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Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 29. Jul 2010, 15:33
von Staudo
Interessant, auf eben solchen Flächen wurden hier im letzten Jahr im Zuge von Ausgleichsmaßnahmen umzäunte Strauchpflanzungen angelegt ...
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 29. Jul 2010, 15:46
von knorbs
die gehölze stehen zu 99.99%-iger sicherheit mit versch. mykorhizapilzpartnern in symbiose (ektomykorrhiza). da sind offenbar welche dabei, die epipactis helleborine keimen können. bei meinem epipactis-sämling (der wahrscheinlich ein e. mairei ist), steht er im wurzelbereich eines apfelbaums. auch die wurzeln einer metasequoia kämen als mykorrhizapartner in betracht. an einer anderen stelle (und nur dort) keimen im unmittelbaren wurzelbereich eines daphne tangutica cypripedien (wahrscheinlich reginae, evtl. auch fasciolatum).
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 29. Jul 2010, 16:03
von Hortense
@knorbs: weiter oben erwähnst du das Vorkommen in einer "Häckselmulchfläche".Ähnliches berichtete jemand (der partisanengärtner??) schon einmal im Zusammenhang mit Häckselgut ( ich finde die Stelle nicht wieder...).Die Köstlickeiten, die Wikipedia als Mykorrhiza der Hasel anbietet, sind mir leider nicht aufgefallen. zit: Tuber melanosporum, Tuber aestivum, Tuber brumate; aber auch Amanita rubescens, Boletus edulis und Cenococcum geophilum.Naja, letzteren sieht man wohl auch nicht..., aber der scheint auch nicht sehr speziell (bez. Hasel) zu sein.
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 29. Jul 2010, 17:14
von knorbs
@hortenseeinmal hier: "
stark humoses substrat..."und hier: "
dauerhumus"
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 29. Jul 2010, 20:52
von Phalaina
Im Gegensatz zu vielen anderen Orchideenarten ist
Epipactis helleborine wahrscheinlich nicht sehr wählerisch, was den zur Keimung notwendigen Mykorrhiza-Pilz anbelangt. Hier bei uns wächst sie unter Eschen, Erlen, Wildkirschen, Haselnuss-Sträuchern, Buchen, Ahorn, Birken und sogar Fichten-"Hecken". Ich kannte auch einen Standort inmitten höherer Gräser unter Linden, die zur Alleebildung längs eines zum Radweg ausgebauten Feldrains angepflanzt wurden. Im BoGa Bochum mit seiner artenreichen Baumflora findet man sie eigentlich fast überall, neben den genannten Arten auch unter Eichen, Mammutbäumen und exotischen Gehölzen wie Rhododendren. Mir aufgefallene Extrem-Standorte waren zum Beispiel eine dicht mit
Cotoneaster bewachsene "Verkehrsabstandsfläche", aus dem mitten heraus eine
Epipactis lugte, sowie ein Gebüsch aus Blütensträuchern (
Kolkwitzia oder
Weigela) in einem städtischen "Mini-Park", das regelmäßig als "Not-Klo" missbraucht wurde. Das dort stehende Exemplar war in der Tat wegen der Stickstoff-Toleranz dieser Art besonders kräftig und bestockt.

Die Variationsbreite der Art hängt meist mit dem Nährstoff-, Licht-, Wärme- und Feuchtigkeitsangebot zusammen. An suboptimalen Standorten kann sie aber oft auch durch eine verstärkte Mykorrhiza überleben. Insofern würde ich die Saat breit gestreut auf Flächen unter diversen Gehölzen im Garten ausbringen, die keiner Bodenbearbeitung unterliegen, und dann einfach abwarten.
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 01:51
von Querkopf
Hallo, Phalaina,
Im Gegensatz zu vielen anderen Orchideenarten ist Epipactis helleborine wahrscheinlich nicht sehr wählerisch, was den zur Keimung notwendigen Mykorrhiza-Pilz anbelangt...
das vermute ich auch. E. h. ist vor ca. 10 Jahren erstmals in meinem Garten aufgetaucht, auch an ziemlich schrägen Orten. Aus Unkenntnis habe ich auf die ersten Pflanzen wenig Rücksicht genommen, einige wohl auch gejätet

. Seit ich weiß, was ich da habe, lasse ich sie überall gewähren. In Plattenfugen haben die Pflanzen nicht überlebt. Wohl aber im Maiglöckendschungel:
(Der Maiglöckchendschungel wächst zwischen einer Hasel und einer Birke; die Epipactis ist von beiden Gehölzen ca. 2 m entfernt.) Oder an einer begrünten Hauswand, im Umfeld von Wildem Wein (früher), Rebe und Clematis (jetzt) und Buddleja:

Das Foto oben stammt vom Mai 2007. Die zarte Pflanze, damals nur handhoch, ist mittlerweile zweitriebig, sehr kräftig und ca. 60 cm groß. Der Samenstand, gut 20 cm hoch, sieht aktuell recht vielversprechend aus

:

Gleich daneben hat sich eine Jungpflanze ans Licht gewagt, derzeit noch ein schneckenzerfressener Mickerling. Aber daraus kann ja noch was werden

.

