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"Alte" Sorten auf schwachen Füßen (Gelesen 44305 mal)

Obstgehölze, Beerensträucher und Wein (Veredlungen, Unterlagen, Schnitte und Selektionen) sowie Staudenobst (Erdbeeren)

Moderator: cydorian

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b-hoernchen
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

b-hoernchen » Antwort #120 am:

Danke für die Namen der infrage kommenden Obstanbaubetriebe, cydorian! Eventuell werde ich tatsächlich noch bei denen nachfragen.

Heute konnte ich dann doch mit dem Obstanbauberater sprechen und er hat mir folgendes verraten:

Tatsächlich stehen die Boskoop in kommerziellen Plantagen auf M9. Allerdings ist der Anbau von Boskoop rückläufig und er "rät" auch nicht zu Boskoop bzw. nur unter Vorbehalt. Schuld daran seien neben der nachlassenden Nachfrage aus dem Einzelhandel eben auch verschiedene Eigenheiten der Sorte im Anbau. So ist das Problem mit den physiologischen Störungen auf M9 durchaus bekannt und ein Weg diese zu vermeiden sei es den Fruchtbehang möglichst groß (!) zu halten.
Also: Viele Früchte -> gutes Obst; wenig Behang -> zu große, stippige Früchte, welche aus dem Kernhaus heraus faulen. Große Kaliber (>90mm) würden deshalb gar nicht erst ins Kühllager genommen sondern gleich verwertet.

Nun ist Boskoop eine Sorte, die von sich aus stark zur Alternanz neigt und deshalb falle immer wieder mal eine Ernte an, welche hauptsächlich Obst für die Saftpresse liefert.

Um den Ertrag hoch zu halten, sei es notwendig das Triebwachstum des Baums möglichst zu bremsen, die Äste runterzubinden, waagrecht oder sogar absteigend und um Gottes Willen Vorsicht mit einer Stickstoffdüngung walten zu lassen. (Ebenso Vorsicht bei Kali, das die Neigung zu Stippe verstärkt), lieber den Baum etwas "hungern" lassen; stattdessen Blattdüngung mit Calciumchlorid

Soweit die die Ausführungen des Beraters zum Boskoopanbau auf M9.

Nun düngt b-hoernchen seinen Boskoop ganz gewiss nicht künstlich mit Stickstoff, schließlich legt das Ding im fetten Tonboden immer noch ein beachtliches Wachstum hin und so richtig "beruhigen" konnte ich den Baum noch nicht, obwohl ich auch Äste runterbinde. Vielleicht sollte ich auch nicht die Baumscheibe mit Rasenschnitt mulchen - ist ja auch irgendwie ein Stickstoffdünger; enentuell doch lieber Sägespäne?

Bezüglich der frühen Reife konnte der Berater auch nur mutmaßen, ob es an dem besonderen Typ läge, den ich geliefert bekommen hätte (was aber nicht die Reifeverfrühung bei anderen alten Sorten wie Gravensteiner, Seestermüher Zitronenapfel und Brettacher auf M9 in meinem Garten erklärt...). Im Bodenseeraum würden die Boskoop Mitte September geerntet.
Die Haltbarkeit der Äpfel stehe übrigens mit der Temperatur zur Erntezeit in Zusammenhang - kalt geerntete Äpfel seien deutlich besser lagerbar als bei heißem Wetter geerntete.

Noch zu den angebauten Klonen: Der Berater meinte, die Äpfel aus dem Einzelhandel seien wohl der Typ "Schmitz-Hübsch", also auch eine rote Variante (obwohl mir die Äpfel aus dem Supermarkt gar nicht so sehr rot vorkamen, da sind die von meinem Baum röter).
Weitere, neuere für den Anbau auf M9 empfohlene Varianten seien "Quast", "Bielaar" und "Welbo" - alle diese gehörten zu den vom Handel bevorzugten roten Typ.
****
Wenn das mit meinem Baum nicht besser wird, möchte ich ihn raushauen.
An den freiwerdenden Platz des Boskoops will ich dann eine alte französische Sorte pflanzen, wie z. B. den Pomme de'l Estre z. B. auf M26. Der ist knackig, saftig, gut lagerbar und von bemerkenswerter Blattgesundheit!

