@Megaclown:
Ganz im Gegenteil - das Forum ist ja genau für solchen Erfahrungs- und Wissensaustausch da!
Ich bin auch so ausführlich geworden, weil ich ja die Diskussionen aus dem Naturschutz um möglichst regionales Saatgut oder Pflanzen kenne.
Das ist bei der Restaurierung alten Grünlandes und Naturschutzgebieten absolut legitim und wichtig.
Aber bei Gärten sollte man da "milder" sein, finde ich.
Viele Gartenbesitzer wollen inzwischen ja "irgendwas für Insekten und Bienen machen", wollen aber oft andererseits keine "Ruderalfläche" im/als Garten!
Und, wenn man ehrlich ist, sieht eine einheimische Wildblumenwiese auch zwischendurch immer wieder ziemlich struppig aus.
Um solche Anflüge guten Willens nicht abzuwürgen, finde ich, sollte man bei an Wildblumenwiesen Interessierten nicht zu streng sein und nicht den kleinen Funken durch zu viele rigide Ansprüche ersticken.
Worauf ich hinaus will ist, dass viele Gartenbesitzer nicht unbedingt die Möglichkeit haben, regionales Saatgut zu bekommen.
Oder nicht die Lust oder den Willen, sich da so rein zu fuchsen.
Für die Insekten ist es egal, ob die Primula veris aus holländischer Vermehrung stammt, oder der Samen von hinter der nächsten Hügelkuppe wachsenden Pflanzen stammt.
Ich hab vor kurzem "
No Nettles required - the reassuring Truth about wild gardening" von Ken Thompson gelesen.
Er ist Dozent für Pflanzenökologie an der Universität Sheffield, wo auch Nigel Dunnett und James Hitchmough forschen und lehren, über die ich auf sein Buch gestoßen bin.
Er hat 2000-2002 mit seinen Studenten das BUGS-Projekt gemacht -
Biodiversity in urban gardens Sheffield, um überhaupt mal zu schauen, was an "wildlife" überhaupt in Gärten vorhanden ist und sein kann und was wie Fauna und Flora in "normalen" Gärten wie positiv oder negativ beeinflusst.
Das Buch bricht die ganzen Naturgarten-Anforderungen auf ein paar knackige Schlagsätze runter:
- der Garten sollte wenigstens einen Baum und ein wenig Sträucher haben, wo von der Größe möglich
- es sollte einen Flecken mit langem, ungemähtem Gras geben (besser natürlich ein Stück Wildblumenwiese)
- eine Wasserfläche, fast egal, wie klein, bringt nochmal sehr viel
- Kompostplätze und zum Vermodern aufgeschichtete Holzstücke bringen wertvolle und seltene Lebensräume!
- man sollte Pflanzen mit möglichst vielen Blüten, ungefüllt, Nektar und Pollen bietend, und möglichst langer Blütezeit pflanzen - ganz egal, ob einheimisch oder nicht.
Er führt aus, dass die Diskussion um einheimische Pflanzen in Gärten nicht wirklich sinnvoll ist, da diese oft nicht so lange blühen wie nicht-einheimische - und die Spezialisten, die auf ganz bestimmte einheimische Pflanzen als Futterpflanzen angewiesen sind, sind oftmals so selten, dass sie die potentiellen Futterquellen in Gärten nicht erreichen/finden, während nicht so extrem seltene, aber dennoch schon gefährdete Arten schon ausreichend durch den Flecken langes Gras gefördert werden - Wildblumenwiese ist natürlich noch besser.
Und viele einheimische Pflanzen sind einfach ästhetisch nicht so ansprechend wie Selektionen oder nicht-einheimische Arten - oder sogar ziemlich unbeherrschbare "Unkräuter".
Das bestärkt meinen Eindruck, dass man nicht die absolute Perfektion in Sachen naturgemäß gärtnern erreichen muss, um "der Natur" etwas Gutes zu tun.
Ich kann aus logistisch-praktisch-finanziellen Gründen meine Wiese nicht "perfekt" pflegen - ich lasse von einer Firma mähen, die Ende Juli alles auf einmal anstatt verschiedene Flächen zu versetzten Zeiten mit ihm hier mäht:
Das Teil mäht bis auf "englischer Rasen"-Höhe runter und saugt den Schnitt gleich auf und pustet ihn in einen Behälter hinten.
Da werden bestimmt ganz, ganz viele Insekten geschreddert und viele Samen aus der Wiese rausgesaugt, statt dass sie ausfallen.
Trotzdem beobachte ich über die letzten 10 Jahre eine kontinuierliche Zunahme an allen möglichen Insekten, die ich meine ganze Kindheit durch nie im Garten gesehen habe - ebenso neue Vogelarten und letztes Jahr ein erster Versuch von Mauereidechsen, die Trockenmauer zu erobern.
Es ist definitiv nicht perfekt - aber ein gutes Stück besser als das ab Anfang Mai gemähte und gut mit Gülle versorgte Intensivgrünland ums Dorf herum.