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Lauben und Gärten in Leipzig um 1990: Dieter Oltmanns - Arche bauen (Gelesen 1881 mal)
- Waldmeisterin
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Lauben und Gärten in Leipzig um 1990: Dieter Oltmanns - Arche bauen
Ich möchte euch hier mal ein Buch vorstellen, dass mir sehr am Herzen liegt, obwohl ich weder den Autor kenne, noch etwas daran verdiene
Gerade als nicht-gebürtiger, sondern nur reingeschmeckter Ossi liebe ich ja solche Bücher, die mir das, was ich nur von gelegentlichen DDR-Besuchen kenne, nochmal vor Augen führen. Hier kommt noch der fast schon wohltuende Kontrats dieser "Archen" zu den heutigen Gartenzeitschriften-Idyllen hinzu:Dieter Oltmanns - Arche bauenLauben und Gärten in Leipzig um 1990Kurz nach der Wende zog der Fotograf Oltmanns durch Kleingartenanlagen im Leipziger Westen und hat drauf los fotografiert. Manchmal mit, aber meistens ohne Menschen, hat er so einen ganz eigentümlichen Aspekt des Alltagslebens in der DDR festgehaltenDer Schwerpunkt dieses sehr hübschen Fotobüchleins (Bildband wäre wohl etwas übertrieben) liegt dabei allerdings auf „bauen“. Denn die Gärten selbst spielen eigentlich eine Nebenrolle, es sind die Lauben, Schuppen und sonstigen Bauten, die die Fotos dominieren.Oltmanns hat damit ein kleines Stück DDR eingefangen, noch bevor diese unsäglichen weißen Plastikstapelstühle sich aufmachten, auch noch den letzten Garten zu verschandeln.Die Fotos wirken auf den ersten Blick unspektakulär, es sind keine Traumgärten abgebildet, wie wir sie aus Gartenzeitschriften kennen, sondern zunächst einmal mehr oder weniger üppiges Grünland mit einer Laube drauf. Bei genauerer Betrachtung aber erzählen diese Bilder so manches über Mangelwirtschaft auf der einen, Improvisationstalent auf der anderen Seite:Da werden aus alten Türen ganze Stalllandschaften zusammengebastelt, Dachplatten aus Wellblech werden kurzerhand zu Zäunen umfunktioniert, an anderer Stelle wiederum dient alter Fußbodenbelag als Dachpappe und Dachpappe als Wandverkleidung. Ich muss zugeben, dass mich diese Fotos auch deshalb faszinierten, weil ich solche, wie sie auch Katrin Arrieta im Begleittext nennt, „Installationen“ in meinem Garten in größeren Mengen vorfand. Diese Art zu bauen und zu basteln, die wir in Anlehnung an unseren Vorbesitzer, Herrn Meißner, „zusammenmeißnern“ nennen, scheint ein weitverbreitetes Phänomen gewesen zu sein. Seltsamerweise ist das, was auf den ersten Blick ziemlich zusammengepfuscht aussieht, in Wirklichkeit erstaunlich haltbar.Was im Vergleich zu den heutigen Kleingärten noch auffällt, ist die Lagerhaltung. Jeder Garten hatte wohl eine Ecke, in der potentiell Nützliches aufbewahrt wurde: gebrauchte Ziegelsteine, Gehwegplatten oder Zaunslatten zeugen von einer Zeit, in der man nicht jederzeit im nächsten Baumarkt Fehlendes mal kurz besorgen konnte. Selbst Farbe schien Mangelware, denn auch wenn der Garten liebevoll gepflegt wirkt, an der Laube blättert oftmals der Lack.Doch trotz allen Mangels wirken die Lauben und Gärten überraschend individuell, die oft unterstellte Gleichmacherei hat zumindest im Kleingarten offensichtlich nicht funktioniert. Da sehen heute die Kleingärten mit den erwähnten Plastikstühlen, Pavillons und diesen furchtbaren solarbetriebenen Kunststein-Erdmännchen von Weltbild erheblich einheitlicher aus.Auch die den DDR-Bürgern gerne vorgeworfene Spießigkeit findet sich auf diesen Bildern eher selten, akkurat gemähte Rasenwüsten mit vereinzelten Koniferen gibt es kaum. Aber vielleicht kommt das dominierende, gerade so beherrschte Chaos auch daher, dass die Menschen kurz nach dem Mauerfall andere Dinge im Sinn hatten, als das Grünzeug in ihrem Garten unter Kontrolle zu halten.hier der link zum Verlaghttp://www.expose-verlag.de/index.php?site=detail&uid=78

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Re:Lauben und Gärten in Leipzig um 1990: Dieter Oltmanns - Arche bauen
Danke für den [amazon=392593569X]Tipp[/amazon]! - Connewitzer Verlagsbuchhandlung?
(Daraufhin habe ich gleich mal wieder den Fotoband Abschied und Anfang (1993) herausgekramt. Zeit berühren ...)

