Im Herbst hat T. mir eine knappe Handvoll Tulpenzwiebeln in die Hand gedrückt, nach denen ich schon jahrelang beim Vorbeigehen über den Zaun geschielt und auch schon gebettelt hatte.
Da stehen auf kleinem Platz zahlreiche Tulipa sylvestris, die alljährlich überreich blühen. Bei uns treiben jetzt drei Stück aus und alle drei haben ein bis zwei Blütenknospen.
Und jetzt wird es spannend. Auffällig ist, dass alle drei Pflanzen neben den Stängelblättern je ein kräftiges Blatt haben, das nah am Grund des Austriebs etwas verdreht zum Stängel aus der Erde kommt. Ob es unter der Oberfläche aus dem Stängel austritt oder direkt aus der Zwiebel treibt oder noch anders "andockt", könnte ich nur durch ausgraben feststellen. Das werde ich vorläufig schön bleiben lassen.
Das wäre mir wohl nicht groß aufgefallen, hätten diese Blätter nicht je drei scharfe Längskiele auf der Blattunterseite, die sich auch auf der Oberseite durch eine angedeutete Faltung abzeichnen. Dieses Merkmal findet sich nicht an den Stängelblättern.
Meine "guten, alten" T. sylvestris haben weder dieses direkt aus dem Boden treibende Blatt noch zeigen irgendwelche Blätter diese "Faltung" oder Riefung.
Ich bin im Dämmerlicht noch auf die Freudnschaftsinsel gewetzt, weil auch dort eine sylvestris-Gruppe steht, die durch ihre reiche Blüte auffällt. Dort allerdings habe ich solche besonderen Blätter auch nicht feststellen können.
Hat sonst jemand von Euch eine regelmäßig reich blühende Form von Tulipa sylvestris und könnte nachsehen, ob sich da vergleichbares findet?
Tulipa australis (oder subsp. australis) müsste in allen Teilen zierlicher sein. Meine Pflanzen zeigen auch keinerlei rote Töne auf den Außenseiten der Blütenblätter.
Ich habe auch in Regels Beschreibung der nordafrikanischen subsp. cuspidata nachgelesen und finde keine Hinweise auf eine solche besondere Blattform.
Ich gehe mal zu T. und frage, ob ich mir seine Pflanzen anschauen darf. Falls das gefaltete oder gekielte Blatt bei allen blühenden Pflanzen zu finden sein sollte, muss ich bei Gelegenheit die größeren Tulpen-Monographien durchstöbern. (Erst mal rankommen. ) Sollte das im Herkunftsgarten nicht zu sehen sein, muss ich abwarten, ob das ein Effekt im Jahr der Pflanzung ist, was ich mir aber nicht wirklich vorstellen kann.
Ich mache in den nächsten Tagen noch Fotos.
Ich habe keinerlei Pflanzen aus dem Formenkreis um T. sylvestris – aber ich habe gestern nacht mal Richard Wilfords Tulpenbuch konsultiert. Er unterscheidet (auf Erkenntnisstand 2006) in diesem Formenkreis folgendermaßen:
– T. sylvestris, tetraploide Nominatform: „channeled leaves“, also möglicherweise Dein gekieltes Blatt; Blütenblatt außenseits grün gestreift
– T. sylvestris ssp. australis: diploid, kleiner als Nominatform; Blütenblatt außenseits violett bis purpurfarben gestreift
(Es gibt auch Formen, die morphologisch zwischen diesen beiden stehen, z.B. eine, die Wilford 1989 in Tunesien gefunden hat und die unter dem Namen T. sylvestris ssp. sylvestris 'Mount Zaghouan' verbreitet wurde.)
– T. celsiana: „the leaves curl round and lie close to the ground“, blüht erst spät, im Mai
– T. biebersteiniana: Blütenblatt außenseits violett gestreift, unterstes Laubblatt auffällig breiter als die oberen
(T. patens und T. primulina dürften wegen deutlich anderer Blütenfarbe irrelevant für Deine Frage sein.)
Und dann wäre da noch T. urumiensis, der leidige Kandidat aus unserer T.-tarda-Erörterung. Wenn man nicht davon ausgeht, daß das das Gleiche wie T. tarda ist, sondern der Erstbeschreibung von Otto Stapf glaubt, daß sie wie T. australis aussieht, müßte man auch sie noch mit einbeziehen. Wilford schreibt auch hier zu den Blättern: „They are held close together, almost forming a rosette near ground level.“
Heißt praktisch: Deine Exemplare stehen laut diesem Schema zwischen T. biebersteiniana (unterstes Blatt breiter) und der tetraploiden Nominatform von T. sylvestris (geriefte Blätter). Die für Taxonomiefreunde unbefriedigende, aber wohl zutreffende Erklärung liefert Wilford im Kapitel zu T. biebersteiniana: „Like the other variants of T. sylvestris, the status of T. biebersteiniana is not fully understood and the plants in cultivation represent only a sample of the forms found in the wild.“