Re:Fotografie: objektive Dokumentation oder künstlerischer Ausdruck?
Verfasst: 27. Jul 2006, 17:22
Nein - Otto.
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Es gibt keine wirklich sachliche Fotografie im Sinne von objektiv. Ein Foto ist immer eine Reduktion, in der Dimension (2-dimensional), in der Bewegung der Objekte und der Betrachter, in den Farben, (selbst bei besten Materialien werden Farben nur näherungsweise und reduziert widergegeben,) in den Konhtrastumfängen, (es sei denn man heißt Ansel Adams....... gibt auch sachliche Fotografie. Ist übrigens mehr meine Sache als allzu starke Bildbearbeitung / - veränderung.
wer mal in die Lage kommt, ein Foto einem abgebildeten Gegenstand anzugleichen, wird schnell erkennen, wie viele Kunstgriffe der Bildbearbeitung im Sinne einer annähernden Objektivierung notwendig sind. Bildbearbeitung/-manipulation kann somit helfen, die Abbildungsfehler des Mediums auszugleichen, ja meist ist sie sogar notwendig, wenn man beispielsweise sieht, welchen Aufwand Adams in diesem Sinne betrieb. Dennoch bleibt das Foto nur ein Schattenbild der "Realität"...Methoden der Nachbearbeitung wie das Korrigieren von Ausschnitt, in gewissem Rahmen auch von Tonwertumfang, Helligkeit / Kontrast, Farb(temperatur) und auch Scharfzeichnen verändern das Foto nicht, sondern optimieren nur und sind damit unbedenklich. - Ich gehe dabei von 'richtig' belichteten Fotos aus.
ja, aber halt nur einen Blick unter Millionen möglichen. Und welchen der Fotograf wählt, unterliegt natürlich seiner Subjektivität. Fotografie ist genauso gefärbt, wie eine Zeichnung oder ein Gedicht. Nur macht sich die Fotografie, da sie ja die Realität abbildet, erst einmal unverdächtiger, einem Wort tritt man von Vornherein eher mit Mißtrauen entgegen. Ein Foto ist jedoch genauso objektiv/subjektiv, wie ein Gedicht, es liegt alleine in der Absicht und dem Können des Autors. Das Foto nimmt jedoch mit seinem Realitätsanspruch eine Sonderstellung ein, es beeinflußt unsere Sehgewohnheiten, ja manchmal sogar unseren Blick auf die Realität. Was ist realer, die eigene Erinnerung an etwas (mit ihr können sich beispielsweise sinnliche Eindrücke verbinden, wie Geschmack und Geruch, von denen ein Foto vollkommen abstrahiert), oder das gemachte Foto. Man kann mittlerweile auch beobachten, daß die vielen Bildbearbeitungen in der Werbung Rückwirkungen auf den Betrachter haben, wir nehmen in Eiswürfel eingefrorene Autos kaum mehr als Fake war.Natürlich ist Fotografie Dokumentation, denn sie zeigt einen Teil unserer Umwelt, wie sie zu genau dieser Zeit wahrgenommen werden konnte (!).
Jedes Foto ist ein Dokument, (mit den o.a. technischen Schwächen natürlich,) von was auch immer, das eine vielleicht mehr von der abgebildeten Situation, das andere mehr von der Sichtweise des Fotografen. Nur müssen wir das immer im Kopf behalten, daß ein Foto der Sichtweise des Autors und dessen mehr oder minder lauteren Absichten entspricht.riesenweib hat geschrieben:...wenn wir Heisenbergs unschärferelation als gültig ansehen, kann es kein dokumentationsfoto geben. da auch fotografieren immer eine interaktion ist.
Thomas, die Zeit der künstlerischen Fotografie der Anfänge, in der diese zu gestalterischen Methoden griff, um sich eben als Kunst zu legitimieren, haben wir zum Glück überwunden. Natürlich kann Fotografie Kunst sein. Ob etwas Kunst ist, entscheidet sich doch, zumindest seit dem 20. Jahrhundert, nicht durch die Wahl der Mittel, sondern durch den sozialen Kontext/Aussage. Ein schwarzes Quadrat wurde doch erst zur Kunst, weil es von Kasimir Malewitsch dort plaziert wurde, wo in einem "normalen" russischen Haushalt die Ikone hingehörte und Marcel Duchamp´s Urinal ist nicht Kunst, weil es von einem bestimmten Designer entworfen wurde, sondern weil es in vielen Menschen das Nachdenken ausgelöst hat, was Kunst zur Kunst macht, oder anders formuliert, ist etwas Kunst, weil es einem Museum hängt/steht/liegt.Thomas hat geschrieben:Ich finde, Fotografie ist keine 'Kunst' - zumindest nicht in demselben Sinne wie Malerei oder Bildhauerei. Und 'künstlerische' Fotografie ist mir persönlich etwas suspekt.
