Nox hat geschrieben: ↑17. Jul 2025, 11:35
Nach dem, was sempervirens zu Hummeln geschrieben hat, und was auch für andere nektarsuchende Insekten gilt, denke ich, dass man etwas mehr Tolerenz gegenüber gebietsfremden Arten (wie Sommerflieder) zeigen sollte, die gerade solche blütenarmen Zeiten überbrücken. Dazu habe ich auch schon wissenschaftliche Untersuchungen aus England gelesen, leider gerade ohne Link.
Der Sommerflieder (Buddleja davidii) ist sicherlich nicht unumstritten, aber die Dämonisierung, die er erfahren hat, ist oft übertrieben. Behauptungen, er würde Tiere "süchtig machen" oder sie würden "verhungern, weil er gar keinen Nektar abgibt," sind schlichtweg falsch. Dies ist absurd, zumal es heimische Pflanzen wie manche Orchideen (bspw Orchis und Anacamptis Arten) gibt, die Bestäubern Nahrung vortäuschen, ohne Nektar oder relevante Pollenmengen (über die reine Bestäbung selbst) zu bieten.
In bestimmten, empfindlichen Biotopen kann der Sommerflieder zweifellos problematisch sein. Daher wäre die Entwicklung und Verwendung steriler Sorten erstrebenswert. Ich sehe jedoch wenige Gründe, den Sommerflieder per se komplett aus jedem Garten zu verbannen.
Gartenkulturell kann er eine Bereicherung darstellen und ein paar Generalisten freuen sich. Aber es gibt sicherlich andere Hochsommerblüher die ökologisch betrachtet relevanter sind. Aber im Garten muss man ja nicht alles nach Ökologie ausrichten. Und man man könnte sicherlich auch andere gebietsfremde Arten setzen, gerade aus südlicheren, westlicheren oder östlicheren Gebieten Europas.
Was Wildbienen im Hochsommer angeht sollen auch einige Wildbienen an Vitex Agnus-Castus zu sehen sein, laut nordischer Garten ( Markus Burkhardt) 29 Stück, fraglich ob diese den Vitex nur zur Nektaraufnahme besuchen oder auch Pollen für ihre Brut besorgen. Hier gäbe es Forschungsbedarf, der durch Projekte wie jenes an dem sich Staudo beteilgt, unterstützt werden könnte.
Daher stimme grundsätzlich zu das man eine Toleranz gegenüber fremdländischen Arten haben sollte.
@cydorian Ich teile deine Einschätzung des "Bienen-Hypes". Wir sind von einer Welle der uneingeschränkten Begeisterung für Bienen zu einer fast feindseligen Haltung geschwappt – von "Ich will ein eigenes Volk!" zu "Am liebsten würde ich jede Honigbiene töten". Diese extremen Positionen sind nicht nur unsachlich, sondern geradezu gefährlich für die Sache des Naturschutzes.
Jedoch sollte man beachten, dass Schirmarten mehr sind als nur Sympathieträger. Ihre Auswahl basiert auch auf der Tatsache, dass sie besondere und anspruchsvolle Bedürfnisse an ihr Biotop stellen, deren Erfüllung einem ganzen Ökosystem zugutekommt. Und ja, was die von dir so treffend beschriebenen "Abschirmarten" angeht: Es gibt zweifellos Fälle, in denen Einzelne über das Ziel hinausschießen und dem Ansehen des Naturschutzes dadurch leider einen Bärendienst erweisen.
Der Fall des Juchtenkäfers zeigt exemplarisch, dass Naturschutzgesetze grundsätzlich funktionieren können. Sie bieten einen wichtigen Rahmen, der verhindert, dass Bauvorhaben bedenkenlos umgesetzt werden – und das ist auch gut so.
Das Problem liegt jedoch oft in den Lösungsansätzen vor Ort, die nicht immer zielführend sind. Im Fall des Juchtenkäfers hätte es sicherlich einen klugen und schnellen Kompromiss geben können. Dieser hätte den Bau nicht unnötig verzögert und gleichzeitig einen geeigneten Lebensraum für diesen seltenen Käfer geschaffen. Schließlich sind gerade Areale wie Gleistrassen und das Gebiet darum herum oft ungenutzt und könnten potenziell solche Habitate bieten. Das Problem beim Juchtenkäfer ist, er benötigt sehr alte Bäumen mit Mulmhöhlen, die für den Juchtenkäfer geeignet sind (genügend Volumen, richtige Feuchte und Konsistenz des Mulms). Bei Eichen kann das ein Mindestalter von 150 bis 200 Jahren bedeuten.
Die erwachsenen Juchtenkäfer verlassen ihre Geburtsbäume kaum. Die Paarung und Eiablage finden im oder am Brutbaum statt. Die Weibchen legen ihre Eier direkt in den Mulm der Höhlen ab. Der Käfer ist extrem standorttreu und kann sich nur über sehr geringe Distanzen (wenige hundert Meter bis maximal 1-2 km) ausbreiten.
Ähnliche Herausforderungen erleben wir häufig mit seltenen Fledermausarten. Ich halte es für absolut richtig, dass nicht jedes Bauvorhaben einfach durchgedrückt werden kann. Zielführender wäre es aber, schnell Ersatzlebensräume oder andere Maßnahmen zu schaffen, beispielsweise durch die Erweiterung oder Aufwertung bestehender Biotopflächen. Die Schwierigkeit dabei ist natürlich, dass man nicht immer eine Fläche finden oder gestalten kann, die den spezifischen ökologischen Anforderungen der betroffenen Art vollständig gerecht wird.