Weh tut es mir höchstens wegen der einzigartigen Säuerlichkeit des Boskoops.
Aber vielleicht kann ich irgendwoher ein Reis von einem wirklich guten gelben bis grünen Klon des Boskoops bekommen, den ich auf einen schwächerwüchsigen Mehrsortenbaum draufveredle. Wenn einer von euch was entsprechendes hat, darf er sich gerne bei mir melden... .

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Rib-2BW
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

Rib-2BW » Antwort #121 am:

Dieses PDF beschäftigt sich eigentlich mit der Geschichte der Unterlagen. Auf Seite 9 kann man eine Boskoop-Plantagen-Ernte von Buschbäumen im Jahr 1909 sehen. Seite 7 zeigt Boskoope auf M8 und M9 aus vor 1914.

Hilft zwar nicht weiter, aber schneibar haben die das mit dem Boskoop früh raus. Sorry

http://obstbau-museum-rheinland.de/historie_data/dokument/doc010.pdf

U.U. kann ich Reiser vom Nachbarn bekommen. Älterer, schorfiger Klon.
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cydorian
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

cydorian » Antwort #122 am:

b hat geschrieben: 7. Jun 2019, 23:06
Soweit die die Ausführungen des Beraters zum Boskoopanbau auf M9.


Fachkundig, aber vorsicht, er spricht vom Bodenseeraum. Der Klon Schmitz-Hübsch hat sich übrigens nicht nur wegen seiner Farbe durchgesetzt, sondern vor allem wegen seinem irren Ertragsniveau. Und der Rückgang ist auch dem Bedürfnis nach guter Wasserführung geschuldet, was selbst im Bodenseeraum zum Problem geworden ist. Bewässerung geht, aber kostet Geld, schon die Hagelschutznetze waren ein Schluck aus der Pulle. Bei uns ist er deshalb nie richtig im kommerziellen Anbau gewesen und wenn, dann auf M27 (dann natürlich Bewässerung) auf Zuckerrübenboden. M27 vermindert bei Boskoop übrigens auch den Anteil übergrosser Früchte. Wenn man Langtriebe vermeiden kann (Sommerschnitt, Wachstumsregulatoren), ist sie im kommerziellen Anbau gut in den Griff zu bekommen.

Den Versuch auf M27 hatte ich dir ja schon früher empfohlen, das zu testen lohnt sich immer noch, meine ich. Den wird man auch fertig kaufen können. Problem ist nur, einen der viel besseren alten Klone auf M27 zu bekommen. Das sieht nach Selbstveredelung aus, kostet mehr Zeit. Andererseits, dein Reinette de Brive - Projekt ist auch nett :-)

Bis letztes Jahr hätte ich Reiser einer alten, grünen Mutante gehabt. Der Baum ist letzt leider tot, Pilzbefall, absterbende Leitäste, im Frühjahr stürzte er um. Meine lebenden Bosköppe sind vom roten, glatteren Typ - lohnt sich nicht.
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

mybee » Antwort #123 am:

Im ORG Bonn gibt es noch den alten 'Schöner aus Boskoop' (grün). Falls Bedarf besteht, könnte ich im Winter Reiser mitbestellen.
b-hoernchen
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

b-hoernchen » Antwort #124 am:

Klingt interessant mybee! Dann sollten wir uns im Herbst/Winter nochmal nochmal hier verabreden. Oder hast du schon ungefähr eine Idee, was die Reiser kosten?
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mybee

Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

mybee » Antwort #125 am:

Für 1 Edelreis habe ich letztes Mal ca. 3,20 € bezahlt. Aber gerne im Tausch für Reiser des Pomme de l'Estre, auch irgenwann später. Der soll ja in F heute eine der bevorzugten Sorten der "amateurs de pomme" sein.