Ansonsten wächst E. h. hier in voller Sonne neben Rosen/ Clematis. Aber auch im Halb- bis Tiefschatten unter Fichten, Japanahornen etc.pp.. Wobei die meisten Stellen, an denen sie sich angesiedelt hat, gemulcht sind (Laub plus gekaufter Rindenmulch oder selbst fabrizierte Holzhäcksel).
...Saat breit gestreut auf Flächen unter diversen Gehölzen im Garten ausbringen, die keiner Bodenbearbeitung unterliegen ...
"Keine Bodenbearbeitung" könnte tatsächlich nützen. Andererseits: An der Hauswand musste ich vor zwei Jahren wg. Fassadenrenovierung ziemlich viel Erdreich rausnehmen und später wieder einfüllen. Die Epipactis hat sich dadurch nicht stören lassen

.
Phalaina hat geschrieben:... ab August/September öffnen sich die "Nähte" an den Kapseln (sie werden dabei leicht bräunlich) und geben den Samen frei. ...
Danke!Wird hier also wohl noch etwas dauern, die Kapseln sind noch quietschgrün:

Schöne GrüßeQuerkopf
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 19:25
von we-went-to-goe
toller Bericht. :DDarf ich nochmal zum Laienverständnis nachhaken... der Pilz... ist der z.B. an ein lebendes Gehölz gebunden, oder wächst der auch im Häckselgut?
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 20:16
von Querkopf
Hallo, Sabine, merci

. Das mit den Mykorrhiza-Pilzen ist hochkompliziert

... So weit ich bisher kapiert habe, können sie begrenzte Zeit wohl auch auf Häckselgut überstehen. Auf lange Sicht können sie da aber nicht gedeihen, weil sie auf Nahrungs
austausch angewiesen sind - und der funktioniert nur zwischen lebenden Gewächsen.
(Ich bitte die Fachleute um Korrektur, falls das nicht stimmt.) Diesen Link (genial und auch für Laien tauglich!) hatte Knorbs mal irgendwo gepostet. Vielleicht hilft er ein bisschen weiter?Schöne GrüßeQuerkopf
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 20:29
von we-went-to-goe
weiter gefragt... also Pilz ist im hypothetischen Fall noch da. Baum weg. Eine Orchidee ist gekeimt, durch den Pilz den sie braucht. Sie bleibt dann da beständig, auch wenn ihr Pilz irgendwann verreckt, ja?Nächste Frage. Ich habe eine Hasel auf dem Grundstück ( ich hoffe mal, dass es den Pilz nicht stört, dass es eine Bluthasel ist). In welchem Abstand sollte ich den Boden nicht bearbeiten ( der ist bislang tatsächlich noch recht jungfräulich). Frage daher stammend, dass ich nahe dem Wald wohne, in dem auch die Epipactis blühen.Nächste Frage daran anschliessend. Hat das weisse Waldvögelein einen anderen Pilz nötig? Das war schon auf dem Grundstück vorhanden. Der einzige Baum in der Nähe dieser Pflanze war eine Weide, die nicht mehr ist. Wielange könnte man damit rechnen, dass im Häckselgut da noch der benötigte Pilz zu finden ist?Fragen über Fragen

Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 20:42
von Querkopf
Hallo, Sabine,
... Pilz ist im hypothetischen Fall noch da. Baum weg. Eine Orchidee ist gekeimt, durch den Pilz den sie braucht. Sie bleibt dann da beständig, auch wenn ihr Pilz irgendwann verreckt, ja? ...
eher nicht. Sie braucht ja zum Weiterleben den fortwährenden Nahrungsaustausch mit dem Pilz (der kann bei Orchideen sogar - das wird jedenfalls im Link beschrieben - eine Art Ausbeutung des Pilzes sein). Fehlen oder Tod des passenden Pilzes gehörten zu den Ursachen dafür, dass die Pflanzen, die die Orchideenjäger des 19. Jahrhunderts in fernen Kontinenten geräubert und abgeschleppt haben, dann in Europa rasch verreckt sind. Deine anderen Fragen können wohl allenfalls Botaniker oder Orchideenspezialisten beantworten. Sofern der Forschungsstand da überhaupt schon Antworten zulässt

...Schöne GrüßeQuerkopf
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 20:50
von Querkopf
Nachtrag:Orchideen-Mykorrhizapilze müssen keineswegs an Gehölze gebunden sein, sonst gäbe es ja die grandiosen "Orchideenwiesen" nicht. Bei E. h. liegt aber schon die Vermutung nahe, dass sie es mit Gehölzpilzen hat. Denn lt.
Floraweb (etwas runterscrollen zu "Lebensraum") ist sie
"vorwiegend an Wald gebunden" und kommt
"vorwiegend im geschlossenen Wald" vor. Schöne GrüßeQuerkopf
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 20:52
von Querkopf
Nachnachtrag

: Scheint fürs Waldvögelein ähnlich zu sein wie bei E. h., siehe
hier.
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 20:58
von we-went-to-goe
Hab vielen Dank für Deine Ausführungen!Spannend wäre schon, wie weit das Gehölz weg sein kann. Das Prachtexemplar, das ich hier zeigte, hat bestimmt locker 3 m, eher mehr zum nächsten Busch. Auf der anderen Seite ist ja schon der Weg. Aber die anderen hier im nahen Wald stehen wirklich alle im Wald. Dann haben also alle orchideenbegeisterten Forumler hier ihre Orchideen in der Nähe von Gehölzen gepflanzt?
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 21:02
von partisanengärtner
Das ist von Art zu Art unterschiedlich. Die meisten brauchen als Samen zum keimen einen derartigen Pilz. Aber zum Beispiel viele (die meisten oder alle?) Cypripedien sind im erwachsenen Zustand nicht auf diese Pilze angewiesen.Alles im Fluß einfache Regeln gibts nicht.
Re:welches Epipactis => Epipactis helleborine
Verfasst: 30. Jul 2010, 21:35
von sarastro
Epipactis helleborine war früher eine farblich etwas variable Art, aber trotzdem recht einfach anzusprechen. Nun existieren viele genetisch wie morphologisch unterschiedliche, botanisch eigenständige Arten. Früher war es einfach, jetzt ist es hochkompliziert.