@ pocoloco,danke für die Zusammenstellung, so sieht man nochmal 'auf einen Blick', was u.A. so gesagt wurde. Ein paar kurze Anmerkungen:Zitat 1: Foto sei immer eine Reduktion: Das gilt auch für die Projektion im Auge auf die Netzhaut => kein Argument. - Weiterführend: Es gilt für jedes Tätigkeit, die etwas 'in der Welt' abbildet, auch für Sprache z.b. ... in ihrer Zuspitzung ist diese Frage eine erkenntnistheoretische.Zitat 2: Bildbearbeitung kann helfen Abbildungsfehler zu beheben => nichts anderes habe ich gesagt ;)Zitat 3: Fotografie als Kunst => s. mein Beispiel von den Bechers. - Ich habe gesagt, dass Fotografie als solche (noch) keine Kunst ist. Präziser: Ein gutes Foto ist zwar möglicherweise nicht so einfach herzustellen, aber es ist, auch wenn es 'perfekt' ist, deshalb noch keine Kunst. - Jedoch gibt es Kunst, in der Fotografie als eingesetzte Technik eine wichtige Rolle spielt.Liebe GrüßeThomasWir begegnen den Sachen immer sozusagen indirekt, durch den (Zerr)Filter unserer (menschlichen) Sinne. Oder
1.zu erläuterung: beim schatten redenwir immer vom Platos gedanken,dass wir menschen nie die wirklichkeit sähen, sondern immer nur ihr abbild als schatten an der höhlenwand.2.zu Heisenberg....wenn wir Heisenbergs unschärferelation als gültig ansehen, kann es kein dokumentationsfoto geben. da auch fotografieren immer eine interaktion ist.vom schatten an der wandbrauch ma gar net reden ....
Quelleinteressant auch der gedankengang: sobald ich mich in ein system involviere (beobachtend, messend) verändere ich es, also auch die subjektiv als objektiv wahrnehmbare erscheinungsform des systems. Chaostheoretiker leben ja auch von diesem zugang zur welt. lg, brigitte...Heisenberg entwickelte in der Folge in Zusammenarbeit mit Bohr die sogenannte Kopenhagener Schule der Quantenphysik, die in Wahrheit keine wissenschaftliche Schule ist, vielmehr versucht sie uns zu erklären, dass Physik nicht herausfinden soll, wie die Natur ist, sondern nur was wir über die Natur sagen können. John Wheeler, einer ihrer wichtigsten Vertreter erklärt uns, dass Vorgänge in der Natur keine Vorgänge sind, solange sie nicht beobachtet werden. Dies hat aber nichts mehr mit Wissenschaft zu tun, das ist bloß eine gewisse Weltanschauung - die des subjektiven Idealismus. Heisenberg hat diesen Gedanken schon 1919, als er in den Reihen des reaktionären Freikorps gegen die deutschen Arbeiterbewegung kämpfte, entwickelt. Er sei vielmehr an den philosophischen Grundlagen seiner Arbeit als an den konkreten wissenschaftlichen Ergebnissen interessiert. Überdies sei es notwendig, sich vom Gedanken zu trennen, dass es objektive Prozesse in Raum und Zeit gäbe. Seine philosophische Interpretation der Quantenphysik war also weit davon entfernt, Ergebnis wissenschaftlicher Experimente zu sein, es ging ihm vielmehr darum, seinen philosophischen Idealismus auf die Physik zu übertragen. Diese idealistische Weltanschauung gebraucht er dann auch zur Rechtfertigung seiner Zusammenarbeit mit dem NS-Regime als Chefentwickler der Atombombe: Da es keine objektiven Gesetze in der Natur gebe, könne man auch im vorhinein nicht sagen, was richtig oder falsch wäre, jeder müsse für sich selbst entscheiden...
Genau! In der Kunst geht es ja (u.a. - sage ich vorsichtig) um Deutung; um die Suche nach Wahrheit (großes Wort gelassen gesprochen...)Ich glaube, mit dem Wort Dokumentation kommen wir nicht weiter, weil man darunter so ziemlich alles verstehen kann. Selbst das gekünstelte Photo ist Dokument: einer Sehweise, einer zeitgebunden modischen Ästhetik usw.Der Mensch ist nicht objektiv, kann es nicht sein. Seine Werke somit auch nicht. Das Sehen ist keine Objektivierung der Wirklichkeit, sondern Interpretation. Die Photos, die eine Überwachungskamera produziert, sind "objektiv"; sobald ein denkender Mensch hinter der Kamera steht und mit Bewusstsein auf den Auslöser drückt, wird eine mehr oder minder gefärbte Ansicht festgehalten. Mehr oder minder, eben. Der Grad der Objektivität oder Interpretation wird in erster Linie durch die Absicht des Photographen bestimmt.und zu Thomas initialer frage: fotografie ist auch für aktiv künstlerischen ausdruck geeignet. und wie einige ja schon angesprochen haben: zeigt sich dann der hintergründige zustand eines dinges/einer situation oft nicht klarer wie bei nichtkünstlerischer wiedergabe? und ist dann mehr eine dokumentation einer weiteren ebene/facette ?
