örtliche Anpassungen gefährdet werden.
Die Verwendung von regional, das heißt in einem Umkreis von wenigen hundert Kilometern gewonnenem und erzeugten Saatgut ist also schon ein Kompromiss, der das noch vertretbar erscheinende Maß an Selektion mit der betrieblichen Machbarkeit der Wildpflanzenvermehrung in Einklang bringen soll. Das Ideal, das häufig nicht erreichbar ist, bleibt die örtliche Gewinnung und Verwendung von Saat- und Pflanzgut, z. B. in einem Umkreis von 25 bis 50 km.