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Hybridsterilität (Gelesen 1687 mal)

Die Lehre von den Pflanzen - Übersetzungen aus dem Fachchinesischen, Diskussionen um Definitionen, Alltagsphänomene wissenschaftlich erklärt
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troll13
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Hybridsterilität

troll13 »

Ich ärgere mich gerade, dass ich im Biologieuntericht vor vielen Jahren offenbar geschlafen habe...

Kann es sein, dass eine Hybride zwischen relativ weit entfernten Arten derselben Gattung, die allgemein als steril angesehen wird, trotzdem fertile Pollen entwickelt und so Pflanzen einer der Elternarten bestäuben kann?
Im konkreten Fall geht es um Aconitum x cammarum, einer Hybride aus A. napellus und A. variegatum. Die Sorte #Bicolor' wird allgemein als steril beschrieben und ''Franz Marc' hier im Garten. Letztere entwickelt zwar Fruchtstände, die jedoch in der Regel in der Entwicklung stehen bleiben oder aber in Ausnahmefällen weiter wachsen aber keinen Samen enthalten.
Nun liest man bei einigen Eisenhutsorten, die nach dem II. Weltkrieg entstanden sind, es seien Hybriden die aus einer Kreuzung mit 'Bicolor' oder allgemein A. x cammarum mit A. napellus bzw. ein er anderen Art.
Genannt werden hier u. a.die Züchtungen von Allan Bloom 'Bressingham Spire' und Blue 'Sceptre' ('Bicolor' x 'Newry Blue') oder 'Pink Sensation' (A x cammarum x A . caemichaelii). Ist mein Gedanke abwegig, dass dies nur möglich ist, wenn die die Hybride A x cammarum der "männliche Elter" ist?
Gibt es hier auch Beispiele aus anderen Pflanzengattungen?
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sempervirens
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Re: Hybridsterilität

sempervirens » Antwort #1 am:

Interessante Frage die ich mir auch bereits gestellt habe !

Ich würde sagen ja, also das sterile Sorten zwar keinen Samen ausbilden, aber im Zweifel fertilen Pollen produzieren die einen der Hybridpartner oder andere verwandte Arten bestäuben könnten. Nun ist es aber auch so, dass manche Sorten gerade bei Aconitum andere Blühzeitfenster haben, sodass es vllt oftmals nicht so ins Gewicht fällt nicht so häufig passiert.

Also wenn ich demnächst babyblaue Nepetas habe dann bildet die Sorte Triumphator eventuell fertilen Pollen, denn ich habe nur BlueCloud und Triumpbhator und Blue Cloud soll ja recht sortenecht fallen
troll13
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Re: Hybridsterilität

troll13 » Antwort #2 am:

Danke für deine Antwort, sempervirens.
Sie hilft mir jedoch nur bedingt weiter, weil es sich bei den Calamintha um Vertreter derselben Art handelt.
Blütezeitüberschneidungern von Aconitum napellus und A. variegatum sollten nicht das Problem sein. Hier geht es jedoch um Hybriden zwischen einer diploiden Art (A. variegatum) und einer triploiden Art (A. napellus). Spontanhybriden an Standorten, wo beide Arten vorkommen sind botanisch anerkannt. Sie werden Aconitum x schneebergense genannt, müssen jedoch aber sehr selten sein. Über "Misch- bzw Übergangsformen" in den Beständen der Elternarten konnte ich jedoch nichts finden. Die müsste es ja eigentlich geben, wenn die Hybride eine der Elternarten bestäubt.
A. x cammarum ist als Gartenhybride botanisch zwar auch anerkannt. Hier können die urprünglichen Eltern jedoch offenbar nicht eindeutig bestimmt werden. Deshalb werden botanisch sie in der Taxonomie getrennt von der Naturhybride behandelt. Sie sollen sich jedoch morphologisch nur in Details von der Naturhybride unterscheiden und auch die Abstammung von A. variegatum und A. napellus wird hier angenommen.

Meine Frage nach möglichen Rückkreuzungen eines A. x cammarum mit einem A. napellus hat übrigens nicht nur einen theoretischen Hintergrund. Ich habe hier im Garten ein Exemplar dessen Herkunft ich nicht mehr nachvollziehen kann. Es hat das fein geteilte Laub eines A. napellus aber Blüten mit außergewöhnlich hoher Helmform und weißlich blauer Blütenfarbe. Die Blütenstände sind für einen A. napellus ungewöhnlich locker mit fast waagerechten Seitenverzweigungen. Eben fast ein A. variegatum mit den Blättern eines A. napellus.