Seine Bezugnahme zur Wehrmachtsausstellung macht deutlich, worum es ihm geht: Er ist offenbar der Meinung, dass Fotos als solche nicht zur Dokumentation von Sachverhalten taugen, denn sie sind immer nur Ausschnitte der Wirklichkeit. Die Wahl des Ausschnitts alleine, das Beeinflussen der Bildbotschaft durch Brennweite, Belichtung etc. pp., schließlich noch die Wahl bestimmter Fotos aus einer größeren Menge, der Zusammenhang, in dem sie gezeigt werden ... all das trägt natürlich zur transportierten Bedeutung bei.Wie schon mehrfach gesagt, trifft dies für alle Verfahren zu, mit denen wir auf Sachverhalte Bezug nehmen. Auch für Sprache. Im Extrem sogar auf unsere 'Wahr-Nehmung' überhaupt (deshalb Kant). Wie von einigen angemerkt, kommen Faktoren wie soziokulturelle Hintergründe konstituierend hinzu ... Das ist sind wichtige Umstände, aber er ist eben nichts, was spezifisch für Fotografie wäre.Trivialerweise gibt es auf dem Hintergrund dieser Überlegungen keine Fotografien, die nur als solche dokumentarischen Zwecken genügen. Dokumentation ist auf jeden Fall eine Tätigkeit, zu der mehr gehört als das Erstellen und Vorzeigen von Bildern.So weit, so klar.Eigentlich hatte mich an dem Thema weniger dieser grundlegende, eher erkenntnistheoretische Aspekt interessiert ... Mich würde mehr interessieren, wie wir beispielsweise Naturfotografien auffassen, die wir hier zeigen und sehen. Deshalb auch mein Beispielfoto der Birkenzweige vor dem Wasser: Das ist eben keine Dokumentation. Es ist aber auch keine subjektive Verfälschung. Schließlich ist es auch keine Kunst.Es ist aber vielleicht ein gültiges Foto zu einem typischen Aspekt Finnlands. Damit ist es mehr als nur meine persönliche Sichtweise an einem bestimmten Fleck zu einer bestimmten Zeit. Und daran ändert sich nichts, auch wenn man ähnliche Fotos woanders ebenfalls machen kann. Bei diesen ähnlichen Fotos könnte ein Betrachter sagen: "Erinnert mich an Finnland!", und ein anderer: "Sieht aus wie am Bleibtreu-See!".Es ist eben nicht der Kölner Dom drauf, oder sonst eine eindeutige Referenz gegeben. Und auch da könnte jemand sagen: "Sieht aus wie der Kölner Dom - ist aber die Kathedrale von Amiens."Ich vertrete die Auffassung, dass Naturfotografie in einem nicht-expressiven Sinne durchaus zeigen kann, was ist. Auch da ist die Interpretation des Fotografen gefragt: Was ist typisch, was nicht? Entsprechend wählt er Ausschnitt, Brennweite, Belichtung, bearbeitet nach ... aber immer im Dienste der sachlichen Aufgabe: Zu zeigen, was ist.Ferner wollte ich zum Ausdruck bringen, dass mich persönlich solche Fotografie mehr interessiert als 'metaphorische' oder 'künstlerische' oder 'kreative' ... oder 'dokumentarische'.Liebe GrüßeThomasFotografie war zu allen Zeiten der subjektive Eindruck des Fotografens oder der missglückte Schnappschuss oder die bewusste Lüge.
... auch hier nicht nur in diesem Dienste, sondern auch vielleicht, um etwas hervorzuheben, "schöner" zu machen oder eben den Blick auf dieses Besondere zu lenken, was sonst niemand wahrnehmen würde .... ein Foto auch als Betonung genau dieses Objektes...... aber immer im Dienste der sachlichen Aufgabe: Zu zeigen, was ist.
Klar ist es Kunst - was sonst? Keine große Kunst, meinetwegen, weist aber typische Merkmale von Kunst auf. Schließlich hast du dir Gedanken gemacht über: Farbklang, Komposition, Stimmung. Schönheit. Deswegen hast du gerade dieses Photo gemacht.Was meinst du mit "subjektive Verfälschung"? Absichtsvolle Verfälschung etwa? Und überhaupt wieso Verfälschung? Irgendwie scheint im Hintergrund die Vorstellung zu schwirren, was subjektiv ist, ist manipulativ, geschieht zum Zwecke der Irreführung.Mich würde mehr interessieren, wie wir beispielsweise Naturfotografien auffassen, die wir hier zeigen und sehen. Deshalb auch mein Beispielfoto der Birkenzweige vor dem Wasser: Das ist eben keine Dokumentation. Es ist aber auch keine subjektive Verfälschung. Schließlich ist es auch keine Kunst.