Umgeben von einer Menschentraube, standen Ti und ich, beide gleichermaßen nervös, nun auf der Straße zwischen den Reithallen. Wo kamen all’ die Leute nur auf einmal her?
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„Bißchen klein“, monierte Herr Raab alias Hauptmann von Tarahausen, „die Kavallerie hätt’ den nicht genommen. Und die Hinterhand! Da müssen sie aber noch ganz schön was tun.“ Das weiß ich, Hauptmann. Schnauze, Fury.
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„Ganz schön kuhhessig.“ Hier stichelte die göttliche Yvonne; du mich auch. Man eben nur angedeutet kuhhessig, du blöde Kuh, er steht völlig korrekt, schönere Beine als deine allemal!
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„Was ist denn das für ein komischer Sattel? Ein Westernsattel, nicht?“ Der erste von hundert vergeblichen Versuchen, einem Tarahausener den riesigen Unterschied zwischen Western- und Trekkingsattel klarzumachen (eigentlich ein kaum modifizierter Nachbau des
McClellan-Armeesattels, aber so weit kam ich gar nicht).
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„Du willst doch in Tarahausen wohl nicht mit Hackamore rumfallen?!!“ Das wurde fassungslos gesagt, mit drohendem Unterton. Doch, ja, und warum nicht, in Dreiteufelsnamen?
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Wie anders war es in Frankreich gewesen! Konnte sich hier niemand einfach mit mir freuen? Und das Pferd konnte ja wohl nichts dazu!
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Doch Rettung nahte: Anne hatte den Auftrieb mitbekommen und eilte die Treppe vom Reiterstübchen herab, und zwar mit Weintrauben: Sie hatte gerade nichts anderes dagehabt. „Hat der ein süßes Gesicht!“
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Ich strahlte. Mein Pferd hatte ein süßes Gesicht! Das war mir bisher gar nicht richtig aufgefallen. Tignous strahlte auch: Weintrauben kannte er noch nicht – so weit war selbst ich nicht gegangen -, aber sie verwiesen ab sofort Birnen auf den zweiten Platz. Sonnenklar: Man mußte sich immer an die Frauen halten!
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Trudi und Viktor Lammert, der beste Pferdepfleger aller Zeiten – und das sagte wirklich jeder (genauer: „Lämmchen säuft für zehn Domherren, aber noch sturzbesoffen ist er der beste Pferdepfleger aller Zeiten“, so sagte das jeder) -, murmelten: Der Schweif. Mähne ist ja ganz anständig. Aber die Kötenzöpfe müssen natürlich weg.
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„Ihr spinnt wohl!“ Ich schrie, als hätten die beiden die Schere schon in der Hand. „Daß Ihr Euch untersteht, an meinem Pferd rumzuschnippeln!“ Ich traute beiden die Eigenmächtigkeit durchaus zu. „Der soll auf die Koppel, der braucht jedes Haar, das ihm wächst!“
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Lämmchen umkreiste den Neuen noch einmal. Setzte zum Sprechen an. Kunstpause. Alles verstummte. Atemlos wartete ich auf
Das Urteil.
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„In Ordnung, der Zosse“, quetschte Viktor durch die Zahnlücke. Man sah ihn fast etwas erstaunt an. Ich hätte ihn knutschen können. Ich knutschte ihn.
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„Ein kleiner Franzose“, strahlte Gertrud hinfort alle Wißbegierigen an, „ein ganz süßer!“ Das Wort „Berber“ kam ihr nicht über die Lippen. Ti war einige Tage lang Hauptgesprächsthema in Heustadel und Reiterstübchen. Es wurde gelästert, und teils boshaft gelästert.
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Aber mit Trudi und Lämmchen und Anne im Rücken war vielleicht die Bataille noch nicht gewonnen, doch die erste Bresche definitiv geschlagen.