Links A. Franz Marc, rechts das Kuckucksei...
Dateianhänge
Vergleich Franz Marc Aconitum Kuckucksei.JPG
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RJKoch
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Re: Hybridsterilität

RJKoch » Antwort #3 am:

Ich kenne mich mit Aconitum wirklich nicht aus und musste erstmal in Wikipedia nachlesen. Bei Deinen Angaben war mir aufgefallen, dass Napellus als Art triploid sein soll. Das kann eigentlich nicht sein; ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass eine triploide Art Samen ansetzen kann außer durch Apomixie. Wikipedia gibt Tetraploidie an. Dann ist es plausibel, dass in der Kreuzung diploider und tetraploider Arten triploide Hybriden entstehen.

Und nun zu Aconitum napellus. Ich habe eine Dissertation von einem Dr. Seitz aus 1969 in Feddes Repertorium gefunden: er fasst zusammen:
Abstract

1 Die europäischen Sippen der A. napellus-Gruppe werden in der vorliegenden Studie morphologisch (ca. 4000 Herbarpflanzen) sowie zytologisch (34 Populationen) untersucht.
2 Außerordentlich hohe Variabilität und Merkmalsarmut erschweren eine natürliche Gliederung der Gruppe.
3 Von 29 Arten, die in der letzten Gesamtbearbeitung für Europa durch Gayer und andere Autoren bis 1939 aufgestellt wurden, konnten nur 3 als Art aufrecht erhalten werden.
4 Die Hauptart A. napellus wird in 9 Subspezies unterteilt, die z. T. sehr eng miteinander verwandt sind und sich nicht immer deutlich abgrenzen lassen.
5 Die Unterarten bastardieren an den sich überlappenden Arealrändern, häufig treten auch Introgressionen auf. Künstlich hergestellte Bastarde zwischen den Unterarten sind in der F1-Generation voll fertil.
6 Es werden die Chromosomenzahlen von 8 Sippen der A. napellus-Gruppe (und 3 der A. variegatum-Gruppe) erstmals festgestellt: alle Vertreter der A. napellus-Gruppe sind einheitlich tetraploid, nur die endemische Art der Julischen Alpen, A. angustifolium, besitzt eine hexaploide Chromosomenzahl. Die A. variegatum-Gruppe verharrt konstant auf der diploiden Stufe.
7 Zwischen Ploidiestufe und Pollengröße besteht auch bei Aconitum eine gewisse Korrelation.
8 A. angustifolium wird als allopolyploider Bastard zwischen A. variegatum s. lat. und A. napellus ssp. tauricum gedeutet und in einer eigenen Subsektion abgetrennt.
9 Als ursprünglichste Sippen der A. napellus-Diachore in Europa werden die südliche Reliktart A. divergens und die östliche Unterart aus der Tatra, ssp. skerisorae, angenommen.
10 Es wird versucht, die Nomenklatur auf einen dem Code von 1961 entsprechenden, legitimen Stand zu bringen.

A. x cammarum müsste immer triploid sein und deshalb immer eine sehr geringe Fertilität besitzen. "Sehr gering" heißt nicht "keine". Triploide Tigerlilien lassen sich mit tetraploiden Hybriden kreuzen und es gibt einen gewissen Samenansatz. In der Nachkommenschaft finden sich triploide, teraploide und aneuploide Sämlinge. Außerdem: bei der hohen Variabilität innerhalb der Art wäre ich mir nicht sicher, ob das Kuckucksei nicht doch einfach ein A. napellus sein könnte.
troll13
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Re: Hybridsterilität

troll13 » Antwort #4 am:

Danke,
zunächst dafür, dass sich überhaupt noch jemand sich dieser zugegebenermaßen recht theoretischen Fragestellungen annimmt...
und zweitens, dass du meinen Bock mit der Ploidie berichtigt hast.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist es in der Lilienzüchtung möglich, triploide Hybriden mit einem Vertreter einer tetraploiden Elternart "rückzukreuzen", weil sie eben nicht völlig steril sind. Also kann man es bei Eisenhüten auch nicht völlig ausschließen.
Obwohl sowohl in der gärtnerischen (u.a. "Unsere Freiland-Schmuckstauden" in der 3. u. 5. Auflage) als auch in der botanischen Literatur (Starmüller 2001, Rottensteiner 2022) betont wird, dass Aconitum x cammarum steril ist, schreibt Graham Rice in der "RHS Enceclopedia of Perennials" zu den Eisenhutsorten 'Blue Sceptre' und 'Bressingham Spire' es seien Hybriden von "A. 'Newry Blue' and A. x cammarum 'Bicolor', raised by Alan Bloom".
Hermann Müssel, der beide Sorten in einer Sichtung von Eisenhüten in Weihenstephan Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre hatte ordnet sie hingegen unter A. napellus ein, was dann ja auch zu 3/4 stimmen könnte, wenn 'Bicolor' tatsächlich einer der Eltern ist' und mit dem A. napellus 'Newry Blue' gekreuzt wurde. 'Blue Sceptre' blüht auch weißblau, was dazu passen könnte und diese Zweifarbigkeit scheint sonst bei reinen A. napellus nicht vorzukommen.
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