::) Die Sorte hat auch das drollige Synonym "Reinette a cul noir". ;D ;D
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cydorian
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

cydorian » Antwort #126 am:

Hier hat ihn jemand im Forum: https://forum.garten-pur.de/index.php/topic,55866.msg2494571.html#msg2494571
mybee

Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

mybee » Antwort #127 am:

Danke für den Hinweis, cydorian!

Mit der Unterlage M27 hatte ich in den 80ern etwas experimentiert: schwache Wurzeln = Topfobst oder kleine Bäume für den Garten, aber auch als Nebeneffekt entdeckt: starke Wurzeln = Obst auf eigenen Wurzeln, indem ich die Veredelung tiefer gesetzt und den Bast nicht durchgeschnitten habe, so daß die Unterlage M27 eingeschnürt wurde und abgestorben ist. Der Baum hat dann eigene Wurzeln gezogen. Das ist jetzt aber OT.

Boskoop habe ich einen ca. vierzigjährigen Baum, Halbstamm auf M25. Der trägt raue, berostete Äpfel, manchmal sonnenseits mit leicht roten Bäckchen. Er alterniert allerdings stark.
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

Wurmkönig » Antwort #128 am:

b hat geschrieben: 8. Jun 2019, 21:30
Klingt interessant mybee! Dann sollten wir uns im Herbst/Winter nochmal nochmal hier verabreden. Oder hast du schon ungefähr eine Idee, was die Reiser kosten?

Du kannst auch gerne von der Plantage von einem Freund (unweit Tettnang) Boskoop-Reisser haben. Der hat eine Boskoop-Plantage, aber versaftet alles. Ist aber eine berostete grüne Variante, aber mir schmeckt sie sehr gut.
b-hoernchen
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

b-hoernchen » Antwort #129 am:

Habe heute den ersten Seestermüher Zitronenapfel geerntet von einem Baum auf M26;

Geerntet ist eigentlich das falsche Wort, er lag heute einfach unten am Baum.

Reingebissen - und er ist fast schon reif, mindestens so reif, wie die Granny Smith aus dem Supermarkt; die Kerne waren schon am Umfärben von weiß nach dunkel.

Geschmack also gut, trotzdem irgendwie eine Enttäuschung, hatte ich doch meine Hoffnung auf die Unterlage M26 gesetzt, dass sie dem Apfel eine "normale" (literaturkonforme) Reifezeit verleihen würde.

Auf M9 habe ich den Seestermüher regelmäßig gegen Ende August/Anfang September geerntet - also ein Spätsommerapfel

In der Literatur (Wikipedia, Baumschulenkatalogbeschreibungen von Ritthaler, Horstmann...) wird die Erntezeit der Sorte mit Oktober und eine Haltbarkeit bis Janauar angegeben.

Jetzt also wieder - der Seestermüher als Sommerapfel (allenfalls ein Frühherbstapfel) auf M26.

Meine Frage: Hat irgendjemand schon einmal den Seestermüher zum in der Literatur angegebenen Zeitpunkt ernten können?
Stimmt die Literaur nicht oder braucht die Sorte die moderaten Temeperaturen von der "Waterkant", um ein Winterapfel zu sein?



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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

thuja thujon » Antwort #130 am:

Die Aussage der Pomologen hier ist je nach Zeitalter der Literatur kann man mit gutem Gewissen 2-4 Wochen abziehen, also jetzt früher als damals, in manchen Jahren bestimmt auch 6 Wochen.
Das gilt aber für Stressklima im Oberrheingraben.
Hier tropfen jedenfalls gerade auch einige Äpfel, fast unabhängig von der Sorte und Unterlage/Wüchsigkeit vom Baum. Obs die Nachwehen der Hitze vor 2 Wochen ist oder doch der Regen mit überviel Wasser für auf Trockenheit eingestellte Bäume, es bleibt Spekulation.
Süße ist jedenfalls da, ich hoffe auf eine halbwegs kühle Periode die nächsten Wochen, das würde dem Aroma nur gut tun.

