Re:Hinweise zur Gentechnologie
Verfasst: 9. Nov 2005, 14:29
Und zwei Bauernschicksale:
Traurig, oder? Genau das blüht uns Hobbygärtnern auch."Unsere Lebensgrundlage ist zerstört worden"Genveränderte Pflanzen bringen Bauern mehr Ertrag und weniger Chemie. Sagen die Hersteller. Doch in der Realität treibt die Gentechnik Landwirte in den Ruin. Zwei Beispiele.Marc Meschenmoser Wie ein gebrochener Mann sieht Percy Schmeiser nicht aus: Seine Augen strahlen Optimismus aus, mit Charme beantwortet der 75-jährige Bauer die Fragen von saldo. Schmeiser stellt sich seit sieben Jahren einem der weltweit mächtigsten Gentechkonzerne entgegen: Monsanto, mit 5 Milliarden Franken Jahresumsatz. «Als ich 1997 dem Druck dieser Firma nicht nachgab, hatte ich keine Ahnung, was das für Folgen haben wird.» Mit dem Wind kam der Gentechraps vom Nachbarn Damals wuchs auf seinem Feld in Westkanada plötzlich erstmals genveränderter Raps. Die Samen waren vermutlich mit dem Wind auf Schmeisers Acker gelangt. Sein Nachbar hatte, die Versprechungen von mehr Ertrag und weniger Chemieeinsatz im Kopf, im Jahr zuvor begonnen, Gentechraps anzupflanzen. Schmeisers Familie lebte bis dahin jahrzehntelang von dem, was ihr Land hergab. Sie verwendete stets eigenes Saatgut aus der letzten Ernte. Folge: Die Rapssorte war optimal dem Klima und dem Boden angepasst. Damit war es vorbei, als sich die Gentechpflanzen unkontrolliert auf seinem Feld zu vermehren begannen. Schmeiser: «50 Jahre Arbeit als Bauer waren zerstört. Ich konnte mein Saatgut nicht mehr benutzen, es war gentechnisch verunreinigt.» Ein Jahr nach der wilden Vermehrung ihrer Pflanzen warf Monsanto Schmeiser vor, er hätte den sogenannten Roundup-Ready-Raps angebaut, ohne für das patentierte Produkt Lizenzgebühren zu bezahlen. 1998 verklagte der Konzern Schmeiser auf eine Million Franken Schadenersatz. Das Unternehmen blieb vor Gericht jeden Beweis schuldig, dass die Bauernfamilie willentlich Gentechraps angebaut habe. Dennoch urteilte im Mai 2004 das höchste kanadische Gericht - im weltweit ersten solchen Prozess - dass Bauer Schmeiser eine Patentverletzung begangen habe. Der Entscheid fiel knapp, mit 5 zu 4 Stimmen. In der Begründung stand: «Bereits mit der Präsenz einer genpatentierten Pflanze auf seinem Feld hat Schmeiser Monsantos Patentrechte verletzt.» Mit anderen Worten: Bauern sollen Gebühren für genmanipulierte Pflanzen bezahlen, die sie nie auf ihren Äckern haben wollten. Monsanto-Vizechef Carl Casale bejubelte den Entscheid: «Das Gericht hat einen weltweiten Standard zum Schutz von Patenten gesetzt.» Immerhin bestätigte das Gericht, dass Schmeiser mit dem genmanipulierten Raps «keinen wirtschaftlichen Profit» erzielen, und lehnte sämtliche Schadenersatzbegehren von Monsanto ab. Dennoch musste sich der Bauer verschulden, um die Anwalts- und einen Teil der Gerichtskosten von 450 000 Franken zu bezahlen. Schmeiser ist kein Einzelfall: Monsanto fordert in Zeitungsinseraten Farmer auf, sich zu melden, wenn in der Nachbarschaft Gentechraps angebaut wird, ohne dass Lizenzgebühren bezahlt werden. «Anrufer können uns solche Tipps auch anonym melden, falls gewünscht.» Als Belohnung erhalten die Denunzianten eine Lederjacke. Finden Monsanto-Detektive dann auf Feldern Genpflanzen, fordert der US-Konzern von den Bauern Schadenersatz für die sich wild vermehrenden Gentechpflanzen. Im Oktober schon wieder Gentechraps auf dem Acker Solche Drohbriefe von Monsanto liegen saldo vor. In einem Schreiben vom Dezember 2004 heisst es: «Wir sind bereit, mit Ihnen eine finanzielle Lösung zu finden, die es Ihnen erlaubt, weiter als Bauer tätig zu sein.» Oder: «Monsanto ist bereit, für 171 000 US-Dollar auf eine Klage gegen Sie zu verzichten.» Vielleicht erhält demnächst auch Percy Schmeiser solche Post. Ende Oktober entdeckte er in seinen Senfpflanzen Gentechraps, der sich unkontrolliert vermehrte. Er liess die Pflanzen auf eigene Kosten ausreissen und forderte Monsanto auf, sie zu entsorgen. Erfolglos. Schmeiser bereist inzwischen die ganze Welt. In die Schweiz geholt haben ihn Gentechgegner anlässlich der Volksabstimmung vom 27. November. Bei dieser geht es um ein Gentechanbauverbot für die nächsten fünf Jahre. Schmeiser berät auch Bauern und Regierungen. Diesen berichtet er vor allem vom entstandenen wirtschaftlichen Schaden. «Unser Raps ist noch die Hälfte wert. Denn nach Europa kann er nicht exportiert werden, weil hier die Konsumenten Gentech-Food ablehnen.» Zudem ist es in Kanada gar nicht mehr möglich, Raps oder Soja gentechfrei anzubauen - reines Saatgut sei nicht mehr erhältlich. Willentlich pflanzte der deutsche Landwirt Gottfried Glöckner den vom Basler Agrochemie-Konzern Syngenta hergestellten Genmais Bt 176 an. Der Stall von Gottfried Glöckner wurde zur Klinik «Die Syngenta versprach mir mehr Ertrag», sagt er gegenüber saldo. Er verfütterte ihn - wie üblich - an seine Rinder. Mit unerwarteten Folgen: Die Tiere bekamen Durchfall, Adern platzten, Blut fand sich in der Milch, Kälber kamen missgebildet zur Welt. «Mein Stall wurde zur Klinik.» Seine Kühe vergiftete jener Stoff, mit dem sich der genveränderte Mais vor dem Schädling Maiszünsler schützt. Vollmundig warb Syngenta in einem Infoblatt, das Gift werde «in Sekundenschnelle im Kuhmaul abgebaut». Tatsache ist: Labortests wiesen es im Magen und selbst im Kot der Tiere nach. Pikant: Dieselbe Gentechmaissorte ist hierzulande zum Anbau zugelassen. Bisher liessen Schweizer Bauern aber ihre Finger davon. Glöckner musste Ende 2004 seine ganze Herde - 70 Tiere - notschlachten. Syngenta bezahlte ihm 60 000 Franken Schadenersatz. «Der Schaden ist massiv höher. Die Gentechnologie hat meine Lebensgrundlage zerstört. Jetzt habe ich Klage gegen Syngenta eingereicht.» Zum Abschied erklärt der Bauer aber, nicht grundsätzlich gegen Gentechnologie zu sein. «Doch die Technik muss gründlich erforscht sein, bevor sie in der freien Natur angewendet wird.» "Ich konnte mein eigenes Saatgut nicht mehr benutzen" Percy Schmeiser "Der Gentechmais vergiftete meine ganze Herde" Gottfried GlöcknerCopyright © Saldo 18/05 vom 9. November 2005 - Seite 4