Re:Lauben und Gärten in Leipzig um 1990: Dieter Oltmanns - Arche bauen
Stimmt. Individuell kommt von selber machen und nicht allein von selber kaufen.Rasenwüsten mit Koniferen (Blaufichte) gab es auch. Aber im Grunde nur bei Einfamilienhäusern und nicht in Kleingärten, und das nicht allein wegen Kleingartenregelungen sondern auch wegen der Nahrungsmittelerzeugung.Ein klein bißl OT.Wieso Lagerhaltung "hatte"Was im Vergleich zu den heutigen Kleingärten noch auffällt, ist die Lagerhaltung. Jeder Garten hatte wohl eine Ecke, in der potentiell Nützliches aufbewahrt wurde: gebrauchte Ziegelsteine, Gehwegplatten oder Zaunslatten zeugen von einer Zeit, in der man nicht jederzeit im nächsten Baumarkt Fehlendes mal kurz besorgen konnte. ...Doch trotz allen Mangels wirken die Lauben und Gärten überraschend individuell, die oft unterstellte Gleichmacherei hat zumindest im Kleingarten offensichtlich nicht funktioniert. Da sehen heute die Kleingärten mit den erwähnten Plastikstühlen, Pavillons und diesen furchtbaren solarbetriebenen Kunststein-Erdmännchen von Weltbild erheblich einheitlicher aus.Auch die den DDR-Bürgern gerne vorgeworfene Spießigkeit findet sich auf diesen Bildern eher selten, akkurat gemähte Rasenwüsten mit vereinzelten Koniferen gibt es kaum. Aber vielleicht kommt das dominierende, gerade so beherrschte Chaos auch daher, dass die Menschen kurz nach dem Mauerfall andere Dinge im Sinn hatten, als das Grünzeug in ihrem Garten unter Kontrolle zu halten.



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Re:Lauben und Gärten in Leipzig um 1990: Dieter Oltmanns - Arche bauen
Ich gebe ja zu, ich neige auch zur Lagerhaltung und hebe selbst Zeugs auf, dessen möglicher Nutzen nicht unmittelbar ersichtlich ist.Allerdings scheint das eine recht seltene Angewohnheit geworden zu sein. Denn selbst ordentlich gestapelte Betonplatten haben doch nur sehr eingeschränkten ästhetischen Wert, Sandhäufen sind halt Haufen und damit per se schon mal unordentlich und wozu sollte man Zeug aufheben, das man sich jederzeit im Baumarkt neu besorgen kann? In meiner süddeutschen Heimat jedenfalls ist die schwäbische Sparsamkeit oftmals dem schwäbischen Ordnungssinn unterlegen, da wird kein nutzloses Zeug im Garten geduldet.Eskalierende Lagerhaltung durfte ich allerdings auch am eigenen Leib erfahren. Unser Vorbesitzer hat wirklich alles aufgehoben, aber mit zunehmenden Alter ging die eventuell mal vorhandene Kontrolle über die Dinge komplett verloren. Übers gesamt Grundstück verteilt, am Ende dann auch gründlich mit Brennesseln und Brombeeren eingewachsen, lagen bestimmt fünfzig leere Gurkeneimer, in der Garage haben wir mindestens zwanzig, meist selbstgebastelte Schneeschieber gefunden, und in einem halb eingefallenen Schrank hinter der Garage mehrere Töpfe mit Altöl, noch prima zu gebrauchen, um den Zaun zu streichen (der somit bei der Entsorgung von normalem Bauholz zum Sondermüll mutierte).Aber um zum Buch zurückzukommen, oder vielmehr dazu, was heutzutage anders ist, scheint die Wegwerfkultur (ich weiß, dieser Gedanke ist nicht gerade sonderlich tiefschürfend) einfach sämtlich Lebensbereiche erfasst zu haben. Von Gartenfreaks wie euch mal abgesehen, kaufen sich viele Leute prächtige Stauden im Baumarkt, pflanzen sie in ihren ordentlichen Garten, und im nächsten Jahr wird der ganze Mist neugekauft, weil erstens die Stauden den Winter natürlich nicht überstanden haben und zweitens die aktuelle Gartenzeitschrift schreibt, dass dieses Jahr eine ganz andere Farbe im Trend liegt. So scheint mir das zumindest in vielen Neubaugebieten gehandhabt zu werden, so Gartenperlen wie die von cydora sieht man ja eher selten....
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