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Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 19:34
von nicoffset
Ästhetik ist kein objektives, losgelöstes Ding an sich, sondern geprägt durch - neben urmenschlichen Bedürfnissen - das Milieu, in dem man sich bewegt. Versteh mich richtig. Mir kräuseln sich oft auch die Nackenhaare und Zehennägel. Trotzdem versuch ich nachzuvollziehen. Normative Ansprüche auf welche Seite auch immer, zeigen höchstens, dass wir nur unsere Sicht der Dinge als richtig erachten.Wie z.B. "Ein Garten ist nur dann einer, wenn er einen Komposthaufen aufweist". Oder "das Gewächshaus unterscheidet den Gärtner vom Gartenbesitzer" (ein Zitat meines absoluten Lieblingsgärtners. Leider. Ich meine jetzt das zweite!).
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 19:47
von Treasure-Jo
Ästhetik ist kein objektives, losgelöstes Ding an sich, sondern geprägt durch - neben urmenschlichen Bedürfnissen - das Milieu, in dem man sich bewegt.
..das sehe ich genauso, Ästhetik lässt sich nicht wie eine physikalische Formel definieren, dennoch gibt es in vielen Kulturen nicht wenige Übereinstimmungen (selbstverständlich auch Unterschiede) in dem, was Menschen als "ästhetisch" beschreiben. Interessanterweise gibt es kaum eine natürlich entstandne Pflanzenkombination, sei es in einem Wald, auf einer Wiese, die wir als "unschön" bezeichnen würden. Offenbar hat die Natur unser ästhetisches Empfinden geprägt, das wir Natur fast immer als harmonisch empfinden. Diese mögliche Ur-Ästhetik ist die, von der ich gesprochen hatte.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 19:49
von bristlecone
In vielen Gärten stören Pflanzen, weil Blätter haben, sprich weil sie Dreck und weil sie Arbeit machen.
Phyllophobie.

Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 19:53
von raiSCH
Da möchte ich aber schon darauf hinweisen, dass das eine Sicht ist, die so relativ allgemein erst seit ca. 1800, speziell seit der Romantik gilt; vorher galt "wilde" Natur als hässlich, und nur menschlich gestaltete als schön - siehe die Parks des Barocks mit ihren Schnörkelornamenten, Buchsfiguren und Wasserspielen.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 19:54
von nicoffset
@ Treasure-Jo. Deine Überlegungen gefallen mir sehr. Du hast sicherlich recht mit diesem "Urinstinkt", der eben durch die Natur geprägt wurde. Gerade dieser drückt vermutlich durch, wenn Herr und Frau Ehepaar "Ungärtneri" sich für einen Rasen statt Betonplatten entscheiden. Und weil Wald so heimelig, gleich noch eine Thujenhecke.Irgendwie müssten wir uns doch über jeden einzelnen freuen, der nicht alles zubetonieren und -steinen will ... Andere Überlegung: Ist Garten nicht eigentlich das, was man als "Zähmung der Natur" bezeichnen könnte? Im Sinne von "mach dir die Pflanzen und Tiere untertan"? Scheint mir auch so ein Urinstinkt des Menschen.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:02
von Treasure-Jo
Da möchte ich aber schon darauf hinweisen, dass das eine Sicht ist, die so relativ allgemein erst seit ca. 1800, speziell seit der Romantik gilt; vorher galt "wilde" Natur als hässlich, und nur menschlich gestaltete als schön - siehe die Parks des Barocks mit ihren Schnörkelornamenten, Buchsfiguren und Wasserspielen.
...da wiederspreche ich energisch. Auf keinen Fall lässt sich das generalisieren. Wilde Natur galt keineswegs als hässlich. Davon zeugen viele Gemälde, Gedichte, Naturbeschreibungen im Mittelalter und lange davor. Sicher hat man sich vor der Natur teilweise gefürchtet, vor den Unbillen der Natur, vor wilden Tieren, vor dem, was einem in einem dunklen Wald widerfahren konnte. Ich stimme Dir zu, dass die Natur im Barock als nicht perfekt oder "wild" galt. Erst der Mensch machte die Natur mit geometrischen Muster vollkommen und zähmte sie.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:07
von raiSCH
Die literarischen oder bildnerischen Naturdarstellungen des Mittelalters und auch der Antike zeigten hauptsächlich ein Idealbild der Natur, nämlich die Idylle mit festen Elementen (Hain, Bach, Schafe usw.) oder eine chaotisch-wilde, feindliche Natur; "realistische" Darstellungen gab es kaum.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:09
von Treasure-Jo
@ Treasure-Jo. Deine Überlegungen gefallen mir sehr. Andere Überlegung: Ist Garten nicht eigentlich das, was man als "Zähmung der Natur" bezeichnen könnte? Im Sinne von "mach dir die Pflanzen und Tiere untertan"? Scheint mir auch so ein Urinstinkt des Menschen.
...sehe ich auch so. Ein Garten ist zumindest manipulierte (manipulieren: was wörtlich nichts anderes als "handhaben" bedeutet) Natur. Ich sehe das erstmal ganz wertfrei, pragmatisch: Ein Eingriff in die Umwelt, in die Natur, zunächst mit der einfachen Absicht, nicht den Zufällen der Natur ausgeliefert zu sein, um an Nahrung zu kommen, sondern um gezielt das Nahrungsangebot zu optimieren. Ich weiß nicht, wann ein Mensch zum erstenmal das Gefühl hatte, die Natur zu zähmen. Vielleicht tatsächlich der erste Mensch, der einen Garten anlegte?
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:11
von Treasure-Jo
Die literarischen oder bildnerischen Naturdarstellungen des Mittelalters und auch der Antike zeigten hauptsächlich ein Idealbild der Natur, nämlich die Idylle mit festen Elementen (Hain, Bach, Schafe usw.) oder eine chaotisch-wilde, feindliche Natur; "realistische" Darstellungen gab es kaum.
...mag sein, ich denke aber, die Natur wurde per se nicht als hässlich dargestellt, ob wild oder idealisiert.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:13
von raiSCH
Sicher ist es so - einen Garten ohne den Menschen gibt es nicht, und die Natur ist eben kein Garten , ebenso wie ein Garten niemals Natur sein kann, auch wenn er sie noch so nachahmt.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:14
von Treasure-Jo
...gerade die Christen mußten doch schon immer von der Schönheit der Natur überzeugt gewesen sein, da sie doch von Gott geschaffen wurde!
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:15
von Treasure-Jo
Sicher ist es so - einen Garten ohne den Menschen gibt es nicht, und die Natur ist eben kein Garten , ebenso wie ein Garten niemals Natur sein kann, auch wenn er sie noch so nachahmt.
That's it! Exactly.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:15
von nicoffset
Gerade in den Idyllen-Bildern wurde doch nicht-manipulierte/gezähmte Natur gezeigt. Auch denke ich an die idealisierten Alpen-Vorstellungen des 18. Jahrhunderts. Je "wilder" desto idyllischer. Neben Alexander Popes Vorstellungen einer gezähmten Natur, bzw. eines künstlich angelegten Gartens.
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:16
von raiSCH
ich denke aber, die Natur wurde per se nicht als hässlich dargestellt, ob wild oder idealisiert.
Doch - z. B. Felsenberge , Urwald oder stürmische Meere (aber das führt uns vom Garten weg)
Re:Was ist ein Garten?
Verfasst: 17. Mär 2010, 20:18
von nicoffset
Ebendiese, Raisch, wurden im Geiste eines Rousseaus als idyllisch hingestellt.