Sorten wie Gravensteiner versuche ich hier im Stressklima erst garnicht. Solche Gedankengänge muss man mit jedem Extremjahr immer mehr akzeptieren.
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

b-hoernchen » Antwort #131 am:

thuja hat geschrieben: 13. Aug 2019, 23:26
Die Aussage der Pomologen hier ist je nach Zeitalter der Literatur kann man mit gutem Gewissen 2-4 Wochen abziehen, also jetzt früher als damals, in manchen Jahren bestimmt auch 6 Wochen.

Das müsste dann aber für alle (alten) Sorten im Garten gelten. Und der Seestermüher reift bei mir nach Piros (5. - 15. August) und vor Alkmene (in halbwegs normalen Jahren um den 10.September) - also zwischen den Sommer- und Herbstäpfeln.

Ein Winterapfel ist der also niemals!
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

thuja thujon » Antwort #132 am:

Das `hier´ meinte ich für den Raum Mannheim bzw Linksrheinisch davon gültig.

Zum Seestermüher Zitronenapfel kann ich nichts beitragen, aber die Kernfarbe bei Äpfeln ist kein Kriterium um die Reife zu beurteilen.
Manche Sorten scheinen wohl empfindlich auf Hitze zu reagieren und lassen dann später auch mal Früchte fallen. Zudem das plötzliche Wasserangebot auf den Hitzestress, das ist physiologische Achterbahn womit die Bäume erstmal klarkommen müssen.
Hier tropft jedenfalls aktuell auch recht viel quer durch die Sorten und Unterlagen vom Baum, und weil es dieses Jahr eher wieder hauptsächlich ungewöhnlich süße Äpfel gibt, würde ich wegen dem einen runtergefallenen Apfel nicht gleich den Versuch mit M26 in Frage stellen.
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Waldgärtner
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

Waldgärtner » Antwort #133 am:

Zum Vergleich: Hier (Rheinland) wirft auch Berlepsch auf Sämling massenhaft Früchte ab, die durchaus essbar sind und bereits das typische Aroma aufweisen.
Sonst (in "normalen" Jahren) haben sie diesen Zustand geschätzt frühestens in vier Wochen.
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Re: "Alte" Sorten auf schwachen Füßen

floXIII » Antwort #134 am:

Ich möchte hier auch eine alte Sorte beschreiben, die auf schwachwachsender Unterlage scheinbar viel zu früh reift.
Es handelt sich um die französische Goldrenette. Die Reiser habe ich von einem netten Forumsmitglied vor 2 oder 3 Jahren erhalten. An einem Mehrsortenbaum gab es dieses Jahr die ersten zwei Äpfel. Die genaue Unterlage ist nicht bekannt, es dürfte M9 oder leicht stärkerwachsend sein. Die Grundsorte ist eine Frühapfelsorte, da der Baum schon über 25 Jahre alt ist, kenne ich die genaue Sorte leider nicht.
Laut Literatur liegt die Reifezeit hauptsächlich im Oktober. Da ich hier in Südtirol ein deutlich wärmeres Klima vorfinde, ging ich deshalb von einer Reifezeit etwa Mitte September aus und ich habe den zwei Äpfeln deshalb noch nicht viel Beachtung geschenkt. Diese Woche fiel dann bereits einer der zwei Äpfel vom Baum. Bereits überreif und mehlig. Den zweiten Apfel der etwas schattiger hing, habe ich dann auch gleich vom Baum genommen. Diesen werde ich wohl heute noch verkosten. Geschmacklich kann ich mich nicht beklagen. Eine sehr feine Säure, gutes Aroma und nicht übermäßig viel Zucker wie in modernen Züchtungen. Ein sehr guter und ausgewogener Geschmack.
Die Sortenechtheit sollte eigentlich aus so passen. Ein Pomologe hat diese bei der Reiserspenderin so bestätigt (sofern ich micht noch richtig erinnere). Die Fruchtbeschreibung passt, soweit ich das beurteilen kann, auch zur Goldrenette.


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